

Die Hoffnungen waren riesig. Es wurde sogar vom Ende der Geschichte gesprochen. Denn jetzt war klar, welches System das bessere war. Der Kapitalismus hatte den Kommunismus besiegt. Und Autoren von Agentengeschichten standen vor der großen Sinnkrise. Mit der Implosion des Ostblocks war der seit Jahrzehnten gepflegte Gegner verschwunden. Der Kalte Krieg, der über Jahrzehnte der zuverlässige Hintergrund für spannende Agentengeschichten war, war vorüber.
Nach einer kurzen Besinnungspause, schrieben Autoren wie John le Carré weitere Romane. Manchmal führten ihre Thriller zurück in die Welt des Kalten Kriegs. Meistens beschäftigten sie sich mit aktuellen Problemen und erkundeten verstärkt andere Ecken der Welt und Konfliktherde.
Auch James Bond, der Geheimagent ihrer Majestät mit der Lizenz zum Töten, machte nach einer längeren Pause weiter. Erst 1995 lief der erste James-Bond-Film nach dem Ende des Kalten Kriegs im Kino an.
„GoldenEye“ war auch der erste Bond-Film mit Pierce Brosnan als 007.
Seit dem vorherigen Bond-Films „Lizenz zum Töten“, für den John Gardner ebenfalls einen Roman zum Film schrieb, waren epische sechs Jahre vergangen. Das war bis dahin die längste Pause zwischen zwei Bond-Filmen. Der untypische Bond-Film „Lizenz zum Töten“ erschien im Sommer 1989. Bond kämpft gegen einen südamerikanischen Drogenhändler. Das ist ein schmutziger, brutaler Bond-Film, mit einem Bond, der auf eigene Faust ermittelt und Selbstjustiz übt. Inzwischen kann „Lizenz zum Töten“ als gelungene Vorstudie für die Daniel-Craig-Bond-Ära und für den letzten Craig-Bond „Keine Zeit zu sterben“ gesehen werden.
Vor dem Kinostart von „GoldenEye“ – die Premiere war am 13. November 1995 in New York, der deutsche Kinostart war am 28. Dezember 1995 – fragten sich alle, ob James Bond überhaupt noch relevant oder ein Relikt aus dem Kalten Krieg sei. „GoldenEye“ war dann das gelungene Update der Serie und die gelungene Einführung eines neuen James Bond. John Gardner, der damals bereits seit 1981 James-Bond-Romane schrieb, durfte seinen zweiten James-Bond-Filmroman schreiben.
General Ourumov und die ebenso schöne wie gefährliche Killerin Xenia Onatopp, die zur russischen Geheimorganisation/Verbrecherorganisation „Janus“ gehören, haben sich den Zugang zu dem Weltraumsatellitensystem „GoldenEye“ verschafft. Damit können sie die Welt in ein Chaos stürzen. James Bond soll das Schlimmste verhindern und bei seiner globalen Hatz nach den Verbrechern trifft er auf schöne Frauen, schießwütige Soldeten und einen alten, totgeglaubten Bekannten.
Der von Martin Campbell inszenierte Film ist eine unterhaltsame Tour durch die vorherigen Bond-Filme mit einigen spektakulären Stunts, wie einem immer noch atemberaubendem Sprung von einem Staudamm und einer zerstörischen Panzerfahrt durch Sankt Petersburg, schönen Frauen, touristischen Locations und witzigen One-Linern. Pierce Brosnan überzeugt als neuer Bond für ein neues Jahrzehnt und eine neue Generation von Zuschauern.
Gardners Roman zum Film ist ein erstaunlich lustloses Werk, das nur für den Komplettisten wichtig ist. Der Text liest sich wie ein unter höchstem Zeitdruck herausgehauenes Werk, für das Gardner neben dem Drehbuch über keine weiteren Informationen über den Film oder Bilder von den Dreharbeiten verfügte. Er verzichtet, weil sie im Film anders als in seinem Buch aussehen könnten, auf jegliche Beschreibungen von Menschen und Orten.
Neueinsteiger sollten unbedingt, je nachdem, wo sie gerade einsteigen und weiterlesen wollen, zuerst einen anderen Bond-Roman von John Gardner oder irgendeinen Bond-Roman lesen. Es ist in diesem Fall fast egal, wo sie beginnen, aber natürlich sind die Bond-Romane von Ian Fleming und Anthony Horowitz (der bei seinen Bond-Romanen auf Ideen von Fleming zurückgriff) gute Startpunkte. Ebenso die anderen Bond-Romane von John Gardner. Gardner schrieb von 1981 bis 1996 vierzehn eigene James-Bond-Romane. Er versetzte Bond in die damalige Gegenwart der achtziger und neunziger Jahre.
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Wenige Wochen vor „GoldenEye“ erschien Gardners letzter Bond-Roman „KALT“ erstmals auf Deutsch. Im Original erschien er 1996.
Der Thriller spielt 1990 und 1994 und bevor Bonds Vorgesetzter M von einem Mann zu einer Frau wurde; also vor „GoldenEye“. Am Ende von „KALT“ fährt Bond zu seinem ersten Treffen mit der neuen M, die für uns immer wie Judi Dench aussehen wird.
James Bond wird nach Washington geschickt. Dort explodierte während der Landung auf dem Dulles International Airport eine vollbesetzte Passagiermaschine von Bradbury Airlines. Schon als Bond und M das Unglück am Fernseher sehen, wissen sie, dass es sich um einen Anschlag handelt. Aber sie wissen nicht wer ihn warum verübte.
