Anfang und Ende einer Geschichte, Scott-Phillips-Interview, Noirs, Ned-Kelly-Preise

September 1, 2008

Bei Murderati hat Alexandra Sokoloff (von der ich noch keinen Roman gelesen habe) einen sehr interessanten Post über den ersten Akt einer Geschichte, also den ersten Seiten eines Buches oder den ersten Minuten eines Films, in der Held, seine Welt und der Gegner eingeführt werden. Insgesamt müssen nach ihrer Meinung

– Opening image
– Meet the hero or heroine
– Hero/ine’s inner and outer need.
– Hero/ine’s arc
– Meet the antagonist (and/or introduce a mystery, which is what you do when you’re going to keep your antagonist hidden to reveal at the end)
– State the theme/what’s the story about?
– Allies
– Mentor
– Love interest
– Plant/Reveal (or: Set ups and Payoffs)
– Hope/Fear (and Stakes)
– Time Clock (possibly. May not have one and may be revealed later in the story)
– Central Question
– Sequence One climax
– Act One climax

eingeführt werden. Das ist viel, aber ich denke, dass sie die wichtigen Punkte nennt (und höchstens in Serien oder bestimmten Genrevarianten Punkte weggelassen werden sollten). Denn wenn ich nicht nach ungefähr einem Viertel der Geschichte weiß, wer die Hauptperson ist; was sie in dieser Geschichte erreichen will; was geschieht, wenn sie ihr Ziel nicht erreicht und wer ihr Gegner ist, dann werde ich höchstwahrscheinlich das Buch gelangweilt zur Seite legen.

Sokoloff nennt als Beispiel immer wieder „Das Schweigen der Lämmer“. Mir fällt jetzt gerade der Anfang von „High Noon“ ein: nach wenigen Minuten kennen wir den für die Geschichte zentralen Konflikt. Robert B. Parker hat eine wahre Meisterschaft entwickelt, den zentralen Konflikt auf den ersten Seiten zu präsentieren. Am knappsten dürfte ihm das in dem Spenser-Roman „Die blonde Witwe“ gelungen sein. Hier sind die ersten Zeilen:

„Ich denke, sie war’s“, sagte Rita Fiore.

Wir saßen in ihrem Büro, weit oben, mit Blick über den Hafen.

„Und dabei bist du ihre Anwältin“, meinte ich.

„Da siehst du, wie’s um ihren Fall steht.“

Auf den folgenden Seiten versucht Spenser die Unschuld der titelgebenden blonden Witwe zu beweisen.  Denn wenn ihm das nicht gelingt, wird eine Unschuldige verurteilt. Aber auch ihre eigene Anwältin hält sie für schuldig.

Ebenfalls bei Murderati schreibt Toni McGee Causey über das Ende einer Geschichte. Ein ebenfalls sehr lesenswerter Beitrag, der so beginnt:

I’m going to admit to something.

I will often go read the end of a book waaaaaaaaaaaaaaaay before the middle. Sometimes I will read it after I’ve only read a couple of chapters. Many times I have stood in the store, read the opening, flipped to the end and read it, then bought the book.

Wenn Sie wissen wollen, warum diese Verrückte zuerst das Ende liest und dann das Buch kauft, dann müssen Sie einmal klicken.

Im NoirZine gibt es ein schönes Interview mit Scott Phillips. Er schrieb das auch verfilmte „The Ice Harvest“ (Alles in einer Nacht), „The Walkaway“ (Der Irrgänger) und „Cottonwood“.

Bei FilmNoir gibt es eine Liste von wichtigen Krimiautoren, deren Werke die Vorlage für Noir-Filme waren. Auf den ersten Blick ist das eine kleine, feine und ziemlich vollständige Liste.

Via the Rap Sheet erfahren wir die diesjährigen Gewinner des Ned-Kelly-Preises, der von der Crime Writers Association of Australia vergeben wird. Die Gewinner sind:

Best Crime Fiction

Shatter, von Michael Robotham

Best First Crime Novel

The Low Road, von Chris Womersley

Best Non-fiction

Red Centre, Dark Heart, von Evan McHugh

CWA’s Lifetime Achievement Award

Marele Day (The Disappearances of Madalena Grimaldi, Mrs. Cook: The Real and Imagined Life of the Captain’s Wife).


Was hätte ich bei „Weiße Nächte“ anders gemacht?

