Parker war Lee Marvin, Anna Karina, Michel Constantine, Jim Brown, Robert Duvall, Peter Coyote und, zuletzt, Mel Gibson, aber er hieß, obwohl die Filme auf den grandiosen Hardboiled-Gangsterthrillern von Richard Stark basierten, niemals Parker. Richard Stark (also eigentlich Donald E. Westlake) meinte, dass Parker erst dann in einem Film Parker heißen dürfe, wenn die Produzenten mehrere Parker-Filme machen wollten.
Keine Ahnung ob Dortmunder-Erfinder Donald E. Westlake das wirklich so meinte oder er nur witzelte. Jedenfalls darf in einem Film Parker jetzt zum ersten Mal Parker heißen und die Macher freuten sich so sehr darüber, dass sie den Film gleich „Parker“ nannten. Naja, warum auch nicht.
Und mit Jason Statham als Parker wurde eine gute Wahl getroffen. Denn er kann einen so rücksichtslosen Charakter glaubhaft verkörpern.
Dafür wurden dann einige, hm, Details an der Vorlage, dem Roman „Irgendwann gibt jeder auf“ (Flashfire) geändert. Aber die große Story bleibt erhalten: nach einem Diebeszug wird Parker von Melanders Gang um seinen Anteil betrogen. Melander und sein Team benötigen das Geld als Startkapital für einen größeren Coup in Palm Beach. Parker lässt diesen Betrug nicht auf sich sitzen. Er macht sich auf den Weg nach Palm Beach.
Außerdem nahmen die früheren Parker-Verfilmungen sich auch, mit unterschiedlichen Ergebnissen, Freiheiten bei der Geschichte.
Insofern ist „Parker“ eine mit Action aufgepumpte Variante der Vorlage, bei der es sogar einen Fenstersturz aus einem Hotelzimmer gibt (Erinnert ihr euch an „Sie nannten ihn Stick“?). Parker ist, was vor allem am Ende des Films auffällt, etwas weicher als in den Büchern gezeichnet. Und, das wird langjährige Parker-Fans am meisten nerven: Parker betont und rezitiert immer wieder seine Regeln. Das hatte der Buch-Parker nicht nötig. Er tat einfach, was getan werden musste.
Im Film sind Parkers Betonungen seiner Regeln und dass Regeln ein Abgleiten in das Chaos verhindern ein Gegenentwurf zum derzeitigen US-Kapitalismus, den Zockereien von Bankern die zu einer Wirtschaftskrise führten, und, wenn wir den Blick etwas weiten, dem „War on Terror“. Auch dass die US-Flagge öfter im Bild ist und der Film auf der Ohio State Fair, dem größten Jahrmarkt der USA, beginnt, tragen zu dieser kritischen Lesart bei, in der traditionelle amerikanische Werte konträr zur aktuellen Realität positioniert werden. Taylor Hackford, der ja in den Achtzigern mit Filmen wie „Ein Offizier und Gentleman“, „Gegen jede Chance“ und „White Nights“, immer inszeniert in einer gelackten Werbeästhetik, bekannt wurde, drehte seinen neuesten Film vor Ort und er zeigt durchgehend ein ungeschöntes Bild der USA und ihrer Verwerfungen.
Eine solche Allegorie im Gewand des Gangsterfilms wollte vor kurzem auch Andrew Dominik in seiner gründlich missglückten George-V.-Higgins-Verfilmung „Killing them Softly“ zeichnen. Weil Dominik während des gesamten Films einem seine Botschaft aber so penetrant und entsprechend einfältig um die Ohren schlug, langweilt sein Gangsterthriller schnell.
Hackford geht, unterstützt von einem klugen Drehbuch von „Black Swan„- und „Hitchcock“-Autor John McLaughlin, bei seiner Systemkritik viel subtiler vor und bei ihnen treiben die Dialoge die Handlung voran. Denn der gnadenlos effektive, auf sein Ziel fokussierte Profi Parker ist kein Mensch für Small-Talk.
Abgesehen von diesem politischen Hintergrund ist „Parker“ ein angenehm altmodischer, schnörkelloser, hochkarätig besetzter Gangsterthriller mit einer ordentlichen Portion bodenständiger Action. Im Zentrum stehen allerdings die Charaktere, wie sie versuchen, sich gegenseitig übers Ohr zu hauen und die Atmosphäre des amerikanischen Hinterlandes und von Palm Beach.
Taylor Hackfords „Parker“ gehört defintiv zu den gelungenen Parker-Verfilmungen. Er muss sich wahrlich nicht vor „Point Blank“ (mit Lee Marvin) und „Revolte in der Unterwelt“ (The Outfit, mit Robert Duvall) verstecken.
Parker (Parker, USA 2013)
Regie: Taylor Hackford
Drehbuch: John J. McLaughlin
LV: Richard Stark: Flashfire, 2000 (Irgendwann gibt jeder auf)
mit Jason Statham, Jennifer Lopez, Michael Chiklis, Wendell Pierce, Clifton Collins Jr., Bobby Cannavale, Emma Booth, Nick Nolte, Patti LuPone
Länge: 118 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
–
Die Vorlage
Richard Stark: Irgendwann gibt jeder auf
(übersetzt von Rudolf Hermstein)
dtv, 2013
272 Seiten
9,95 Euro
–
Deutsche Erstausgabe
Paul Zsolnay Verlag, 2010
–
Originalausgabe
Flashfire
Mysterious Press, 2000
–
Hinweise
Amerikanische Homepage zum Film
Meine Besprechung des Jason-Statham-Films „The Mechanic“ (The Mechanic, USA 2011)
Meine Besprechung des Jason-Statham-Films „Safe“ (Safe, USA 2012) (Kino, DVD)
Meine Besprechung des Jason-Statham-Films „The Expendables 2″ (The Expendables 2, USA 2012)
Homepage von Donald E. Westlake
Kriminalakte: Nachruf auf Donald E. Westlake
Kriminalakte: Covergalerie Donald E. Westlake
Meine Besprechung von Donald E. Westlakes Dortmunder-Roman „Get Real“
Meine Besprechung von Donald E. Westlakes Dortmunder-Roman „What’s so funny?“
Meine Besprechung von Donald E. Westlakes Dortmunder-Roman „Watch your back!“
Meine Besprechung von Donald E. Westlakes „Mafiatod“ (361, 1962)
Meine Besprechung von Richard Starks Parker-Romans „Ask the Parrot“
Meine Besprechung von Richard Starks Parker-Roman „Irgendwann gibt jeder auf“ (Flashfire, 2000)
Meine Besprechung des Films “The Stepfather”, nach einem Drehbuch von Donald E. Westlake
Meine Besprechung von Lax/Donald Westlakes „Hot Rock“ (Pierre qui roule, 2008, Comic)
Richard Stark in der Kriminalakte
Thrilling Detective über Parker
The Violent World of Parker (1-A-Fanseite!)
–
Und noch ein Interview mit Taylor Hackford

