Listen und auch Bücher, wie das jetzt erschienene „Die 199 besten Actionfilme & -Serien“ von Wolf Jahnke und Michael Scholten, laden natürlich zum wilden Kritisieren ein. Denn die Auswahl ist immer angreifbar; vor allem wenn der oder die Listenersteller die Liste in eigener Selbstherrlichkeit erstellen, ist die Liste letztendlich nur eine mehr oder weniger umfangreiche Liste von eigenen Lieblingen. Wenn eine solche Liste von Mehreren erstellt wird oder sogar aus bestehenden Listen herausdestilliert wird, wird die Liste objektiver, aber auch langweiliger. Ich meine, wer war bei „Die 50 besten Horrorfilme“, die aus über fünfzig Bestenlisten des letzten Jahrzehnts entstand, wirklich über die Erstplatzierten „Die Nacht der lebenden Toten“, „Der Exorzist“, „Halloween“, „Blutgericht in Texas“ und „Zombie“ erstaunt?
Ein solches Ranking machen Wolf Jahnke und Michael Scholten nicht. Sie listen alphabetisch die 199 Actionfilme und Actionserien auf, die sie für die Besten halten und ergänzten diese Filmvorstellungen um einige Interviews, Zitate aus Actionfilmen, eine Liste der schlechtesten Actionfilme und mehrere Zusammenstellungen von besonders gelungenen Actionszenen, auch aus Nicht-Actionfilmen, wie „Apcalypse Now“ (der Hubschrauberangriff auf das vietnamesische Dorf), „Ben Hur“ (das Wagenrennen) und „Lawrence von Arabien“ (der Sturm auf die Hafenstadt).
In normalerweise einseitigen Texten bemühen sich die beiden Autoren die Filme möglichst objektiv, teils schon lexikalisch trocken, vorzustellen und auch die ein oder andere, teils unbekanntere Hintergrundinformation zu vermitteln.
Das ist okay, aber ich stellte mir öfter, die Frage, warum ein bestimmter Film aufgenommen wurde. So wird bei „The Dark Knight“ viel über Comicverfilmungen, die verschiedenen „Batmans“, aber nichts über die in dem Film enthaltenen Actionszenen gesagt. Auch die von den Autoren verwendete weite Definition von Actionfilm hilft nicht wirklich weiter:
„Züge, Flugzeuge oder Autos, aber auch Motorboote kommen im modernen Actionfilm vor als Zeichen des Fortschritts, als Fluchtmittel, als Tatwaffe, als mobile Festung. Deshalb findet ‚Gladiator‘ keinen Platz im Buch, auch nicht ‚Der letzte Mohikaner‘, (…) Es geht um hochmoderne Zeiten in einer Ära der Industrialisierung, Mechanisierung und des technischen Fortschritts mit Automobilen; (…) Überhaupt geht es um echte Menschen, die leiden, schwitzen und bluten.“
Das ist eine weite Definition, die es erlaubt, Actiontrash, Actionklassiker und auch, nun, ich sage mal gute Filme aus verschiedenen Genres aufzunehmen. So findet man „Snatch – Schweine und Diamanten“ (Komödie) neben „Der Söldner“ (Actiontrash) oder „Mörderischer Vorsprung“ (guter Actionthriller) neben „Naked Killer“ (Hongkong-Action). Einen Schwerpunkt bilden dabei, immerhin sind die beiden Autoren Kinder der achtziger Jahre, die 80er-Jahre-Actionkracher, wie „Avenging Force – Night Hunter“ (mit Michael Dudikoff), “Bloodsport“ (mit Jean-Claude Van Damme), „Delta Force“, „Invasion U. S. A.“ (beide mit Chuck Norris), „Phantom-Kommando“, „Red Heat“ (beide mit Arnold Schwarzenegger) und „Rambo“ (mit Sylvester Stallone). James Bond wird mit sieben Einträgen reichlich und verdient bedacht. Aber auch „Drive“ und „Pulp Fiction“, ein „Anti-Anti-Actionfilm“ (Jahnke/Scholten), sind drin, die ich, wie „Dirty Harry“ (ebenfalls drin), nicht unbedingt als Actionfilme bezeichnen würde. Aber natürlich gewinnt jede Liste mit diesen Filmen.