Juli 24, 2008

Etwas Gutes haben schlechte Bücher und Filme. Ich überlege mir, was warum nicht funktioniert und wie ich es besser machen würde. Auch das gestern besprochene Buch „Weiße Nächte“ von Rainer Gross funktioniert nicht und ich fragte mich:

Wie hätte ich die Geschichte geschrieben?

Der Protagonist und der Anfang

Zuerst einmal hätte ich eindeutig das Ziel des Protagonisten (hier auch des namenlosen Ich-Erzählers) formuliert. Er will sich am Nordkap an dem Ort umbringen an dem er vor Jahren seinen Freund Jan umgebracht hat. Er ist von Schuldgefühlen getrieben. Er glaubt an den katholischen Sühnegedanken.

(Eindeutig heißt: der Leser weiß es. – Dabei ist es durchaus möglich, dass ich als Leser später erfahre, dass das ursprünglich genannte Motiv und Ziel nicht stimmen. Denken Sie nur an „The sixth sense“. Während des gesamten Films glauben wir, dass der Psychiater dem Jungen helfen will, keine Toten mehr zu sehen. Erst am Ende erkennen wir, dass der Junge dem Psychiater helfen wollte, seinen Tod zu akzeptieren. „Die üblichen Verdächtigen“ hat ein ähnlich überraschendes Ende.)

Das Handlungsziel des Protagonisten gibt mir für diese Geschichte dann die weiteren Stationen vor. Er muss auf seiner Reise auf Widerstände stoßen. Diese Widerstände müssen dazu führen, dass er sich immer wieder mit der Frage von Schuld und Sühne beschäftigt. Ihm wird immer wieder – mehr oder weniger deutlich – gesagt, dass seine Idee mit dem Selbstmord Quatsch ist. Doch er hält daran fest. Denn, als Theologiedozent hat er gelernt, dass das alttestamentarische Prinzip von Schuld und Sühne befolgt werden muss. Ein Leben für ein Leben. Auch wenn es das eigene ist.

Das könnte schon eine gute Geschichte abgeben. Aber sie bliebe eine episodische Reiseerzählung; das literarische Äquivalent zu „Easy Rider“ und „Apocalypse Now“.

Die Begleiterin und die Mitte

Doch oft sind die Reisenden nicht allein unterwegs. Denn mit einem Gefährten kann sich der Protagonist austauschen (Das ist im Film natürlich wichtiger, als in einer Erzählung. Aber auch in einer Erzählung wirken Dialoge meistens dynamischer als ein über sich nachdenkender Mensch.). Außerdem bedeutet ein Gefährte prinzipiell Konflikt. Und Konflikt ist für einen Erzähler (im Gegensatz zum normalen Leben) das, was er sucht. Für eine Geschichte gilt: Je mehr Konflikt, desto besser.

Auch Rainer Gross stellt seinem Erzähler eine Frau an die Seite. Es ist die Studentin Myriel, die zufällig das gleiche Fahrtziel hat. Sie will ihren Freund besuchen. Fein; – aber eigentlich will sie das Treffen mit ihm hinauszögern, weil sie nicht weiß, ob sie mit ihm zusammenleben möchte. Diesen Konflikt thematisiert Gross nur in wenigen Sätzen.

Doch viel wichtiger als der eben erwähnte innere Konflikt von Myriel ist die Frage, in welcher Beziehung sie zu dem Protagonisten steht. Kurz: Was will sie erreichen? In dem Roman erfahren wir es nicht.

Außerdem stehen wir am Beginn der Reise noch vor einem anderen Problem: Warum nimmt der Erzähler die Frau mit? Er hat keinen vernünftigen Grund die Frau mitzunehmen. Ebenso stellt sich die Frage, warum er sie auf der ganzen Fahrt nicht einmal verlässt. Sie ist für ihn nur unnötiger Ballast. Kurz: bis jetzt hat sie absolut keine Funktion in der Geschichte.

Überlegen wir uns also, warum er einverstanden ist, gemeinsam mit ihr zum Nordkap zu fahren.

Hat er Gefühle für sie? Unwahrscheinlich. Am Anfang der Geschichte darf er nicht in sie verliebt sein. Denn wenn er sie lieben würde, würde er nicht diese Fahrt beginnen.

Doch der Wunsch, als Sühne für einen vor Jahren stattgefundenen Unfall in den Freitod zu gehen, zeigt im Charakter des Protagonisten eine Möglichkeit auf. Er fühlt sich für seine Taten und für andere Menschen verantwortlich.

