Jetzt also Bayern. Hans Herbert von Arnim, der in den vergangenen Jahren mit Bestsellern wie „Staat ohne Diener“, „Fetter Bauch regiert nicht gern“ und „Diener vieler Herren“, in denen er den Parteien im Bund und in verschiedenen Bundesländern akkurat ihre Selbstbedienungsmentalität nachwies, hat sich jetzt Bayern vorgenommen und man fragt sich schon, warum er das erst jetzt tat. Immerhin dürfte das seit Ewigkeiten von der CSU, manchmal sogar mit einer anderen Partei, regierte Bundesland, in dem die Partei sich krakenähnlich überall ausbreitete und in unregelmäßigen Abständen „Amigo“-Affären ein Schlaglicht auf die Verbindungen zwischen Politik und Wirtschaft werfen, doch eine Fundgrube für von Arnim sein.
Aber: „Auf das Selbstbedienungsproblem in Bayern bin ich eigentlich eher zufällig gestoßen. In der Begründung meiner Klage gegen die Fünfprozentklausel bei der Europawahl, die 2011 zu deren Aufhebung führte, hatte ich aufgezeigt, wovon kleinere Parteien, die an der Sperrklausel scheitern, alles ausgeschlossen sind. Dabei war ich auf das gewaltige Volumen der indirekten Staatsfinanzierung gestoßen, die etablierte Parteien sich durch Umleitung der Geldströme auf ihre Fraktionen und Abgeordnetenmitarbeiter beschafft haben“, schreibt von Arnim in „Die Selbstbediener – Wie bayerische Politiker sich den Staat zur Beute machen“ und das führt er auf den folgenden knapp zweihundert, großzügig gelayouteten Seiten aus. Denn sein neuestes Buch ist kaum länger als ein längerer wissenschaftlicher Aufsatz und dürfte vor allem in Bayern auf Interesse stoßen. Dabei ist die Recherche, wie man es von von Arnim kennt, gewohnt gut; die teils zwischen den Zeilen erhobenen Forderungen an den Politikbetrieb und die Vorstellungen von den Aufgaben, der Arbeit und den Kompetenzen eines Politikers mindestens diskussionswürdig.
So kritisiert er, dass die bayerischen Landtagsabgeordneten eine hohe Diät bekommen, obwohl in der Bayerischen Verfassung von 1947 das Abgeordnetenmandat als Ehrenamt konzipiert sei, für das nur der mandatsbedingte Aufwand zu entschädigen sei. Seit dem 1. Juli 2012 erhalten bayerische Abgeordnete, als bundesdeutsche Spitzenreiter, eine monatliche Entschädigung von 7060 Euro und, für ihre Arbeit, eine monatliche Kostenpauschale 3214 Euro.
Wenn jetzt diese Kosten radikal reduziert würden, vielleicht sogar vollständig entfielen, was, auch weil die Landtage immer weniger Aufgaben haben, ein auf den ersten Blick überlegenswerter, von von Arnim forcierter Gedanke ist, muss man mit mindestens drei großen Problemen kämpfen: einerseits gibt es immer noch Landesaufgaben (vor allem in den Bereichen Bildung, Inneres und Justiz), andererseits ist eine dann gewünschte bis notwendige zweite Tätigkeit neben der Parlamentsarbeit, auch wenn sie in einem Feierabend- (wie Gemeinderäte) oder Halbtagsparlament (wie im Stadtstaat Berlin) ausgeübt wird, ein Einfallstor für Korruption. Auch die Personalauswahl dürfte sich dann auf die Menschen beschränken, die sich ein Mandat finanziell und zeitlich leisten können.
Sowieso verliert von Arnim kein Wort über die Arbeitsbelastung der Parlamentarier und den Sinn von Mitarbeitern. Wobei in Bayern Landtagsabgeordnete auch hier fürstlicher ausgestattet sind als in anderen Ländern.
So gibt es inzwischen, nachdem der bayerische Landtag nach der letzten Landtagswahl einer mehr als ordentlichen Erhöhung zustimmte, jährlich 21,5 Millionen Euro für persönliche Mitarbeiter der Abgeordneten (Haushaltsplan 2014). Das sind über 114.000 Euro pro Abgeordneten. In Berlin sind es 16.107 Euro pro Abgeordneten und in Hessen 52.542 Euro.
Die Fraktionen erhalten jährlich 15,7 Millionen Euro für ihre Arbeit. Also im Wesentlichen für Mitarbeiter und Öffentlichkeitsarbeit, die von Arnim anscheinend vollkommen abschaffen will, weil sie verfassungswidrig sei. Wie die Parlamentarier und Fraktionen dann die Öffentlichkeit über ihre Arbeit informieren sollen, verrät er allerdings nicht.
Im Gegensatz zur üppigen Fraktionsfinanzierung steht die Parteienfinanzierung mit 2,3 Millionen Euro, die Parteien vom Staat aufgrund ihres Wahlergebnisses erhalten. Weil es einen CSU-Sondereffekt gibt (die CSU ist, wie bekannt, eine eigenständige Partei, die nur in einem Bundesland antritt), erhielt die CSU 9,61 Millionen Euro aus der Parteienfinanzierung; die bayerische SPD 1,73 Millionen Euro. Dem gegenüber stehen für die CSU 21,91 Millionen Euro, für der SPD 8,7 Millionen Euro Fraktionszuschuss und Mitarbeiterpauschale.
Wie in seinen vorherigen Büchern liegt der wahre Wert von „Die Selbstbediener“ in der detaillierten, hier nur rudimentär angeschnittenen Aufschlüsselung der Einkommen der bayerischen Landespolitiker über ihre Abgeordnetenentschädigung und die weiteren Entschädigungen für Mitarbeiter und Öffentlichkeitsarbeit. Der Mitarbeiteretat ist deutlich höher als in anderen Bundesländern. Im Gegensatz zu anderen Ländern, können auch nahe Verwandte beschäftigt werden, und es erfolgt gegenüber dem Landtag keine genaue Abrechnung.
Dieser Punkt wurde in Bayern von den Medien schon erfolgreich aufgegriffen. Danach beschäftigt jeder fünfte CSU-Abgeordnete, darunter auch drei Kabinettsmitglieder, gesetzeswidrig Ehepartner und Kinder. CSU-Parteichef Horst Seehofer drängt jetzt auf schnelle Kündigungen. Mal sehen, wie sich diese Geschichte weiterentwickelt.
Weil die ganzen Zahlen, Vergünstigungen, Gesetze und Vorschriften nicht mit einem Klick auf der Homepage des bayerischen Landtags (ein schönes Gebäude mit einem wundervollen Blick über die Stadt) ersichtlich ist, ist „Die Selbstbediener“ für Bayern, wegen der Analyse, eine Pflichtlektüre, für den Rest Deutschlands eine Kann-Lektüre.
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Hans Herbert von Arnim: Die Selbstbediener
Heyne, 2013
256 Seiten
12,99 Euro
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Hinweise
Homepage von Hans Herbert von Arnim
Wikipedia über Hans Herbert von Arnim
