Vier Volltreffer für die Hardboiled-Fans

Die zweite deutschsprachige Lieferung von Hard Case Crime enthält zwei bekannten Namen, zwei Debüts (eines wurde bereits mehrfach ausgezeichnet, eines ist von einer Frau), drei neue Krimis und eine Wiederveröffentlichung. Damit ist auch die zweite Auswahl aus den inzwischen fast fünfzig originalen Hard-Case-Crime-Büchern überzeugend ausgefallen. Christa Fausts „Hardcore Angel“, Richard Aleas’ „Tod einer Stripperin“, Mickey Spillanes „Das Ende der Straße“ und, als einzige Wiederveröffentlichung, Donald E. Westlakes Frühwerk „Mafiatod“ sind alle höchst unterhaltsame Hardboiled-Geschichten, die sich nicht sonderlich um politische Korrektheit bemühen und, salopp gesagt, der Gegenentwurf zum skandinavischen Krimi und dem biederen Regiokrimi sind.

Die Großmeister: Mickey Spillane und Donald Westlake

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Als Erfinder des knallharte Privatdetektivs Mike Hammer wurde Mickey Spillane weltweit bekannt. Sein anderer Seriencharakter Tiger Mann und Einzelwerke, wozu auch prämierte Kinderbücher gehören, standen immer im Schatten dieses Erfolges. Die Leser liebten seine Geschichten voller Gewalt und Sex. Die Tugendwächter schlugen auf ihn ein, als ob er der Teufel persönlich wäre. Und in Deutschland erschienen seine Bücher immer wieder gekürzt und wanderten öfters auf den Index.

In den letzten Jahren veröffentlichte Spillane, der noch nie ein besonders produktiver Schreiber war, fast nichts mehr. Nach seinem Tod 2006 begann Max Allan Collins, ein glühender Spillane-Fan und sehr produktiver Autor, auf Spillanes Wunsch, deren unvollendete Manuskripte, wozu auch mehrere Mike-Hammer-Geschichten gehören, fertig zu stellen.

Als erstes erschien vor einem Jahr bei Hard Case Crime „Dead Street“, das jetzt als „Das Ende der Straße“ auf Deutsch veröffentlicht wurde. Es erzählt vom New Yorker Ex-Cop Jack Stang, einem typischen harten Dirty-Harry-Cop, der weiß, dass er ein Dinosaurier ist und der nie über den Tod seiner vor zwanzig Jahren ermordeten Freundin hinweggekommen ist. Doch jetzt, nach seiner Pensionierung, erfährt er, dass sie noch lebt und die Personen, die sie damals umbringen wollten, es heute immer noch tun wollen. Stang versucht seine alte Liebe wieder für sich zu gewinnen und sie vor den Bösewichtern zu beschützen. Dafür muss er zuerst herausfinden, warum die Mafia eine gewöhnliche Sekretärin umbringen will.

Im Gegensatz zu den früheren Spillane-Werken geht der Grandmaster der Mystery Writers of America hier wesentlich ruhiger zu Werk. Der gesamte Mittelteil widmet sich hauptsächlich dem Werben von Stang um seine totgeglaubte Liebe. Erst am Ende, in dem von Max Allan Collins geschriebenen Teil, wird geschossen.

Als Donald E. Westlake „Mafiatod“ schrieb, stand er ganz am Anfang seiner langen und erfolgreichen Karriere. Unter seinem Namen ist er heute vor allem als Autor der komischen Dortmunder-Serie bekannt; als Richard Stark schreibt er seit 1962 die düsteren Parker-Serie und einige Grofield-Romane. Daneben hat er, neben zahlreichen Einzelwerken, die meistens unter seinem richtigen Namen erschienen, unter verschiedenen Pseudonymen, wie Tucker Coe, mehrere kürzere Serien veröffentlicht. Außerdem schrieb Westlake zahlreiche Drehbücher. 1993 ernannte ihn die Mystery Writers of America zum Grandmaster und 1997 erhielt er für sein Lebenswerk den Anthony.