Also fühlt er sich auch für Myriel verantwortlich. Vielleicht hat er sie einmal vor einem Selbstmord gerettet. Hm, nicht so toll. Immerhin will er sich umbringen und dann nimmt er eine gescheiterte Selbstmörderin mit.

Vielleicht ist sie die Tochter seines Mentors und dieser hat ihn gebeten, auf seine Tochter aufzupassen. Das würde erklären, warum er jemanden mitnimmt, der ihn bei seiner Mission nur stört.

Dann hätten wir jetzt einen Protagonisten, der sich am Nordkap umbringen will. Auf seiner Fahrt dorthin muss er auf eine Frau aufpassen. Auf der Fahrt muss immer wieder seine Entscheidung, sich umzubringen, hinterfragt werden. Begegnungen mit Menschen und Dialoge sind hier hilfreich. Er könnte sich mit gläubigen Evangelen treffen. Er könnte sich mit der Frage auseinandersetzen, ob er für die Verbrechen der Nazis in Skandinavien heute büßen muss. Er sagt ja. Sie (oder jemand anderes) sagt nein. Und wir haben einen Konflikt.

Wenn wir ihm schon eine Begleiterin verpassen, muss zwischen ihnen auch etwas geschehen. Das kann sein, dass sie sich ineinander verlieben. Sie will daher unbedingt mit ihm in den Schlafsack hüpfen. Er will, weil er sich ja bald umbringen und seine Entscheidung nicht gefährden will, sich unter keinen Umständen in sie verlieben. Das kann sein, dass sie nach seiner Ansicht zum falschen Mann fahren will. Er will sie also vor einer falschen Entscheidung bewahren. Es kann auch sein, dass sie sich nach einer unglücklichen Beziehung umbringen will und er das verhindern muss, weil er seinem Mentor versprochen hat, sie sicher ans Nordkap zu bringen.

Jedenfalls gibt es genug Möglichkeiten, die Zeit bis zum Ziel mit spannenden Ereignissen zu füllen.

Das Ende

Irgendwann kommen wir zum Ziel der Reise. Bei Gross ist der Selbstmordversuch des Protagonisten auf Seite 156 bis 160. Die Geschichte endet ohne besondere Ereignisse auf Seite 197. Diese fast vierzig Seiten sind unnötiger Ballast. Denn nachdem der Protagonist sich für das Leben entscheidet (und so auch mit seiner Vergangenheit abschließt), ist seine Mission erfüllt. Er hat sein ursprüngliches Ziel nicht erreicht, weil er festgestellt hat, dass es das falsche Ziel war.

Natürlich sollte er das durch etwas anderes erfahren, als – wie in „Weiße Nächte“ – ein im falschen Moment umstürzendes Motorrad und seine verzweifelte Suche nach einer Feder. Ein Gespräch wäre vielleicht besser. Vielleicht sagt sie ihm, dass sie nicht verstehen könne, warum er sich umbringen wolle, nachdem er ihr in den vergangenen Tagen immer wieder sagte, wie schön das Leben sei. Er versucht seine Entscheidung zu rechtfertigen und kann es nicht.

Klingt kitschig.

Mag sein, aber es wäre ein befriedigendes Ende. Und vielleicht hätte ich, wenn ich diese Geschichte schreiben würde, bis dahin eine bessere Idee. Jedenfalls müssen alle Seiten vor dem entscheidenden Moment auf der Klippe nur einem Ziel dienen: mir als Leser begreiflich zu machen, warum der Protagonist eine bestimmte Handlung vollzieht.

Und warum hat er den Revolver mitgenommen?

Keine Ahnung.


Besprechung des neuen Syd-Field-Buches online

Juli 23, 2008

In der Berliner Literaturkritik ist meine Besprechung von „Die häufigsten Probleme beim Drehbuchschreiben und ihre Lösungen“ von Syd Field erschienen. Im Original erschien „The Screenwriter’s Problem Solver – How to Recognize, Identify, and Define Screenwritng Problems“ bereits 1998 und vor acht Jahren erschien auch eine deutsche Ausgabe. Es ist also nicht so neu und wer bereits „Das Drehbuch“ von Syd Field gelesen hat, muss hier nicht unbedingt zuschlagen. Denn „Die häufigsten Probleme beim Drehbuchschreiben und ihre Lösungen“ vertieft nur einige, bereits in „Das Drehbuch“ behandelte Fragen, ohne wesentliche neue Erkenntnisse zu liefern.


