Sebastian Fitzek erzählt von „Augensammlern“ und „Augenjägern“

Oktober 14, 2011

In seinem neuesten Thriller „Der Augenjäger“ warnt Sebastian Fitzek seine Leser gleich auf der ersten Seite, dass dieser Roman eine Fortsetzung von „Der Augensammler“ ist und, auch wenn man den einen Roman nicht gelesen haben muss, um den anderen zu verstehen, er aber wichtige Handlungsdetails aus dem „Augensammler“ verraten werde und es mehr Spaß mache, die Bücher chronologisch zu lesen. Denn, wie bei einem der inzwischen seltenen Zweiteiler einer TV-Serie (bei „Castle“ gab es vor kurzem einen Zweiteiler, bei „CSI“ gibt es manchmal Zweiteiler und öfter Crossover-Folgen), sind beide Folgen nur lose miteinander verknüpft und in der zweiten Folge werden fast alle Gewissheiten des ersten Teils auf den Kopf gestellt.

In „Der Augensammler“ bringt ein Unbekannter Mütter um, entführt ihre Kinder und gibt dem Vater 45 Stunden und 7 Minuten, sein Kind zu retten. Bis jetzt wurden alle entführten Kinder tot aufgefunden. Immer fehlte das linke Auge. Deshalb nennt ihn die Presse den „Augensammler“.

Da kommt die blinde Physiotherapeutin Alina Gregoriev zu dem Ex-Polizisten und Sensationsreporter Alexander Zorbach. Sie sagt, sie habe, als sie einen ihrer Patienten berührte, eine Vision gehabt, die sie zu dem Augensammler führen könnte. Zorbach hält diese Vision zwar für ausgemachten Quatsch, aber weil seine ehemaligen Kollegen ihn im Moment für den Augensammler halten, beschließt Zorbach, diese Chance, seine Unschuld zu beweisen, wahrzunehmen. Mit ungeahnten Folgen.

Der Augenjäger“ schließt unmittelbar an den „Augensammler“ an, Denn jetzt wird irgendwie (Oh heilige Spoilervermeidung!) die Jagd nach dem „Augensammler“ abgeschlossen.

Einige Monate später bittet die Polizei Alina Gregoriev ihnen bei einem anderen Fall zu helfen. Der begnadete Augenchirurg Dr. Zarin Suker soll Frauen entführen und ihnen die Augenlider entfernen. Eines seiner Opfer überlebte, ist aber verschwunden und wenn Gregoriev mit ihrer Gabe nichts herausfindet, wird Suker aus der Untersuchungshaft entlassen. Gregoriev sieht bei der Behandlung zwar etwas, aber solange sie von der Polizei keine Informationen über Zorbach erhalten hat, will sie nichts sagen.

Kurz darauf wird Suker freigelassen und er entführt Gregoriev. Er will sie operieren. Zuerst will er ihr dabei die Sehfähigkeit zurückgeben.

Und das ist nur eine von vielen überraschenden Wendungen, die den „Augensammler“ und den „Augenjäger“ wie einen Edgar-Wallace-Film wirken lassen. Denn es passiert unglaublich viel, es ist ziemlich unterhaltsam und am Ende sollte man wirklich nicht zu viele Gedanken an die Wahrscheinlichkeit des Gelesenen verschwenden.

Beide Bücher, die auch unabhängig voneinander gelesen werden können, sind eine feine lange Geister- und Achterbahnfahrt, die genau das Richtige für einen langen Sonntagnachmittag oder eine dröge Zugfahrt ist.

