DVD-Kritik: Der vergessene 70er-Jahre-Polizeithriller „Die Seven-Ups“

Seit Jahren stand „Die Seven-Ups“, der einzige Film von „Bullitt“- und „The French Connection“-Produzent Philip D’Antoni, mit Roy Scheider in der Hauptrolle, auf meiner Wunschliste. Aber im Fernsehen lief der Film nie und auch auf DVD machte er sich rar.

Sollte also, abgesehen von der legendären zehnminütigen Autoverfolgungsjagd, der Film einfach schlecht sein?

Nun, sagen wir es mal so: ein vergessenes Meisterwerk ist „Die Seven-Ups“ nicht. Dafür liefert der Film dann doch zu sehr die heute sattsam bekannten Polizeifilmklischees ab. Dabei hätte der Film, mit einem besseren Drehbuch, durchaus ein Klassiker werden können.

Denn die Geschichte, die heute wahrscheinlich in einer TV-Folge erzählt würde, ist nicht uninteressant. Buddy Manucci (Roy Scheider) ist der Chef der Spezialeinheit „Seven-Ups“, die, im Gegensatz zu normalen Polizisten, bei ihrer Arbeit große Freiheiten genießen. Immerhin erwarten die von den „Seven-Ups“ gejagten Verbrecher mindestens sieben Jahre Gefängnis. Wohin diese Freiheiten, die damals auch in der Realität einige Polizeieinheiten hatten, führten, kann man in „Prince of the City“ (das Sachbuch und die Verfilmung erzählen, was nach „The French Connection“ geschah) sehen.

Viele Tipps erhält Buddy von dem seinem Jugendfreund, dem Gangster Victo Lucia (Tony Lo Bianco), der in der Mafia-Hierarchie schon ziemlich mächtig ist. Lucia hat jetzt auch eine Methode gefunden, nebenher viel Geld zu machen: er lässt Gangsterbosse von falschen Polizisten entführen und lässt sie gegen ein erkleckliches Lösegeld wieder frei.

Die Gangster glauben, dass die falschen Polizisten echte Polizisten sind und auch in der Polizei werden die „Seven-Ups“ für die Drahtzieher gehalten. Als die Verbrecher einen von Buddys Kollegen deswegen umbringen, jagen die restlichen „Seven-Ups“ gnadenlos die Gangster.

Allerdings vertieft D’Antoni den zwischen Buddy und Lucia liegenden Konflikt zwischen Loyalität und Freundschaft nicht weiter. Er fragt auch nicht nach der Legitimität der Methoden. Effizienz genügt Buddys Vorgesetzten.

Damit gehört „Die Seven-Ups“ zu den damals erfolgreichen Thrillern, die nach der Legitimität des staatlichen Gewaltmonopols fragten und Großstädte als Dschungel begriffen, in dem die letzten Stellungskämpfe gegen ein überbordendes Verbrechen geführt wurden. Georg Seeßlen spricht in „Copland“ von „Polizisten im kontrollierten Bürgerkrieg“. Die „Dirty Harry“-Filme mit Clint Eastwood und „Ein Mann sieht rot“ mit Charles Bronson (der als Liberaler, während die Polizei wegsieht, zur Waffe greift) sind die auch heute noch bekannten Genrevertreter.

Auch stilistisch ist „Die Seven-Ups“ ein Kind der siebziger Jahre. Die vielen Außenaufnahmen von New York, Lagerhallen und Industriebrachen, die langen Einstellungen, die Ruhe, mit der die Kamera den Charakteren folgt, die wenigen Dialoge und die nur sparsam eingesetzte Musik von Jazzer und „The French Connection“-Komponist Don Ellis. Sogar, oder gerade, bei der zehnminütigen Autoverfolgungsjagd gibt es keine Musik, sondern nur die Fahrgeräusche der Autos und schreiend weglaufende Kinder. Diese Szene ist zwar nicht so spektakulär wie in „French Connection“ , aber immer noch mitreisend.

Und, auch das spricht für den Film, wir erfahren außerhalb ihrer Arbeit nichts von den Charakteren. Es gibt keine langen, gefühligen Familienszenen, keine privaten Subplots und auch keine Liebesgeschichte. „Die Seven-Ups“ ist ein reiner Männerfilm.

Roy Scheider, damals ein aufstrebender Star nach seinem „The French Connection“- und vor seinem „Der weiße Hai“-Ruhm, spielt Buddy Manucci, den Chef der Seven-Ups, als einen kühlen, äußerlich immer beherrschten Chef. Er würde niemals, wie Popeye Doyle in „The French Connection“, ausrasten. Stattdessen erinnert Buddy Manucci an Buddy Russo, Doyles, ebenfalls von Scheider gespielten, Partner in „The French Connection“ und dieser basiert auf dem echten Sonny Grosso, der in beide Filme involviert war.

Auch die anderen Schauspieler gefallen sich im Unterspielen – und verkörpern damit den Geist der Professionalität. Sie sind, egal ob Gangster oder Polizisten – und auf den ersten Blick ist auch nicht zu erkennen, auf welcher Seite die unauffällig gekleideten Männer stehen -, Profis, die ihr Handwerk beherrschen und ihre Moralkodex folgen. Probleme gibt es letztendlich nur durch die im falschen Moment unbesonnen reagierenden Entführer. Dass sie Probleme verursachen werden, verrät schon ihre, nach dem Standard des Films, viel zu auffällige Kleidung.

Die Seven-Ups“ ist für Fans von Siebziger-Jahre-Filmen und düsteren Copthrillern ein Pflichttermin.

Denn, wenn ich es recht überlege, spricht gegen den Film nur das Drehbuch, das halt nur okay ist. Immerhin gab es seit „Die Seven-Ups“ unter anderem „Leben und Sterben in L. A.“ (noch düsterer und mit einer wiederum Maßstäbe setzenden Autoverfolgungsjagd), die TV-Serie „The Shield“ (die Macher haben definitiv „The Seven-Ups“ gesehen), „Training Day“, „Dark Blue“ und „Street Kings“ (eine quasi Los-Angeles-Polizeitrilogie von David Ayer, mit heftigem James-Ellroy-Einfluss) . Wobei diese Polizeigeschichten, bis auf „Leben und Sterben in L. A.“, keine Autoverfolgungsjagd haben.

Die Seven-Ups (The Seven-Ups, USA 1973)

Regie: Philip D’Antoni

Drehbuch: Albert Ruben, Alexander Jacobs (nach einer Geschichte von Sonny Grosso)

mit Roy Scheider, Victor Arnold, Jerry Leon, Ken Kercheval, Tony Lo Bianco, Larry Haines, Richard Lynch

DVD

Koch Media

Bild: 1,85:1 (16:9)

Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 2.0)

Untertitel: Englisch

Bonusmaterial: Making of, Deutscher und Englischer Kinotrailer, Bildergalerie, Wendecover

Länge: 99 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Die Seven-Ups“

Wikipedia über „Die Seven-Ups“

Screaming Blue Reviews über „Die Seven-Ups“

Bonushinweis

Wer die Strecke der Autoverfolgungsjagd, natürlich unter strikter Beachtung der Geschwindigkeitsbegrenzungen, nachfahren will, sollte sich dieses Video ansehen

Für „Bullitt“ gibt es eine ähnliche Analyse, die ich im Moment nicht finde.

 

 

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