Fehler, die sogar ein Bestsellerautor macht

Juli 12, 2008

Joseph Finder sprach auf dem CraftFest des diesjährigen ThrillerFest der ITW (Sie entdecken den kleinen Unterschied zur Criminale? Hier viele Lesungen, dort viele Informationen und Diskussionen.) über „Die sechs größten Fehler, die sogar ein Bestsellerautor macht“ (The Six Biggest Mistakes Even Bestselling Writers Make).

David J. Montgomery (Crime Fiction Dossier) war vor Ort und schrieb eifrig mit. Hier sind seine Notizen:

MISTAKE #1: The Passive Hero

Too many thrillers have heroes who don’t act; they remain passive while events take place around them.

– The hero must advance the plot; s/he must take action.

– The hero can’t simply investigate what’s going on — he must do something about it.

MISTAKE #2: The Long Setup

– The story takes too long to get moving.

– Authors shouldn’t just dump story on the reader; they should reveal it through action.

– Too many books start with a good opening, but then slow down to a crawl.

– One way to avoid this is to start the story as late as possible. If necessary, you can then go back and fill in details later on.

MISTAKE #3: The Weak Second Act

– Too many books bog down in the middle, degenerating into repetitive conflict and simply regurgitating the same plot points over and over. The characters aren’t progressing and changing.

– The conflict of a plot must progress and escalate; the plot points must change and vary throughout the narrative.

– This escalation of conflict, as well as variance of conflict, will not only keep the reader’s interest, but help to develop and reveal character as well.

– The introduction of subplots will also help keep the second act moving.

– Whenever things start to get dull, remember: REVERSE, REVEAL, SURPRISE.

– Every scene must advance the plot.

MISTAKE #4: Predictability

– Authors should never underestimate their readers, most of whom have read a lot of books and seen even more movies and TV shows.

– Readers know the tropes and cliches of the genre. If the story is predictable, they’ll see where it’s going a long way off and get bored.

– The key is to surprise them. Veer off from the expected course.

– If the obvious development is to take the plot in a certain direction, consider taking it in a different direction instead.

– One way to avoid this trap is not to over-outline. Be spontaneous in your writing. Allow the characters and the plot to surprise you.

MISTAKE #5: The Lousy Ending

– Too many books send the reader off on a sour note by finishing with a lousy ending.

– A great ending is second only to a great beginning in importance.

– The ending should not consist of explaining everything that happened before or tying up all the loose ends.

– You should explain as little as possible; let the reader figure out the smaller details on his/her own.

– Great endings off have symmetry to the beginning.

– Twists can be good, but they must be earned. They must be set up earlier in the book and prepared for.

– When you finish the book, get out of there ASAP. Don’t draw things out.

MISTAKE #6: Showing Off

– Too many writers make the mistake of: „I’ve done the research; I’m going to cram it all in there.“

– You should tell the reader the minimum they need in order to understand the plot; just the tip of the iceberg.

– Pare it down, leaving only the juiciest nuggets behind.

– Too much info will only slow down the story.

BONUS MISTAKE #1: Overly Explicit Dialogue

– People don’t narrate a story when they speak; they don’t dump details and information.

– People speak elliptically. Watch out for expository dialogue.

BONUS MISTAKE #2: All Plot, No People

– The story won’t matter if we don’t care about the characters.

– On its own, the plot is abstract; it requires the characters to make it real and make it matter to the reader.

– Also, the stakes of the plot must matter to the characters in order for us to care as readers.

BONUS MISTAKE #3: Action Is Boring

– Unlike in film where action scenes can be exciting, in books they too often are boring.

– What is interesting to the reader is how the characters react to the action and how they interact with each other.

– There should also be variety in your scenes; don’t follow an action scene with another action scene and another action scene. Vary the pace, vary the types of scenes, slow down and speed up in order to give the reader a break and keep them interested.

BONUS MISTAKE #4: Backstory Dump

– Don’t make the mistake of dumping the characters‘ backstory on the reader all at once. It will bring your plot to a halt and bore the reader.

– Reveal the backstory slowly, in pieces, as necessary.

– Drop references in here and there; include mentions in dialogue; intersperse little details throughout the plot.

– There is always a trade-off of CHARACTER vs. PACE.

– It’s importance to find the balance of revealing enough about the characters in order to make them interesting and make the reader care about them, versus the need to keep the plot moving.

Ich kann jedem der von Finder erwähnten Punkte nur zustimmen.

Deshalb: Danke, David, für die Mitschrift!


