Neu im Kino/Filmkritik: Ein Investmentbanker sieht sich als „Master of the Universe“

Das ist ein geschlossenes System, in dem man sich immer weiter von der Wirklichkeit entfernt. Deswegen mache ich mir auch keine Gedanken darüber, ob das, was ich in meinem Job mache, die Deals, die ich abschließe oder die Aktionen, die ich mache…ob die irgendwelche Auswirkungen auf die Welt da draußen haben“, sagt Rainer Voss rückblickend auf seine Arbeit als Investmentbanker in Marc Bauders sehenswerter Dokumentation „Master of the Universe“, die einen Einblick in das geschlossene System der Banken liefert. Denn so sehr die Banken nach außen Transparenz und Offenheit propagieren, so verschlossen sind sie auch. So wurden die zahlreichen Interviewanfragen von Bauder nicht beantwortet. Es gab keine Drehgenehmigungen. Noch nicht einmal an Wochenenden und für die öffentlich zugänglichen Gebäudeteile. Die Glasfassaden der Hochhäuser in der Bankenstadt Frankfurt am Main verbergen, dass dort inzwischen dreißig Prozent der Fläche leerstehen.

Aber dieser Leerstand führte dazu, dass Bauder in einem leerstehendem Bankgebäude, mit Blick auf die anderen Bank-Hochhäuser, drehen konnte.

Die Verweigerung von Interviews führte dazu, dass Bauder sich ausschließlich auf Rainer Voss konzentrierte und die Dokumentation so eine erzählerische Dichte erhält, die er sonst nicht gehabt hätte. Dass der Film dafür von ihm und seiner Perspektive abhängig ist, ist daher verschmerzbar. So will Voss nicht über seine Ehe und seinen Sohn sprechen – und diese Gesprächsverweigerung verrät dann doch wiederum sehr viel. Er will auch keine Namen nennen.

Gesprächiger wird er, wenn er von seiner früheren Arbeit erzählt. In den achtziger Jahren gehörte er zu den ersten Investmentbankern Deutschlands, was vor allem an einer Mischung aus jugendlicher Neugierde und Computerbegeisterung lag. Denn damals nahm er, mit einigen gleichgesinnten Bankangestellten einfach ein Arbeitsangebot wahr, probierte nächtelang an den damals noch neuen Computern verschiedene Finanzierungsmodelle aus und hörte sich die Botschaften der US-Banker, die von ihnen wie Heilige verehrt wurden, an, ehe er das neu erworbene Wissen an deutschen Firmenbesitzern ausprobierte.

Er erzählt von dem Korpsgeist in der Bank, dass man sich für höhere Aufgaben qualifiziert, indem man einige Nächte durcharbeitet (an die Qualität der Arbeit und die Schutzpflichten des Arbeitgebers wird dabei anscheinend nicht gedacht), dem Leistungsdruck, dem Nicht-Fragen und dem Nicht-In-Frage-Stellen von Aufgaben, egal wie unsinnig und dumm sie sind, vom Leben in einer Parallelwelt, die mit dem normalen Leben nichts mehr zu tun hat, und dass die Ehefrau als allzeit bereites Anhängsel des Mannes immer der Bank zur Verfügung zu stehen habe. Und dass die Mitarbeiter nach einigen Jahren, finanziell anscheinend gut versorgt, in den Ruhestand verabschiedet werden.

Er besteht, wenn er seine Arbeit, verschiedene Finanzmarktprodukte und die Logik der Finanzwelt sehr anschaulich erklärt, auch immer darauf, dass sie nichts ungesetzliches tun. Er sieht auch die für die meisten Kunden unsinnigen Anlagemöglichkeiten nicht als moralisch verwerflich an. Immerhin gibt es ja den einen Kunden, für den die Anlage passt.

Das ist alles faszinierend anzuhören und liefert einen fundierten Einblick in einen Wirtschaftszweig, der einmal dafür gedacht war, Firmen das nötige Kapital für ihre Arbeit zu besorgen – und weil Bauder nur in einer verlassenen Bank drehte, sind die ästhetisch ansprechenden Bilder von leeren Büros auch ein süffisanter Kommentar zur glänzenden Fassade der Bankenwelt, die wie eine Sekte von ihren Jüngern bedingungslose Gefolgschaft fordert.

Master of the Universe - Plakat

Master of the Universe (Deutschland/Österreich 2013)

Regie: Marc Bauder

Drehbuch: Marc Bauder

mit Rainer Voss

Länge: 95 Minuten

FSK: ab 0 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Film-Zeit über „Master of the Universe“

Moviepilot über „Master of the Universe“

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