DVD-Kritik: Die erfrischend unschwedische Krimiserie „Verdict Revised – Unschuldig verurteilt“

Ein Juraprofessor und einige seiner Studenten helfen unschuldig Verurteilten. Das klingt doch sehr amerikanisch und einige US-Professoren machen auch solche Seminare, um ihren Studenten die spätere Praxis nahezubringen. Außerdem ist das amerikanische Justizsystem für seine Fehlurteile bekannt. Besonders wenn es um die Todesstrafe geht.

Aber „Verdict Revised – Unschuldig verurteilt“ ist, trotz des englischen Titels keine Hollywood-Serie, sondern eine schwedische Serie mit Mikael Persbrandt (Gunvald Larsson in den „Kommissar Beck“-Filmen, „In einer besseren Welt“, „Gangster“ und, demnächst, „Der Hobbit“) als Markus Haglund, einem Ex-Anwalt und brillantem Hochschulprofessor, der an der Universität in Uppsala seine Uni-Anstellung vor allem benutzt, um sich hemmungslos zu betrinken und in bequemen Klamotten durch seine von der Uni gestellte Villa zu schlurfen. Das könnte ewig so weitergehen, wenn er nicht jetzt, um weiterhin Professor zu bleiben, einen Kurs machen müsste.

Zähneknirschend erklärt er sich bereit, der Studentin Fia Jönsson (Sofia Ledarp), die einer Freundin helfen möchte, zu helfen. Denn diese glaubt, dass ihr Stiefvater unschuldig als Mörder ihrer Mutter verurteilt wurde. Haglund erklärt die Recherchen zum Unikurs – und entlastet sich so von weiteren Lehrverpflichtungen. Mit zunächst zwei weiteren Studenten, Anna Sjöstedt (Helena af Sandeberg) und Belal Al-Mukhtar (Fransisco Sobrado), beginnen sie mit ihren Recherchen und stoßen auf eine Spezialeinheit der Polizei, die etwas vertuschen möchte. Am Ende der Auftaktepisode „Mauer des Schweigens“ wechselt der Polizist Roger Anderson (Leonard Terfelt) die Seiten und das hübsch ausquotierte „Verdict Revised“-Team (zwei Frauen, zwei Männer, eine Blondine, eine Dunkelhaarige, ein Migrant) ist komplett.

In den folgenden elf Episoden der ersten „Verdict Revised“-Staffel gehen sie zwar immer von der Prämisse aus, dass ihr Mandant (lose gesprochen, denn das Team erhält kein Geld für seine Arbeit und nicht jeder möchte, dass sein Fall wieder aufgerollt wird) unschuldig verurteilt wurde.

So glauben sie nicht, dass ein Migrant einen anderen auf einer belebten U-Bahnstation tötete, eine junge Frau Drogen einschmuggelte, ein Mann Fahrerflucht beging, ein Verbrecher einen Polizisten erschoss, dass Fias Vater einen Mord beging, dass ein Drogenabhängiger in seiner Wohnung jemand ermordet hat, dass eine Frau ihren Mann und dessen Geliebte in ihrem Wochenendhaus verbrannte, dass eine Prostituierte ihren Zuhälter ermordete, dass ein Exil-Iraner einen anderen Mann vor einem Schwulen-Club zusammenschlug, dass eine Mutter ihr Kind umbringen wollte und dass, in der letzten Folge der ersten Staffel „Roger unter Mordverdacht“, ihr Kommilitone Annas Vater ermorden wollte.

Schon allein aufgrund seiner Prämisse ist „Verdict Revised“ staatskritisch und in einzelnen Fällen wächst die latente Kritik am Justizsystem, das Unschuldige verurteilt, zu einer veritablen Systemkritik aus. Denn die Staatsanwälte, Polizisten und manchmal auch Richter manipulieren hemmungslos Beweise und sind nicht immer unbedingt an der Wahrheitsfindung interessiert. Sie behindern dann auch mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln die Arbeit von Haglund und seinen Studenten.

Verdict Revised“ ist eine spannende Krimiserie, die sich vor ähnlichen US-Serien nicht verstecken muss (wozu auch gehört, dass Haglund als Mentor immer weniger Bildschirmzeit eingeräumt wird und die persönlichen Probleme der Studenten immer mehr Zeit einnehmen) mit einer schwachen Auftaktepisode (vor allem die Dialoge sind arg papiernen) und einem Staffelfinale, das den Fehler begeht, eine der Hauptcharaktere unter Mordanklage zu stellen. Denn selbstverständlich hat Roger nicht auf Annas Vater eingestochen und die Lösung ist, im Gegensatz zu den anderen Fällen, so offensichtlich, dass nur Menschen, die noch nie einen Krimi gesehen haben, sie nicht schon nach den ersten fünf Minuten erahnen.