Zwei Hinweise

Juni 16, 2008

Bei The Rap Sheet fragt Patrick Lennon sich, wie das Verbrechen sich im Überwachungsstaat ändert. Oder anders formuliert: Wie wird in zwanzig, dreißig Jahren in Krimis über Verbrechen geschrieben werden? Er meint:

I’m not going to reflect in this post on whether these changes are right or wrong (though I do have strong views on these matters). I’m just saying, it’s happening. The result will be a situation where the investigation of crime and the policing of the public will move from being the traditional consensus-based process we are familiar with to an essentially automated system, focused on monitoring (to identify possible criminals before they act) and on the use of databases (to target them after they act).

The role of the state, and above all the police, will be truly revolutionized in Britain over the coming decade. No doubt our future law-enforcement officers will still have their personal crises and secrets, they’ll still drink, listen to music, and crack great one-liners. But they’ll be doing a fundamentally different job for a radically different employer. While we might mourn the inevitable extinction of the 20th-century British police detective, his or her replacement will be stacked with potential for writers of crime fiction.

Bei uns sieht es ähnlich aus und dieser Wandel wird bis jetzt kaum diskutiert.

Die letzten Tage habe ich „Damages“ (die gesamte Serie) und „Unschuldig (eine Folge, aber gefühlte zehn Folgen) gesehen. Während „Damages“ gut funktionierte, fragte ich mich bei der „Unschuldig“ immer wieder ‚Was soll das?‘. Ich hatte die letzte Folge „Chaostage“ gesehen. Die Story: Ein Mann hat seine lebenslange Haft für den Mord an einem Polizisten verbüßt. Jetzt will er, weil er nur noch wenige Wochen zu leben hat und sein Enkelkind kennenlernen will, seine Unschuld beweisen. Seine Tochter verweigert nämlich jeden Kontakt. Anwältin Dr. Anna Winter und ihr Team ermittelt. Dummerweise war mir die Motivation des Verurteilten vollkommen unklar. Warum hat er so lange geschwiegen? Warum will er jetzt, dass seine Unschuld bewiesen wird? Immerhin hat er seine Strafe verbüßt und seine Familie war ihm in den letzten Jahrzehnten herzlich egal. Warum will er jetzt seinen Enkel kennenlernen?

Und dann die Story. Ich fragte mich bei jedem Gespräch: Warum reden die Leute mit der Anwältin? Warum helfen sie der Anwältin Beweise für ihre Schuld zu finden (Ich sage nur: Demolieren der Hütte.)? Außerdem fehlten innerhalb der Ermittlungen die überraschenden Wendungen (Es ist nicht überraschend, wenn ein an Alzheimer erkrankter Mann sich an die Vergangenheit erinnert. Das ist das Normale. Überraschend wäre, wenn der Alzheimerkranke sich an sein letztes Essen erinnert.).

Lisa Kling schreibt zufällig über dieses Problem in „What it’s like“:

Your characters should always have a plan.  That plan can be changed or thwarted or abandoned in favor of a new plan, but they should never be directionless.

I wrestled with this very issue on a recent project.  My characters were investigating a crime.  They spent a while poking around, looking for clues, but it somehow felt flat.  Then I realized the problem – they didn’t have a theory.  So their investigation seemed random and flailing rather than purposeful.  I rewrote the sequence so that they were specifically investigating one suspect at a time.  They found exactly the same clues in exactly the same order, but their attitudes had changed.  Instead of “Aha, a clue, but what does it mean?”, they could say “Aha, this clue means it wasn’t Suspect A after all.  But it might point to Suspect B.”  Much stronger.  The same is true for medical investigations.  On any given episode of “House,” they’ll go through a dozen theories before hitting on the right answer.  But there’s always a working theory.

Uh, und nicht der Autor, sondern der Zuschauer muss diesen Plan (also das Ziel von jedem Charakters in einer Szene) kennen. In „Damages“ ist das den Drehbuchautoren sehr gut geglückt.


Splitter – und der Last Laugh Award

Juni 11, 2008

Den Last Laugh Award 2008 für den besten witzigen 2007 in England veröffentlichten Kriminalroman erhielt

Murdering Americans, von Ruth Dudley Edwards

Nominiert waren

The Big O, von Declan Burke

The Good Thief’s Guide to Amsterdam, von Chris Ewan

Hard Man, von Allan Guthrie

Silent in the Grave, von Deanna Raybourn

Angel’s Share, von Mike Ripley

The Herring Seller’s Apprentice, von L.C. Tyler

What’s So Funny?, von Donald E. Westlake

Guthrie als witziger Autor? Unter dem Aspekt habe ich ihn bis jetzt nicht gelesen.

