Neu im Kino/Filmkritik: Helmut Kohls blühende Landschaften „Mitgift“

 

Als Helmut Kohl 1990 von blühenden Landschaften sprach, die es in der DDR wieder geben sollte, dachte der damalige Bundeskanzler wahrscheinlich nicht an das, was Roland Blum in seiner Langzeitdokumentation „Mitgift“ zeigt. Nämlich Landschaften, in denen die Natur prächtig gedeiht und die Menschen in wunderschön restaurierten Innenstädten leben. Kohl und seine Zuhörer verstanden die „blühenden Landschaften“ als eine schiefe Metapher für einen rasanten ökonomischen Anschluss der DDR an die Bundesrepublik, Das war von der Wirklichkeit abgekoppeltes Wunschdenken. Denn damals war die DDR, nach den Statistiken, eine der führenden Industrienationen, die gerade ihre gesamten Absatzmärkte in Osteuropa verlor und deren Produkte gegenüber westlichen Produkten nicht konkurrenzfähig waren. Wer sich einen Golf kaufen konnte, verzichtete dankend auf einen Trabi. Die DDR war ein Unternehmen, das Produkte herstellte, die niemand mehr kaufen wollte. Da war ein Angleich der Ökonomien innerhalb weniger Jahre vollkommen illusionär und die Umweltkosten dieses dafür nötigen Wirtschaftswachstums wären enorm gewesen.

Damals, im Frühjahr 1990, zwischen Mauerfall und Wiedervereinigung, begann Roland Blum die DDR zu erkunden. Denn jetzt konnten Journalisten aus dem Westen sich in der noch existierenden, aber sich in Auflösung befindenden DDR frei bewegen und mit den Menschen reden, die auch, weil sie keine staatlichen Repressionen mehr fürchteten, redeten. Und er filmte die Umweltzerstörung. Damals wurden Gifte und Chemikalien von Firmen einfach ins Wasser geleitet. Abgase verpesteten ganze Gegenden. Die Anwohner hatten sich daran gewohnt, dass das Trinkwasser ungenießbar war.

2000 und 2013 besuchte Blum wieder die Orte, an denen er 1990 die zerstörte Umwelt filmte. Er dokumentierte die Veränderungen und unterhielt sich teilweise wieder mit den gleichen Leuten.

Das ist durchaus interessant. Denn durch den direkten Vergleich fällt auch auf, wie sehr sich die Umwelt in der ehemaligen DDR in den vergangenen Jahrzehnten verbesserte. Wie wirklich blühende Landschaften entstanden.

Aber nachdem man das Erzählprinzip verstanden hat (was nicht besonders lange dauert), langweilt „Mitgift“. Denn Blum sagt eigentlich immer wieder, an verschiedenen Orten, das gleiche: Damals war es schlimm, heute ist es gut. Und implizit auch: Seht her, wie toll die BRD die auch ökologisch marode DDR rettete. Der Kapitalismus ist gut.

Dass die ökologische Situation im Westen wenige Jahre früher nicht viel besser war, wird dagegen nicht erwähnt. Das Ruhrgebiet versank unter einer Wolke Kohlestaub. Die Wälder sahen teilweise wie Müllkippen aus. Den Rest besorgte das Waldsterben. Der Rhein diente als Abwasserkanal. Als 1988 der damalige Umweltminister Klaus Töpfer in den Rhein sprang, um seine Ungefährlichkeit zu demonstrieren, wurde die Aktion als idiotische PR-Aktion verlacht. Das Umweltministerium gibt es erst seit 1986, als Reaktion auf die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl. Eine erstarkte Umweltbewegung und deren parlamentarischer Arm, die Grünen, kämpften seit den Siebzigern für eine saubere Umwelt, während die meisten Bundesbürger noch an sichere AKWs und das Recht auf den eigenen PKW glaubten.

Dass ein großer Teil des Umweltwunders in der ehemaligen DDR an einem kompletten Zusammenbruch der Industrie (denn wo nichts produziert wird, kann auch keine Umwelt verschmutzt werden), Arbeitslosigkeit und Flucht der Jüngeren aus ihrer Heimat, und einer großzügigen Förderung durch die Bundesregierung lagen, wird nur in Nebensätzen erwähnt.

Anstatt einer echten Analyse liefert Blum nur monothematische Impressionen des Wandels, die Umweltschützern gefallen können, weil es ihnen gelang, zahlreiche Biosphärenreservate (die für Westdeutschland auch ein einfacher Weg waren, um internationale Umweltziele zu erreichen) und, auf dem Grenzstreifen, das Grüne Band als Naturschutzgebiet festzulegen. Das sieht dann wie ein Sieg der DDR-Umweltbewegung aus. Gestandene CDUlern dürften in diesen Moment begeistert jauchzen, weil ihre Politik letztendlich doch zu blühenden Landschaften führten.

Mitgift - Plakat

Mitgift (Deutschland 2014)

Regie: Roland Blum

Drehbuch: Roland Blum

Länge: 101 Minuten

FSK: ab 0 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Film-Zeit über „Mitgift“

Moviepilot über „Mitgift“

 

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