
Der erste „Kalmann“-Roman stand dreimal auf die Krimibestenliste und wurde 2021 mit dem Crime Cologne Award ausgezeichnet.
Joachim B. Schmidts zweiter Roman mit Kalmann steht auf die Nominierungsliste für den diesjährigen Friedrich-Glauser-Preis. Dieser wird am Samstag, den 18. Mai 2024, vom Syndikat, dem Verein für deutschsprachige Kriminalliteratur, in Hannover im Rahmen der Criminale verliehen.
Neben „Kalmann und der schlafende Berg“ sind in der Kategorie „Bester Roman“
Vera Buck: Wolfskinder (Rowohlt Polaris)
Sabine Kunz: Die Saubermacherin (Gmeiner)
Elsemarie Maletzke: Agathes dunkler Garten (Schöffling & Co.)
Sven Stricker: Sörensen sieht Land (rororo)
nominiert. Keiner dieser Romane stand in den vergangenen Monaten auf der monatlichen Krimibestenliste.
Für Spannung ist bei der Preisverleihung also gesorgt; was über Schmidts auf Island spielenden Roman nicht unbedingt gesagt werden kann. Der im Buchtitel genannte Kalmann Óðinsson ist der selbsternannte ‚Sheriff von Raufarhöfn‘ und der naiv-kindliche Erzähler der Geschichte. Eines Tages stirbt sein schon ziemlich betagter und in einem Heim lebender Großvater. Nói, ein mit Kalmann befreundeter Computernerd, setzt ihm den Floh ins Ohr, dass sein Großvater ermordet wurde. Beweise für seine Behauptung hat Nói nicht.
Ungefähr am Ende des ersten Drittels des Romans wird Kalmann von seinem Vater in die USA eingeladen. Kalmann fliegt hin, erfährt einiges über die US-amerikanische Kultur, begleitet seinen Vater und dessen Trump-begeisterten Freunde am 6. Januar 2021 nach Washington, D. C.. Beim Sturm auf das Kapitol wird er verhaftet. Das FBI verhört ihn und wirft ihn umstandlos aus dem Land. Davor erfährt er vom FBI, dass sein Großvater Óðinn ein kommunistischer Spion war und nicht mehr in die USA einreisen darf.
Zurück in seiner Heimat – wir sind jetzt bereits auf Seite 163 von dreihundert Seiten – will er mehr über diesen Teil von Óðinns Biographie erfahren. Aber zuerst muss er nach der Einreise, wegen der Coronavirus-Pandemie, einige Tage in Quarantäne verbringen. Und dann, immerhin sind wir schon im letzten Drittel des Romans, geht alles ziemlich flott.
Sicher, es gibt ein, zwei Morde und der Täter, der sich selbst enttarnt und gegenüber Kalmann sofort alles gesteht, wird am Ende seiner gerechten Bestrafung zugeführt. Aber der Krimianteil in „Kalmann und der schlafende Berg“ ist verschwindend gering und über weite Strecken der Geschichte nicht vorhanden. Stattdessen gibt es beschauliche Beschreibungen von der Landschaft und von den Menschen, denen Kalmann in Island und den USA begegnet. Der von Joachim A. Schmidt erfundene Ich-Erzähler Kalmann ist dabei immer ein naiver und freundlicher Zeitgenosse, der keine Vorurteile hat und keinen Haß empfindet.
Das liest sich, dank Schmidts süffiger Schreibe, flott weg.
Nur einen Preis als bester Kriminalroman des Jahres würde ich „Kalmann und der schlafende Berg“ niemals geben. Ich würde den Roman noch nicht einmal als Kriminalroman bezeichnen.
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Nachtrag (19. Mai 2024, nach der Preisverleihung): „Kalmann und der schlafende Berg“ hat den Glauser als bester Kriminalroman des Jahres erhalten.
Die Jury begründet ihre Entscheidung so:
„In „Kalmann und der schlafende Berg“ begegnet uns eine der liebenswertesten und eindrücklichsten Figuren der gegenwärtigen Kriminalliteratur zum zweiten Mal.
Erinnerungen durch den eingeschränkten Blick eines naiven Erzählers zu filtern, ist ein genialer Kunstgriff des Autors. Selbst epochale Weltgeschichte können wir so in einem neuen Licht betrachten, bar jeder herkömmlichen Bewertung. Eine Fähigkeit, die uns in medial verhetzten Zeiten nahezu verlorengegangen ist.
Kalmann beobachtet, analysiert und handelt nach einfachen Regeln: Wenn jemand Hilfe braucht, hilft man. Wenn man verloren geht, bleibt man stehen. Das ist ein Naturgesetz.
Mit starken Bildern führt uns der Autor an die raue, pittoreske Natur Islands und seine Bewohner heran. Die passgenaue Wortwahl lässt uns mit seinem Helden staunen, stöhnen, lachen und zittern. Denn es wird auch brandgefährlich. Nicht nur für den Sheriff, der erneut die Welt retten muss – und uns grübelnd zurücklässt, ob der Mann mit der Fischsuppe im Kopf nicht doch der Klügere ist.
„Kalli minn, du bist ein Weiser“, sagt seine Mutter. „Korrektomundo“, sagen wir und ergänzen: „Joachim B. Schmidt, du bist ein magischer Autor.““
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Joachim B. Schmidt: Kalmann und der schlafende Berg
Diogenes, 2023
304 Seiten
24 Euro
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Hinweise
Homepage von Joachim B. Schmidt
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