Die zweite Ausgabe von Plots with Guns ist online.

Bei PDFscreenplays sind diese Drehbücher neu online:

Gustin Nash: Charlie Bartlett (Komödie mit Robert Downey Jr., deutscher Kinostart ist am 26. Juni)

James Gray: We own the night (unterschätztes, gut besetztes Krimidrama – leiht euch die DVD aus!)

Ivan Goff/Ben Roberts: White Heat (Gangsterfilmklassiker mit James Cagney; deutsche Verleihtitel sind „Sprung in den Tod“ und „Maschinenpistolen“)

Frank Darabont: Indiana Jones and the City of the Gods (Yeah, jetzt kann die Frage beantwortet werden, ob George Lucas Recht hatte, als er dieses Buch nicht verfilmte.)

Am 27. Mai schreibt Watching-the-detectives-Dieter, er werde für einige Tage verschwinden und sich überlegen, wie es mit Wtd weitergehen soll. Doch anstatt der angekündigten Pause gibt es das.

Am Donnerstag läuft „The Happening“, der neue Film von „The Sixth Sense“-Regisseur M. Night Shyamalan gekürzt in den deutschen Kinos an. Tja, da hab ich wieder Geld gespart.

Auch heute Abend läuft bei Pro 7 wieder um 20.15 Uhr „Unschuldig – Für die Wahrheit ist es nie zu spät“, die neue, mehrfach ausgezeichnete Krimiserie mit Alexandra Neldel, vor einem durchaus überschaubaren Publikum (vor allem, wenn jetzt bei der Konkurrenz Fußballspiele gezeigt werden). Trotzdem wird die Serie fortgesetzt. Allerdings nicht im 45-minütigen Format, sondern als Spielfilmreihe.

Lee Goldberg war von dem neuen Indiana-Jones-Film nicht begeistert und der neue James-Bond-Roman hat ich auch nicht gefallen. (Ken Levine ist vom Indiana-Jones-Film auch nicht begeistert. John August ebenso.)

Bleiben wir noch eine Moment bei John August und seinen „Lessons for the summer, so far„:

I was often at a loss to say why Indy was doing what he was doing. (…) It’s this kind of granular motivation I’ve written about before. It’s not psychoanalysis. It’s making sure the audience understands what’s happening in any given moment, so they can anticipate what might happen next. Without this ability to anticipate, the audience is just flung around helplessly, wondering why the great Indiana Jones is just standing there watching special effects.The lesson: Every scene, every moment, ask the question: What is my hero doing, and why? If it’s not obvious, stop and rethink it.

Auf diese Seite wollte ich schon lange hinweise: Aktionsbündnis für faire Verlage. Das Bündnis wendet sich gegen Druckkostenzuschussverlage.


Kleinkram: Interviews, Listen und Raymond Chandler

April 22, 2008

Bei Planet Interview ist ein lesenswertes Interview mit Ken Follett erschienen. Er spricht viel über sein neues Buch „Die Tore der Welt“, aber auch über das Schreiben:

Meiner Meinung nach sollte jeder so klar wie möglich schreiben. Das hat nichts mit dem Schreiben von Bestsellern zu tun. Im Grunde ist Schreiben eine Form der Kommunikation. Man will, dass der Leser versteht. Also sollte die Struktur der Sätze so beschaffen sein, dass die Bedeutung sich sofort offenbart. Das scheint mir eine grundlegende Regel zu sein. Ich würde nie wollen, dass jemand einen meiner Sätze zwei Mal lesen müsste. (…) Ich denke nicht, dass übermäßig komplexe Satzstrukturen irgendetwas zur Kunstform beitragen. (…) Wobei es mir jetzt gar nicht um kurze Sätze geht – die kann jeder schreiben, das ist einfach. Es gibt Beispiele von langen Sätzen, die komplizierte Gedanken ausdrücken, aber dabei immer noch sehr klar sind. Das beste Beispiel für mich ist der Essay am Anfang des 20-bändigen Oxford English Dictionary. Darin findet man diese langen majestätischen Sätze. Doch sie sind sehr klar geschrieben und man kann sie sofort verstehen. Viele Schriftsteller entwerfen Sätze, die es einem wirklich schwer machen, sie zu verstehen. Und manche von ihnen denken sicher, sie seien sehr schlaue Schriftsteller, weil sie so schwer zu verstehen sind. (lacht) (…) Ich denke, selbst meinen intelligentesten Lesern sollte ich den Gefallen tun, dass meine Sprache sehr einfach zu verstehen ist.