Die zweite und letzte Staffel läuft im Moment montags um 23.25 Uhr auf ZDFneo und die DVD-Box erscheint am 2. Dezember.

Verdict Revised – Unschuldig verurteilt: Staffel 1 (Oskyldigt dömd, Schweden 2008)

Erfinder: Johann Zollitsch

mit Mikael Persbrandt (Markus Haglund), Sofia Ledarp (Fia Jönsson), Helena af Sandeberg (Anna Sjöstedt), Francisco Sobrado (Belal Al-Mukthar), Leonard Terfelt (Roger Andersson), Marie Richardson (Ulrika Stiegler), Anja Lundkvist (Caroline Gustavsson)

DVD

Edel:Motion

Bild: Pal 16:9 (Widescreen)

Ton: Deutsch, Schwedisch (Dolby Digital 2.0 Stereo)

Untertitel: –

Bonusmaterial: –

Länge: 540 Minuten (12 Folgen à 45 Minuten auf 4 DVDs)

FSK: ab 16 Jahre (wobei die meisten Folgen FSK 12 sind)

Die ersten zwölf Fallbesprechungen in Markus Haglunds Universitätskurs „Unschuldig verurteilt“

Mauer des Schweigens (Antagen)

Regie:Molly Hartleb

Drehbuch: Inger Scharis, Johan Zollitsch

Der Fall Serkan (Hotat vittne)

Regie:Molly Hartleb

Drehbuch: Inger Scharis, Jan Arnald, Stefan Jaworski, Karin Gidfors

Schnee im Gepäck (Offrad Vara)

Regie:Molly Hartleb

Drehbuch: Inger Scharis, Jan Arnald, Stefan Jaworski, Kerstin Gezelius

Ich bin schuldig! (Smitaren)

Regie: Molly Hartleb

Drehbuch: Inger Scharis, Jan Arnald, Stefan Jaworski, Dennis Magnusson

Der lange Schatten (Polismordet)

Regie: Richard Holm

Drehbuch: Inger Scharis, Jan Arnald, Stefan Jaworski, Stefan Ahnhem

Lebendig verbrannt? (Skyddad Identitet)

Regie:Richard Holm

Drehbuch: Inger Scharis, Jan Arnald, Stefan Jaworski, Stefahn Ahnhem

Der Mann auf der Treppe (Oklart Motiv)

Regie:Richard Holm

Drehbuch: Inger Scharis, Johann Zollitsch, Dennis Magnusson

Zwei Leichen, zwei Zähne (Mordbrand)

Regie: Richard Holm

Drehbuch: Inger Scharis, Johann Zollitsch, Karin Gidfors

Zuhälterkrieg (Hallicken)

Regie: Molly Hartleb

Drehbuch: Inger Scharis, Jan Arnald, Stefan Jaworski, Dennis Magnusson

Schwulenjagd (Club Zafir)

Regie:Molly Hartleb

Drehbuch: Inger Scharis, Jan Arnald, Stefan Jaworski, Dennis Magnusson

Kinder lügen nicht? (Flickan pa Bron)

Regie: Molly Hartleb

Drehbuch: Inger Scharis, Jan Arnald, Stefan Jaworski, Hans Rosenfeldt

Roger unter Mordverdacht (Anklagad)

Regie: Molly Hartleb

Drehbuch: Inger Scharis, Johann Zollitsch, Karin Gidfors

Hinweise

Wikipedia über „Verdict Revised – Unschuldig verurteilt“ (deutsch, englisch, schwedisch)

ZDFneo über „Verdict Revised – Unschuldig verurteilt“

FAZ: Hannes Hintermeier über „Verdict Revised – Unschuldig verurteilt“ (18. Juli 2011)

Evolver: Marcel Feige über „Verdict Revised – Unschuldig verurteilt“ (30. Oktober 2011)

 

 

2 Responses to DVD-Kritik: Die erfrischend unschwedische Krimiserie „Verdict Revised – Unschuldig verurteilt“

  1. […] hat sich der Kurs von Universitätsprofessor Markus Haglund wohl soweit etabliert, dass er eine Mischung aus Forschungsprojekt und Pro-Bono-Anwaltskanzlei […]

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