Patrick Gensing schreibt über den „Terror von Rechts“

Gensing - Terror von Rechts

Wenn ein Sachbuchautor im Moment ein Buch über den NSU schreibt, muss er sich schon vor der ersten Zeile überlegen, wie er damit zurechtkommt, dass es fast täglich neue Erkenntnisse gibt, die vor allem die Ermittlungsbehörden in einem sehr schlechten Licht da stehen lassen. Denn der NSU ist für die deutschen Sicherheitsbehörden das, was 9/11 für die US-Sicherheitsbehörden war: der Super-Gau. Sie haben über Jahre nichts von dem sich quer durch Deutschland mordendem Trio, das dabei Unterstützer gehabt haben muss, gewusst. Sie haben immer wieder betont, dass es keinen Rechtsterrorismus, keine rechte RAF, gebe.

In seinem Buch „Terror von Rechts – Die Nazi-Morde und das Versagen der Politik“ versucht Patrick Gensing diese Klippe zu umschiffen, indem er in der ersten Hälfte des Buches das Milieu, aus dem die NSU-Terroristen gekommen sind, beschreibt. Dabei zeigt er, dass es in den vergangenen Jahren schon immer einen Terror von Rechts gab, der von den Sicherheitsbehörde, vor allem dem Verfassungsschutz als selbsternanntes Frühwarnsystem, weitgehend übersehen wurde. So gab es 1980 einen Anschlag auf das Münchner Oktoberfest bei dem 13 Menschen starben und 211 Menschen verletzt wurden. Die Hintergründe des Attentates sind immer noch ungeklärt. Die Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG) wurde damals als Wanderverein verniedlicht. Seit 1990 gab es bei über 180 Morden einen rechtsextremen Hintergrund. Die Bundesregierung ging dagegen vor vier Jahren nur bei vierzig Morden von einem rechtsextremen Hintergrund aus und veränderte auf Druck der Öffentlichkeit seitdem die statistische Erfassung.

In der zweiten Hälfte seines Buches beschreibt Gensing das Versagen der Politik in den vergangenen Jahren. Vor allem in den Parlamenten und mit einem genauen Blick auf die Besonderheiten in der ehemaligen DDR, vor allem in Sachsen, wo die NPD im Landtag sitzt. Denn anstatt den Rechtsextremismus zu bekämpfen, forderte die aktuelle Bundesregierung von Gruppen, die sich gegen Rechts engagieren, das Unterzeichnen einer Extremismusklausel verlangt. Und durch die ständige Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus wird, vor allem von konservativen Politikern, eine gleich gefährlich Bedrohung der Demokratie suggeriert.

Das ist alles kundig geschrieben. Immerhin beschäftigt Gensing sich schon länger mit dem Rechtsextremismus und ist einer der Köpfe von „Publikative“, einer Internetseite zum Rechtsextremismus.

Aber es ist auch immer etwas verquast. Da wo ich mir eine Zuspitzung gewünscht hätte, liefert er ein Zitat – und der Gang der Argumentation erschließt sich mehr aus den Kapitelüberschriften und weniger aus dem Text. Es wird oft zu ausführlich aus anderen Texten zitiert und, immerhin arbeitet Gensing als Journalist für tagesschau.de und das Polit-Magazin „Panorama“, die aktuelle Vor-Ort-Recherche fehlt. So liest sich „Terror von Rechts“ über weite Strecken wie ein „Kommentar“ und, weil Gensing das gesellschaftliche Klima, inclusive dem Extremismus der Mitte, das zum Entstehen des NSU führte, beschreiben will, zeichnet er ein großes, historisch gesättigtes, grenzüberschreitendes Bild, das aber auch immer wieder zerfasert und das die Verbindungen zwischen dem gesellschaftlichem Klima, Rechtsextremisten und dem NSU-Trio nur noch rudimentär nachzeichnet.

So hatte ich am Ende das Gefühl, nichts wirklich neues über den NSU und das Versagen der Sicherheitsdienste erfahren zu haben. Stattdessen wurde nur mein Wissen über den Rechtsextremismus aufgefrischt.

Patrick Gensing: Terror von Rechts – Die Nazi-Morde und das Versagen der Politik

Rotbuch, 2012

240 Seiten

14,95 Euro

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