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Bei „Poets & Writers“ beantwortet Literaturagent Nat Sobel Fragen und erzählt auch über seine Arbeit mit James Ellroy. Ein langes Teil. (Dank an Crime Fiction Dossier für den Hinweis.)

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Die London Times hat eine Liste der fünfzig wichtigsten Krimiautoren veröffentlicht. Die Liste wird von mehreren Artikeln begleitet. Zum Beispiel schreibt Ian Rankin über die Probleme von Listen.

Uh, und die Liste? Viele gute, bekannte Namen (Chandler, Christie, Doyle, Hammett, Highsmith, Simenon, undsoweiter). Einige nicht ganz offensichtliche Namen  (Coben, Dibdin, Hiaasen, Mosley, Pelecanos. Okay. Leon? Also bitte!). Und einige Autoren, wie Lawrence Block, Ken Bruen, Michael Connelly, Erle Stanley Gardner (die Perry-Mason-Serie), Robert B. Parker (die Spenser-Serie), Mickey Spillane, Rex Stout, Ross Thomas, Donald Westlake (aka Richard Stark) fehlen.

(Dank an Sarah Weinman für den Hinweis.)

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Bleiben wir kurz bei den Klassikern: das „Outfit“ beschäftigt sich diese Woche mit Raymond Chandler und seinem Roman „The long goodbye“. Sean Chercover, Libby Hellmann, Sam Reaves, Kevin Guilfoile, Sara Paretsky, Barbara D’Amato haben bereits ihre Texte abgeliefert.

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Und der „Noir of the Week“ ist Alfred Hitchcocks „Strangers on a train“ (nach dem Roman von Patricia Highsmith, am Drehbuch schrieb auch Raymond Chandler mit). Teil 1 hier,  Teil 2 hier.

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Zum Abschluss ein Satz von Science-Fiction-Autor Ben Bova: In writing fiction, the more fantastic the tale, the plainer the prose should be. Don’t ask your readers to admire your words when you want them to believe your story.

(Dank an The Weekly Script für das Zitat.)



Da wäre mehr drin gewesen

April 9, 2008

Paul Lascaux hat unter seinem richtigen Namen Paul Ott den umfassenden Überblick „Mord im Alpenglühen“ über den Schweizer Kriminalroman geschrieben. Mit „Salztränen“ legt er einen in einem Schweizer Alpental spielenden Privatdetektivkrimi vor, der gerade als Kriminalroman enttäuscht. Dabei beginnt die Geschichte vielversprechend: Im Emmental stirbt bei einem Autounfall der Käseeinkäufer einer Großhandelsfirma. Die Versicherung beauftragt Privatdetektiv Heinrich Müller die näheren Umstände des Todes zu untersuchen. Müller mietet sich in dem Dorfgasthof ein und beginnt sich unter den Einheimischen umzuhören, die halt so sind, wie Einheimische in Schweizer Kriminalromanen immer sind. Etwas verstockt, etwas hinterwäldlerisch und doch ganz nett, wenn sie nicht gerade einen auswärtigen Schnüffler verkloppen. Müller tut sich mit der Ethnologiestudentin Lucy Himmel zusammen. Sie jobbt in dem Gasthof, verfügt über das gutaussehende Aussehen jeder Detektivassistentin, schreibt an einer wissenschaftlichen Arbeit über die Bewohner des Emmentals und kann ihm daher viel über die Bewohner des Tales verraten.

Es gibt dann einige Verwicklungen, Detektiv, Leser und Autor verlieren den Überblick über die vielen Straftaten damals und heute, einen weiteren Toten, und die kurze Geschichte nähert sich bedrohlich schnell einem ziemlich enttäuschenden Ende.

Sagen wir’s mal so: „Salztränen“ ist eine nette Lektüre für Zwischendurch. Es gibt einige wohlbekannte Klischees, die Lascaux – bei seinem Wissen über die Kriminalliteratur – sicher bewusst zitiert, einige Informationen über das Herstellen von Käse und einige, ins räsonierende gehende, Betrachtungen über die Schweizer Seele. Insgesamt ist „Salztränen“ das literarische Äquivalent zum „Bullen von Tölz“.