Eher schon problematisch ist die die Auswahl bei den deutschen Actionfilmen und -Serien. Denn trotz anders lautender Gerüchte gibt es auch Action aus Deutschland und „Alarm für Cobra 11“, „Der Clown“ (beide aus der Actionschmiede von Hermann Joha), „Cascadeur – Die Jagd nach dem Bernsteinzimmer“ (von Stuntman Hardy Martins), „Rampage – Rache ist unbarmherzig“ (von Uwe Boll) und „Straight Shooter“ (von Thomas Bohn) zeigen, dass wir auch Action machen können. Dummerweise sind die Geschichten und die Dialoge eher gruselig und – Lokalpatriotismus hin, Lokalpatriotismus her – im Vergleich zu den besten Actionfilmen aus Hollywood und Hongkong, wie den John-Woo-Filmen „Bullet in the Head“, „Hard Boiled“ und „The Killer“, sind sie nichts, was man sich ansehen müsste. Da wird „Der 7. Sinn“, der wohl eher als Gag aufgenommen wurde, schon zu einem Highlight und die beiden, ebenfalls erwähnten, Dominik-Graf-Filme „Die Katze“ und „Die Sieger“ sind deutsche Actionfilme, die sich wirklich nicht verstecken müssen.
Warum „Invasion U. S. A.“ (Chuck Norris verhindert im Alleingang eine Invasion der Russen in die USA) und „Delta Force“ (Chuck Norris jagt Flugzeugentführer und befriedet dabei den Nahen Osten) zu den besten Actionfilmen, aber „Die City Cobra“ (Sylvester Stallone ballert im Alleingang alle Gangster die ihm über den Weg laufen und eine durchgeknallte Sekte ab) zu den schlechtesten Actionfilmen gehört, verstehe ich nicht. Denn ideologisch bedenklich (höflich gesagt) sind alle drei. Strunzdumm sowieso und Action gibt es in den Filmen überreichlich; in der „City Cobra“ sogar etliche gute Actionszenen. Zum Beispiel wenn Stallone während einer Auto-/Motorradverfolgungsjagd eine Hundertschaft Bösewichter abknallt und diese dann möglichst spektakulär von ihren Maschinen fallen.
Bei den Filmvorstellungen hätte ich mir gewünscht, dass die Drehbuchautoren immer erwähnt würden. Jahnke und Scholten tun es nur, wenn der Regisseur auch das Drehbuch geschrieben hat. Dagegen werden der Kameramann und der Komponist erwähnt. Ein Register fehlt; was natürlich dumm ist, wenn man nur den Originaltitel kennt. Und das Lektorat schlief wohl teilweise. Anders kann ich mir nicht erklären, dass bei „Assault – Anschlag bei Nacht“ John Carpenter mit James Cameron verwechselt wird, oder dass bei „Auf die harte Tour“ ausgerechnet „The Shield“ als Referenzwerk von Regisseur John Badham angegeben wird. Badham führte zwar bei einer Folge der TV-Serie Regie, aber seine bekanntesten Filme sind „Saturday Night Fever“, „Das fliegende Auge“ (einer der 199 Action-Filme des Buches), „War Games“, „Ein Vogel auf dem Drahtseil“ (Bird on a wire), „Drop Zone“ (beides keine grandiosen Filme, aber mit viel spektakulärer Action) und „Codename: Nina“ (erwähnt bei „Nikita“).
Und natürlich fehlen einige Filme, wie „Shoot ‚Em up“, und eine Auflistung der besten Autoverfolgungsjagden. Immerhin waren sie nach „Bullitt“ das Kennzeichen jedes Action-Thrillers und auch die Bourne-Filme kämen ohne eine ordentliche Autoverfolgungsjagd nicht aus.
Trotz dieser Kritik ist die Auswahl der „199 besten Actionfilme & -Serien“ insgesamt durchaus gelungen und sie regt zum Entdecken und Wiederentdecken von einigen Actionfilmen ein.
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Wolf Jahnke/Michael Scholten: Die 199 besten Actionfilme & -Serien
19,90 Euro