Davon ahnte er 1962, als er „Mafiatod“ veröffentlichte, noch nichts. Der Krimi beginnt mit der Rückkehr des dreiundzwanzigjährigen Ray Kelly von seinem dreijährigen Dienst bei der Air Force in Deutschland. Als er mit seinem Vater, dem Anwalt Willard Kelly, auf dem Highway von Manhattan unterwegs zum in einer Vorstadt von New York gelegenen elterlichen Haus ist, wird auf sie ein Anschlag verübt. Ray Kelly überlebt schwer verwundet. Er verliert sein rechtes Auge. Sein Vater das Leben. Als Kelly aus dem Krankenhaus entlassen wird, fordert ihn ein Mann auf, sofort die Stadt zu verlassen und ganz weit weg ein neues Leben zu beginnen. Aber Kelly möchte herausfinden, warum sein Vater sterben musste.

Als erstes findet er heraus, dass sein Vater in den Dreißigern in New York für den Schnapsschmuggler und Gangsterboss Eddie Kapp arbeitete. Und es kommt noch schlimmer für Ray Kelly.

Auf knapp zweihundert Seiten packt Donald E. Westlake, wie in den Parker-Romanen, mehr Twists, als ein heutiger Thriller auf der zwei- bis dreifachen Länge hat, und das Ende der Hardboiled-Geschichte ist immer noch schockierend-überraschend. Denn, soviel kann verraten werden, Familie ist die Hölle.

Junges Blut: Richard Aleas und Christa Faust

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Richard Aleas heißt im wirklichen Leben Charles Ardai und er gibt die Hard-Case-Crime-Reihe heraus. In seinem Romandebüt „Tod einer Stripperin“ überzeugt er, nach einigen Kurzgeschichten, auch als Romanautor.

Sein Debüt war für den Edgar- und den Shamus-Award nominiert. Der zweite Krimi mit Privatdetektiv John Blake „Songs of Innocence“ wurde in den Staaten ebenfalls abgefeiert und nur wegen einer Änderung der Zulassungskriterien wurde er, zum Bedauern vieler Autoren und Kritiker, nicht für den Shamus-Award nominiert.

In „Tod einer Stripperin“ will Privatdetektiv John Blake herausfinden, warum seine Schulfreundin Miranda Sugarmann keine geachtete Ärztin, sondern eine Stripperin in dem noch nicht einmal zweitklassigen New-Yorker-Nachtclub „The Sin Factory“ wurde und ermordet wurde. Dass John Blakes Chef Leo Hauser (der Name erinnert sicher nicht zufällig an Leo Haig, einem von Lawrence Block erfundenem Privatdetektiv. Ardai ist ein bekennender Block-Fan.) ihm rät, die Sache nicht zu verfolgen, kann Blake in seinem jugendlichen Leichtsinn nicht von diesem Fehler abhalten. Blake ermittelt einige unschöne Dinge über seine Highschoolliebe. Er beschäftigt sich mit seinen in den vergangenen zehn Jahren verlorenen Träumen. Denn als er die Schule verließ, wollte er nicht Privatdetektiv werden. Und er muss sich mit einigen wirklich üblen Gangstern auseinandersetzen.

Als erste und bislang einzige Frau bei Hard Case Crime wurde Christa Faust mit ihrem „Hardcore Angel“ von den Hardboiled-Fans begeistert aufgenommen. In den USA wurde der Roman bereits Monate vor dem offiziellen Erscheinen in den einschlägigen Blogs gelobt, nächstes Jahr wird er mit Sicherheit auf einigen Nominierungslisten stehen und Christa Faust schließt weitere Angel-Dare-Geschichten nicht aus.