In Washington trifft er Principessa Sukie Tempesta, eine frühere Geliebte von ihm. Sie hätte, wie der Selfmade-Multimillionär Harley Bradbury, der Besitzer der Airline, in dem Flugzeug hätte sitzen sollen. Kurz darauf stirbt Sukie durch eine Autobombe.
Bond will mehr über ihren Tod herausfinden.
Als Täter bieten sich die Familie Tempesta und die geheminisumwitterte Organisation KALT an. Die Tempestas sind eine italienische Verbrecherfamilie, die so sehr im Hintergrund operiert, dass sie bislang von den Geheimdiensten übersehen wurde. KALT ist die Abkürzung für eine geheimnisvolle Organisation, die sich „Kinder der Allerletzten Tage“ nennt. Zu ihr gehören Verbrecher jeglicher Couleur, die durch die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden aus dem Geschäft gedrängt wurden und jetzt, so erklärt es der FBI-Beamte Rhabb Bond, eine Mission haben: „Diese Leute glauben, dass die einzige Möglichkeit, das Verbrechen zu bekämpfen, darin besteht, Kriminelle in die Regierung zu bringen. Diese netten Leute, die an der Spitze von KALT stehen, wollen, dass das Land fast wie ein Polizeistaat geführt wird. Sie nennen sich selbst Kinder der Allerletzten Tage, weil sie glauben, dass wir uns in der Endzeit befinden, die der Demokratie ein Ende bereiten wird.“
Ihre Methoden sind die von Mafiosi. Und eine Zusammenarbeit zwischen KALT und der Familie Tempesta wäre für die Demokratie ein Alptraum.
Auf Einladung von Toni Nicolletti, einer FBI-Undercover-Agentin, die sich über mehrere Jahre das Vertrauen der Tempestas erschlich, besucht Bond die in der Toskana abgelegen am Lago di Massaciuccoli gelegene Villa der Tempestas.
Im Gegensatz zu anderen Bond-Geschichten, in denen Bond von seinem Vorgesetzten M einen Auftrag bekommt und er diesen dann erfüllt, steht Bond hier mehr am Rand des Geschehens. Zuerst soll er in einem Team mit anderen Agenten und Spezialisten aus mehreren Ländern herausfinden, wie und warum das Flugzeugunglück geschah. Später hilft er in der Villa der Tempestas einer anderen Agentin und auch ins Finale wird er primär als Mitglied einer größeren Operation geschoben. Das und dass die Geschichte sich in zwei Teile teilt, von denen der 1990 spielende Teil der umfangreichere Teil des Thrillers ist, macht „KALT“ zu einem ungewöhnlichen Bond-Roman mit einem etwas blassem Gegner. Dafür ist deren teuflischer, im Buch nur skizzierter Plan fast schon eine prophetische Vorwegnahme aktueller Probleme.
„KALT“ ist der würdige Abschluss von John Gardners James-Bond-Serie, die immer noch im Schatten von Ian Flemings Werk steht.
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John Gardner: James Bond 007: GoldenEye
(übersetzt von Johannes Neubert)
Cross Cult, 2024
288 Seiten
18 Euro
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Originalausgabe
GoldenEye
Hodder & Stoughton, 1995
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Die Vorlage
James Bond 007: GoldenEye (GoldenEye, Großbritannien 1995)
Regie: Martin Campbell
Drehbuch: Michael France, Jeffrey Caine
LV: Charakter von Ian Fleming
Buch zum Film: John Gardner: GoldenEye, 1995 (GoldenEye)
mit Pierce Brosnan, Sean Bean, Izabella Scorupco, Famke Janssen, Judi Dench, Gottfried John, Joe Don Baker, Robbie Coltrane, Alan Cumming, Samantha Bond, Desmond Llewelyn, Tcheky Karyo, Michael Kitchen,
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John Gardner: James Bond 007: KALT
(übersetzt von Johannes Neubert)
Cross Cult, 2024
352 Seiten
18 Euro
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Originalausgabe
COLD
Hodder & Stoughton, 1996
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Hinweise
Wikipedia über John Gardner (deutsch, englisch), „GoldenEye“ (deutsch, englisch), die Figur James Bond (deutsch, englisch), die James-Bond-Romane und die James-Bond-Filme (deutsch, englisch)
zu James-Bond-Romanen
Meine Besprechung von Jeffery Deavers James-Bond-Roman “Carte Blanche” (Carte Blanche, 2011)
Meine Besprechung von William Boyds James-Bond-Roman “Solo” (Solo, 2013)
Meine Besprechung von Kim Sherwoods „Doppelt oder nichts“ (Double or nothing, 2022)
zu James-Bond-Filmen
Meine Besprechung von Sam Mendes’ James-Bond-Films „Skyfall“ (Skyfall, GB/USA 2012)
Meine Besprechung von Sam Mendes’ James-Bond-Film “Spectre” (Spectre, USA/GB 2015)
zu anderem James-Bond-Zeug
Meine Besprechung von Danny Morgensterns „Unnützes James Bond Wissen“ (2020)
Meine Besprechung von cinemas (Hrsg.) „Inside James Bond“ (2022)
James Bond in der Kriminalakte
Ian Fleming in der Kriminalakte
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