„The Wire“ ist eine Polizeiserie, die gleichzeitig ein Bild von Baltimore und den dortigen sozialen und politischen Konflikten liefert. Es ist auch die Polizeiserie, die damit die amerikanische Wirklichkeit ungeschönt reflektiert und so zum Liebling der Kritiker wurde. Im US-TV lief die HBO-Serie von 2002 bis 2008. In Deutschland verzichtete man auf eine Free-TV-Ausstrahlung und veröffentlichte die fünf Staffeln zwischen November 2010 und November 2012 gleich auf DVD.
Fast parallel dazu wurde die Serie und ihr Erfinder, der Journalist David Simon, in Zeitungen und Zeitschriften breit abgefeiert und es erschienen wissenschaftliche Aufsätze. Mal kürzer (beispielsweise Kathi Gormászss „»All in the game yo, all in the game« – Die Polizeiserie „The Wire“ als Anti-Cop-Show und TV-Roman“ in dem Sammelband „Die Lust am Genre“), mal länger.
Zu den Längeren gehört Jens Schröters kurze Studie „Verdrahtet – ‚The Wire‘ und der Kampf um die Medien“. Im wesentlichen analysiert der Professor für Theorie und Praxis multimedialer Systeme an der Universität Siegen den Vorspann in einer Bildanalyse und erzählt die Staffeln 1, 3 und 5 aus der Sicht des Kampfes um die Telefone nach. Die Polizisten versuchen die Kommunikationswege der Verbrecher abzuhören und deren Geheimcodes zu knacken, während die Verbrecher genau das verhindern wollen.
Denn, so Schröter: „Figuren und ihre Psychologie sind nicht zentral in ‚The Wire‘. Entscheidend ist nur, wie die Serie den Kampf um die Medien zwischen Polizei und Dealern und das Telefon in immer neuen Anläufen darstellt.“
Das liest sich dann doch wie eine akademisch getünchte Nacherzählung aus einem bestimmten Blickwinkel.
Inzwischen sind auch die beiden als True-Crime-Klassiker anerkannten Bücher „Homicide – Ein Jahr auf mörderischen Straßen“ und „The Corner – Bericht aus dem dunklen Herzen der amerikanischen Stadt“ von David Simon auf deutsch erschienen. Beide Bücher sind inzwischen auch schon historische Bücher. Denn als David Simon für „Homicide“ 1988 ein Jahr in Baltimore Polizisten der Mordkommission begleitete, gab es auf den Polizeistationen noch keine Computer, DNA war ein Fremdwort, der CSI-Effekt noch nicht bekannt und alltagstaugliche Handys gab es höchstens in Science-Fiction-Filmen. Für „Homicide“ erhielt David Simon den Edgar Award als bestes Sachbuch und es war die Vorlage für die Polizeiserie „Homicide“.
1993 beobachtete David Simon mit seinem Kollegen Ed Burns, der zwanzig Jahre Detective bei der Mordkommission war, in „The Corner“ die andere Seite des Verbrechens: die Drogenhändler und wie sie an einer Straßenecke ihre Geschäfte tätigen. Dabei zeigt er den Drogenhandel als letzten funktionierenden ökonomischen Kreislauf und Halt für die daran beteiligten Menschen, die durch die sozialen Raster gefallen sind.
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Jens Schröter: Verdrahtet – „The Wire“ und der Kampf um die Medien (Kultur & Kritik 6)
Bertz + Fischer, 2012
112 Seiten
9,90 Euro
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David Simon: Homicide – Ein Jahr auf mörderischen Straßen
(übersetzt von Gabriele Gockel, Barbara Steckhan und Thomas Wollermann)
Verlag Antje Kunstmann, 2011
832 Seiten
24,90 Euro
11,99 Euro (Taschenbuchausgabe, Heyne Verlag)
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Originalausgabe
Homicide – A year on the killing streets
Houghton Mifflin Company, Boston 1991/2006
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David Simon/Ed Burns: The Corner – Bericht aus dem dunklen Herzen der amerikanischen Stadt
(übersetzt von Gabriele Gockel, Barbara Steckhan und Thomas Wollermann, Kollektiv Druck-Reif)
Verlag Antje Kunstmann, 2012
800 Seiten
24,95 Euro
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Originalausgabe
The Corner – A year in the life of an inner-city neighbourhood
Broadway Books 1997
Hinweise
Wikipedia über David Simon (deutsch, englisch) und „The Wire“ (deutsch, englisch)