In „Hardcore Angel“ gerät Angel Dare, ein ehemaliger Pornostar und Geschäftsführerin einer Sexmodelagentur, zufällig in eine leichenhaltige Geschichte um einen Koffer voller Geld und einen schwunghaften Sexsklavinnenhandel. Nach 250 Seiten hat Los Angeles einige Einwohner weniger und Angel Dare ist um einige Erfahrungen, wozu auch verschiedene Arten des Tötens gehören, reicher.

„Hardcore Angel“ ist ein wilder 250-seitiger Ritt durch die Schattenseiten Hollywoods mit einer glaubwürdigen Heldin und etlichen, sarkastisch geschilderten, Einblicken in das Sexfilmgeschäft.

Mickey Spillane: Das Ende der Straße

(übersetzt von Lisa Kuppler)

Rotbuch, 2008

224 Seiten

9,90 Euro

Originalausgabe

Dead Street

Hard Case Crime, 2007

224 Seiten

Hinweise

Meine Besprechung von Mickey Spillanes “Dead Street”

Weitere Informationen über Mickey Spillane

Donald E. Westlake: Mafiatod

(übersetzt von Ursula von Wiese – Ungekürzte, überarbeitete und nach dem Original ergänzte Fassung von Almuth Heuner)

Rotbuch, 2008

208 Seiten

9,90 Euro

Originalausgabe

361

Random House, 1962

Neuausgabe

Hard Case Crime, 2005

208 Seiten

Deutsche Erstausgabe

Höllenfahrt

Kurt Desch Verlag (Mitternachtsbücher), 1963

Hinweise

Homepage von Donald E. Westlake

Meine Besprechung des Dortmunder-Romans „What’s so funny?“

Meine Besprechung des Dortmunder-Romans „Watch your back!“

Meine Besprechung des Dortmunder-Kurzromans „Die Geldmacher“ (Walking around money; erschienen in „Die hohe Kunst des Mordens“ [Transgressions])

Meine Vorstellung der Parker-Serie, die Westlake als Richard Stark schreibt

Meine Besprechung des Parker-Romans „Ask the Parrot“

Meine Doppelbesprechung der Parker-Romane „Fragen Sie den Papagei“ (Ask the Parrot) und „Dirty Money“

Richard Aleas: Tod einer Stripperin

(übersetzt von Conny Lösch)

Rotbuch, 2008

256 Seiten

9,90 Seiten

Originalausgabe

Little Girl Lost

Hard Case Crime, 2004

224 Seiten

Hinweise

Richard Aleas stellt bei “My Book, the Movie” seinen Traumcast vor

Richard Aleas testet die Seite 69 von „Little Girl Lost“

Christa Faust: Hardcore Angel

(übersetzt von Almuth Heuner)

Rotbuch, 2008

256 Seiten

9,90 Euro

Originalausgabe

Money Shot

Hard Case Crime, 2008

256 Seiten

Hinweise

Homepage von Christa Faust

Meine Besprechung von „Hardcore Angel“ (Money Shot, 2008)

Kriminalakte über Christa Faust

Bonushinweise

Meine Besprechung der ersten drei deutschen Hard-Case-Crime-Bücher

Amerikanische Hard-Case-Crime-Seite

Deutsche Hard-Case-Crime-Seite

6 Responses to Vier Volltreffer für die Hardboiled-Fans

  1. […] Meine Besprechung des Frühwerks “Mafiatod” (361) […]

  2. […] Meine Besprechung von Donald E. Westlakes „Mafiatod“ (361, 1962) […]

  3. […] Spillane, wenn er Mike Hammer (seltener), Tiger Mann (immer) und, in dem posthum erschienenen „Das Ende der Straße“ (Dead Street), Jack Stang gegen die bösen Kommunisten (damals) und Terroristen (eher heute) auf die Jagd […]

  4. […] Meine Besprechung von Donald E. Westlakes „Mafiatod“ (361, 1962) […]

  5. […] Ende der Straße“ ist der deutsche Titel. Meine längere, meine kürzere […]

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