In seinem zweiten Auftritt „Nächte in Babylon“ muss der von Daniel Depp erfundene Privatdetektiv David Spandau den alternden Hollywood-Star Anna Mayhew (Sie ist schon über Vierzig!) beschützen. Ein Stalker zerschnitt ihr, ohne dass sie es bemerkte, auf offener Straße mit einem Rasiermesser ihren Schal. Beim nächsten Mal könnte er sich nicht mit dem Schal begnügen und Anna Mayhew umbringen. Nach einem schwierigem Start ernennt Mayhew Spandau zu ihrem persönlichem Bodyguard und er soll sie nach Cannes begleiten, wo sie in der Jury des Filmfestivals sitzt. Mayhews Verehrer mit den Rasierklingen, der Friseur Vincent Perec, der die Schauspielerin umbringen will, und der nette Zuhälter und Opernliebhaber Special, der von Perec wieder gut 150.000 Dollar, die er ihm gestohlen hat, zurückhaben will, machen sich auch auf den Weg nach Cannes.
Das klingt jetzt nach einem zünftigem Privatdetektiv-Krimi mit einer deftigen Portion Hollywood-Klatsch und Cannes-Impressionen, bei der neben dem Aufmarsch von Myriaden von Hollywood-Stars und Sternchen auch unbekannte Hintergrundinformationen zum Filmmarkt in Cannes geliefert werden. Denn bei all dem schönen Schein geht es während des Filmfestivals vielleicht sogar in erster Linie ums Geschäft.
Aber solche Insider-Informationen gibt es nicht. Stattdessen könnte die zweite Hälfte des Romans auch zu einer anderen Zeit und an einem anderen Ort spielen. Über das Filmfestival erfahren wir, außer dass die Juroren auswählen können, welche Vorstellung des Films sie sich ansehen, nichts, was nicht auch in einem einminütigem „Tagesschau“-Beitrag untergebracht werden könnte.
Das reichlich langatmige Katz-und-Maus-Spiel zwischen Spandau und dem Killer unter südfranzösischer Sonne ist ungefähr so originell wie ein mittelmäßiger TV-Krimi. Und das ist „Nächte in Babylon“ dann auch.
Denn obwohl Depp gerade in der ersten Hälfte seine Charaktere in epischer Breite einführt (Müssen wir wirklich alles über Spandaus persönliche Probleme erfahren? Muss er mit seinem Partner Komasaufen?) und er mit dem durchgeknallten Fan (der als Muttersöhnchen immer noch bei seiner Mutter lebt und eine erzreaktionär-christliche Erziehung genießt), dem auf Rache sinnendem Zuhälter und dem Hollywood-Star, der sich mehrere Ampulle mit einem besonders tödlichem Gift besorgt hat, das Personal für einen Highspeed-Thriller aufstellt, macht er nichts daraus. „Nächte in Babylon“ liest sich eher wie ein Thriller, der nicht thrillen will. Die Giftampullen sind letztendlich sogar nicht mehr als ein ärgerlicher Red Herring.
Da liest man besser noch einmal Robert B. Parkers Spenser-Fälle, in denen der Privatdetektiv, manchmal auch in Hollywood, als Bodyguard arbeitete, wie „Bodyguard für eine Bombe“ (Looking for Rachel Wallace, 1980), „Licht für Dunkelmänner“ (A savage place, 1981) und „Starallüren“ (Stardust, 1990). Oder einen Krimi mit den Privatdetektiven Patrick Kenzie und Angela Gennaro von Dennis Lehane. Sogar der schwache letzte Kenzie/Gennaro-Roman „Moonlight Mile“ ist tausendmal besser als die doch arg formelhaften „Nächte in Babylon“.
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Daniel Depp: Nächte in Babylon
(übersetzt von Regina Rawlonson)
Carl’s Books, 2011
352 Seiten
14,99 Euro
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Originalausgabe
Babylon Nights
Simon & Schuster, London, 2010
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Hinweise
Carl’s Books: Special zu Daniel Depp
Süddeutsche Zeitung: Interview mit Daniel Depp (22. Februar 2010)
The Scotsman: Interview mit Daniel Depp (25. März 2009)
