Neu im Kino/Filmkritik: Ein gruseliger Ausflug ohne Rückfahrt: „Chernobyl Diaries“

Wenn einige junge Amerikaner eine Rucksacktour durch Europa machen, besuchen sie die üblichen Touristenattraktionen.

Wenn die jungen Amerikaner nach Osteuropa gehen, weichen sie immer noch nicht von ihrem geplanten Touristenprogramm ab.

Aber selbstverständlich lassen sie sich einen Ausflug nach Tschernobyl nicht entgehen. Genaugenommen Pripyat, das einen Steinwurf weit weg von den zerstörten Reaktoren ist. Und zu Hause können sie dann mit einem besonderen „Mein Besuch in der Todeszone“-Erlebnis protzen.

Wenn diese Rucksacktouristen die Protagonisten eines Films sind, dann ist dieser Ausflug keine lauschige Landpartei mit, wenn der Geigerzähler etwas ausschlägt, mildem Gänsehautfaktor.

Nein. Dann ist Tschernobyl keine vor einem viertel Jahrhundert verlassene, menschenleere Gegend, sondern irgendwelche mutierten Tiere und andere Wesen sind immer noch da und die Überlebensaussichten der Touristen tendieren gegen Null.

Das haben wir schon oft gesehen und „Chernobyl Diaries“ hält sich auch brav an die Genrekonventionen. Aber trotzdem ist der von Regiedebütant Brad Parker, nach einer Geschichte von Oren Peli (der auch diesen Film und „Paranormal Activity“ produzierte), Carey van Dyke und Shane van Dyke, inszenierte Film einen Blick wert. Denn sie erzählen die Geschichte fast schon altmodisch gemütlich. Sie lassen sich, bis zum ersten Angriff, viel Zeit. Vieles bleibt im Dunklen – und damit der Fantasie des Zuschauers überlassen, der im Zweifelsfall viel schlimmere Bilder imaginiert, als die Macher zeigen können. Sowieso konzentriert Parker sich mehr auf das Schaffen von Suspensemomenten als auf Schocks und Blut. Die Schauspieler und die improvisierten Dialoge sind okay. Oscar-verdächtige Leistungen erwartet in so einem Film sowieso niemand.

Das größte Plus des in Belgrad und der Umgebung von Budapest gedrehten Film (immerhin ist bei diesem Film verständlich, warum nicht vor Ort gedreht wurde) sind die Locations: die herbstliche Landschaft (gedreht wurde im November) und die verlassene Trabantenstadt, die von den Jugendlichen erkundet wird. Diese Bilder einer von Menschen verlassenen und jetzt verfallenden Stadt beklemmen – und sind der Grund, den 08/15-Horrorfilm anzusehen.

Ach ja, und wer Pripyat besuchen will, kann das ganz legal tun. Denn es gibt inzwischen Touren in das verseuchte Gebiet.

Chernobyl Diaries (Chernobyl Diaries, USA 2012)

Regie: Brad Parker

Drehbuch: Oren Peli, Carey van Dyke, Shane van Dyke (nach einer Geschichte von Oren Peli)

mit Devin Kelley, Jonathan Sadowski, Ingrid Bolsø Berdal, Olivia Taylor Dudley, Jesse McCartney, Nathan Phillips, Dimitri Diatchenko

Länge: 85 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Film-Zeit über „Chernobyl Diaries“

Rotten Tomatoes über „Chernobyl Diaries“

Wikipedia über „Chernobyl Diaries“ (deutsch, englisch)

Bonusmaterial

einige Filmbilder

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..