Donald Ray Pollock liest aus „Knockemstiff“ und „Das Handwerk des Teufels“ vor

 

Wahrscheinlich ist Donald Ray Pollock ein absolut angenehmer Zeitgenosse, der nichts mit den in seinen Geschichten geschilderten Charakteren gemein hat. Denn diese sind nicht besonders angenehme Zeitgenossen: Mörder, Schläger, Drogensüchtige und oft auch noch geistig minderbemittelt, übergewichtig und, auch wenn sie erst Zwanzig sind, vom Leben mehr gezeichnet als manche Vierzigjährige. Also Menschen, um die man im normalen Leben einen möglichst großen Bogen macht und man, nach einer Begegnung mit ihnen, egal wie verkorkst das eigene Leben ist, sich besser fühlt, weil es einem ja doch nicht so schlecht geht.

Seine Geschichten spielen in Ohio, meisten in und um den Ort Knockemstiff, den es wirklich gibt, in dem Pollock am 23. Dezember 1954 geboren wurde und der heute eine Geisterstadt ist. In Pollocks Geschichten, die oft nur rudimentär datiert sind, gibt es ihn noch. Aber die Realität ist auch eine schöne Spiegelung der Fiktion, in der Knockemstiff zu einem mythologischen Ort wird, in dem der amerikanische Traum nie geträumt wurde. Außerdem bewegen Pollocks Charaktere sich wie Geister durch die Welt. Teils weil sie auf Drogen sind. Teils weil sie von anderen Menschen nicht wahrgenommen werden wollen oder einfach übersehen werden.

In seinem Debütroman „Das Handwerk des Teufels“ schreibt er über ein Killerpärchen, das in den Sechzigern während ihrer Urlaube Tramper ermordet. Über einen jähzornigem Jungen, der den Tod seiner Mutter in einer Art religiösen Wahn erlebt, danach bei liebevollen Pflegeeltern großgezogen wird und der Konflikte am Liebsten mit seiner Faust löst. Auch als seine Quasi-Schwester von einem Pfarrer geschwängert wird. Über zwei seltsame Reisende mit einer religiösen Variete-Show, die sich das finanzielle Grundkapital dafür besorgten, indem sie die Ehefrau des einen ermordeten. Da wird ein korrupter Sheriff schon fast zum Sympathieträger und für alle ist Mord ein einfaches Mittel, um Probleme zu lösen oder einfach seinen Spaß zu haben.

Der Roman ist eigentlich eine Sammlung von miteinander verbundenen Kurzgeschichten und Episoden, die zwischen dem Ende des zweiten Weltkriegs und dem Ende der sechziger Jahre, als die Gegenkultur auch im ländlichen Ohio ankam, spielt. Denn Pollock springt zwischen den verschiedenen Handlungssträngen hin und her, die nur durch den Handlungsort Knockemstiff miteinander verbunden sind und verbindet sie am Ende eher gewollt miteinander. Als traditioneller Kriminalroman ist „Das Handwerk des Teufels“, trotz dem Deutschen Krimipreis, enttäuschend. Als Noir, als dunkle Vision des Menschseins ist das gelungen.

In seiner ersten Buchveröffentlichung „Knockemstiff“, einer Sammlung von achtzehn Kurzgeschichten, die zwischen den Sechzigern und der Jahrtausendwende spielen, erzählt er Geschichten aus Knockemstiff, das hier deutlich als Metapher für eine Gesellschaft am Ende steht und man den Eindruck hat, dass es überall besser als in Knockemstiff ist. Trotzdem will keiner von Donald Ray Pollocks Charakteren Knockemstiff verlassen. Vielleicht weil sie, obwohl allesamt keine Geistesgrößen, wissen, dass Knockemstiff überall ist und sie nicht vor sich selbst flüchten können.

Pollock - Knockemstiff - 2

Donald Ray Pollock: Knockemstiff

(übersetzt von Peter Torberg)

Liebeskind, 2013

256 Seiten

18,90 Euro

Originalausgabe

Knockemstiff

Doubleday, 2008

Pollock - Das Handwerk des Teufels - Liebeskind - 2Pollock - Das Handwerk des Teufels - Heyne Hardcore - 2

Donald Ray Pollock: Das Handwerk des Teufels

(übersetzt von Peter Torberg)

Liebeskind, 2012

304 Seiten

19,80 Euro

Taschenbuch

Heyne, 2013

9,99 Euro

Originalausgabe

The Devil all the Time

Doubleday, 2011

Die Lesereise durch Deutschland

Mittwoch, 18. September, 20.30 Uhr

Buchhandlung Lehmkuhl (Leopoldstraße 45, 80802 München)

Donnerstag, 19. September, 20.00 Uhr

Harbourfront Hamburg – Stückgutfrachter MS Bleichen (Australiastraße, Hansahafen/Bremerkai, 20457 Hamburg – das klingt doch nach einem ungewöhnlichem Ort)

Freitag, 20. September, 20.00 Uhr

English Theatre Berlin (Fidicinstraße 40, 10965 Berlin, in Kooperation mit der Krimibuchhandlung Hammett)

Hinweise

Homepage von Donald Ray Pollock

Krimi-Couch über Donald Ray Pollock

Perlentaucher über Donald Ray Pollock

Wikipedia über Donald Ray Pollock (deutsch, englisch)

Die Presse: Teresa Schaur-Wünsch porträtiert Donald Ray Pollock (16. September 2013)

Der Standard: Christian Schachinger porträtiert Donald Ray Pollock (19. September 2013)

 

 

One Response to Donald Ray Pollock liest aus „Knockemstiff“ und „Das Handwerk des Teufels“ vor

  1. […] Noir-Lesetipp, ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis […]

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