Sebastian Fitzek: Der Augenjäger

Droemer, 2011

432 Seiten

19,99 Euro

Sebastian Fitzek: Der Augensammler

Droemer, 2010

448 Seiten

16,95 Euro (Hardcover)

9,99 Euro (Taschenbuch)

Hinweise

Homepage von Sebastian Fitzek

Sebastian Fitzek in der Kriminalakte

Meine Besprechung von Sebastian Fitzeks „Der Seelenbrecher“ (2008)

Meine Besprechung von Sebastian Fitzeks „Das Kind“ (2008)

Meine Besprechung von Sebastian Fitzeks „Splitter“ (2009)

 


TV-Tipp für den 14. Oktober: Mogadischu

Oktober 14, 2011

Arte, 20.15

Mogadischu (D 2008, R.: Roland Suso Richter)

Drehbuch: Maurice Philip Remy

Buch zum Film: Timo Kortner: Mogadischu – Das Entführungsdrama der Landshut, 2008

Nach Heinrich Breloers hochgelobtem Zweiteiler „Todesspiel“ (auch schon über zehn Jahre alt) über den Deutschen Herbst 1977, diversen Dokumentationen (zum Beispiel 2007 ein Zweiteiler) über die RAF, dem zeitgleich im Kino gelaufenem, ziemlich grottigem „Baader Meinhof Komplex“ (die TV-Fassung läuft ab 23.30 Uhr im Ersten) mutet „Mogadischu“ etwas akademisch an. Denn die Fakten sind bekannt. Am 13. Oktober 1977 entführt ein palästinensisches Kommando die Lufthansa-Maschine Landshut. Nach einem mehrtägigen Irrflug landet das Flugzeug in Mogadischu und die GSG 9 beendet die Geiselnahme.

Neue Erkenntnisse, wie die Beteiligung des KGB an der Entführung und was Lufthansa-Pilot Jürgen Schumann machte, als er nach einer Notlandung in Aden zwanzig Minuten verschwand, ändern nichts an dem großen Bild.

Aber Autor Remy und Regisseur Richter verarbeiteten diese Geschichte jetzt zu einem die damaligen Ereignisse konzentriert nacherzählendem TV-Spielfilm, der auch im Kino überzeugt hätte. Einziger Kritikpunkt ist die derzeit angesagte Wackelkamera.

„Es ist ein ernsthafter Versuch der Annäherung (an die Wahrheit, A. d. V.). Wir bemühen uns, mit Verantwortung an ein Thema heranzugehen. Die Menschen, die das erlebt haben, sollen nicht davor sitzen und sagen: Was machen die denn da? Was erzählen die da?“ (Remy in der FAZ)

Das gleichnamige „Begleitbuch zum Film ‚Mogadischu’“ von Timo Kortner nimmt eine seltsame Zwischenstellung zwischen einem traditionellem Buch zum Film, also einer höchstens sparsam erweiterten Romanfassung des Drehbuchs, und einem Sachbuch über die Entführung ein. Denn Kortner führt relativ ausführlich in das gesellschaftliche Klima während der Schleyer-Entführung ein und er fügt immer wieder erklärende Passagen ein. Dabei gibt es im Buch und im Film eine Verschiebung der Perspektive von den Tätern zu den Opfern. Der Tatsachenroman „Mogadischu“ erzählt von Menschen in einer Ausnahmesituation und wie sie versuchen, diese zu überleben. Die Entführer bleiben dagegen, bis auf den durchgeknallten Captain Martyr Mahmud, blass. Und die Ideologie der Terroristen wird höchstens in einem Nebensatz gestreift; – was sie als Bösewichter noch bedrohlicher macht.

Kortners „Mogadischu“ ist ein packendes Drama, das auch eine gehörige Portion historisches Wissen vermittelt. Ein feines Buch.

Mit Nadja Uhl, Thomas Kretschmann, Christian Berkel, Said Tagmaqoui, Herbert Knaup, Simon Verhoeven, Jürgen Tarrach

Hinweise

ARD zum Film

FAZ: Interview mit Maurice Philip Remy über “Mogadischu” (24. November 2008)

FAZ (Michael Hahnfeld), Die Welt (Eckhard Fuhr), Spiegel Online (Christian Buß), Süddeutsche Zeitung (Christopher Keil), taz (René Martens), Die Zeit (Margit Gerste) über den Film „Mogadischu“

Kortner - Mogadischu

Das Buch zum Film

Timo Kortner: Mogadischu – Das Entführungsdrama der ‚Landshut’

Knaur, 2008

272 Seiten

9,95 Euro