Paul Lascaux: Salztränen

Gmeiner, 2008

240 Seiten

9,90 Euro

Hinweise

Homepage von Paul Lascaux (Pseudonym von Paul Ott)

Lexikon der deutschen Krimiautoren über Paul Lascaux

Alligatorpapiere: Befragung von Paul Lascaux


Charlton Heston tot; Scribe-Nominierungen, The big Thrill, Diskussion über Buchbesprechungen, Schnittberichte und Drehbücher online

April 7, 2008

R. i. P.: Charlton Heston (4. Oktober 1923 – 5. April 2008 )

Zuletzt war er nur noch als seltsamer Waffennarr und Republikaner bekannt. Früher spielte er in einigen verdammt guten Filmen mit. Nicht die Bibelfilme, wie „Die größte Geschichte aller Zeiten“ und „Die zehn Gebote“ (als Moses), oder Monumentalfilme, wie „Ben Hur“ und „El Cid“, oder Katastrophenfilme, wie „Erdbeben“, oder die zahlreichen Kriegs- und Militärfilme, wie „U-Boot in Not“, „Schlacht um Midway“ und „Khartoum – Aufstand am Nil“ oder „55 Tage in Peking“ (die je nach Perspektive auch als Monumentalfilme durchgehen), oder den damals erfolgreichen, heute eher vergessenen Zirkusfilm „Die größte Show der Welt“ (die ihn damals als Hauptdarsteller in Hollywood etablierte) meine ich. Nein, bei allen Mängeln gehören die negativen Utopien, wie „Planet der Affen“, „Der Omega-Mann“ oder „Jahr 2022…die überleben wollen“ (alle drei Filme basieren auf bekannten Science-Fiction-Romanen), Western, wie „Der letzte der harten Männer“, „Der Verwegene“ (sein Lieblingsfilm), „Sierra Charriba“ und „Weites Land“, und natürlich der Noir „Im Zeichen des Bösen“ zu seinen besten Werken.

Nachrufe gibt es bei Spiegel Online, Netzeitung, taz, Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Rundschau, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Los Angeles Times und New York Times.

Schon vor einigen Tagen hat die International Association of Media Tie-in Writers ihre Nominierungen für den diesjährigen Scribe Award bekannt gegeben:

Best General Fiction Original:

CSI NY: DELUGE (CSI: NY – Sintflut), von Stuart M. Kaminsky

MR. MONK AND THE TWO ASSISTANTS, von Lee Goldberg

MURDER SHE WROTE: PANNING FOR MURDER, von Jessica Fletcher & Donald Bain

CRIMINAL MINDS: JUMP CUT, von Max Allan Collins

Best General Fiction Adapted:

AMERICAN GANGSTER, von Max Allan Collins (nominee & winner)

Best Speculative Original:

LAST DAYS OF KRYPTON, von Kevin J. Anderson

STARGATE ATLANTIS CASUALTIES OF WAR, von Elizabeth Christiansen

STAR TREK: Q&A, von Keith R.A. DeCandido

Best Game-related Original (Special Scribe Award):

HITMAN, von William Dietz

FORGE OF THE MINDSLAYERS, von Tim Waggoner

NIGHT OF THE LONG SHADOWS, von Paul Crilley

Best Speculative Adapted

RESIDENT EVIL: EXTINCTION, von Keith R.A. DeCandido

52: THE NOVEL, von Greg Cox

30 DAYS OF NIGHT, von Tim Lebbon

Best Young Adult Original:

BUFFY THE VAMPIRE SLAYER: THE DEATHLESS, von Keith R.A. DeCandido

GOODLUND TRILOGY: VOLUME THREE: WARRIORS BONES, von Stephen D. Sullivan

Clue_crew NANCY DREW AND THE CLUE CREW #10: TICKET TROUBLE, von Stacia Deutsch & Rudy Cohon

Best Young Adult Adapted:

TWELVE DOGS OF CHRISTMAS, von Steven Paul Leiva (nominee & winner)

Der zweite Grandmaster der IAMTW ist Alan Dean Foster. Der Science-Fiction-Autor schrieb in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche erfolgreiche „Romane zum Film“. Am bekanntesten dürften seine Star-Trek-Romane, seine Alien-Romane, „Outland“, „Pale Rider, und „Krieg der Sterne“ (das er unter dem Pseudonym George Lucas schrieb) sein.

Die Scribe Awards werden im Juli auf der Comic-Con Convention in San Diego verliehen.

Die International Thriller Writers hat die April-Ausgabe von “The big Thrill” veröffentlicht. Wie immer sind viele, mangels Übersetzung, in Deutschland unbekannte Thriller-Autoren vertreten. Zu den auch hier bekannten Namen gehören Mary Higgins Clark, Raymond Benson, David Baldacci und Alex Klava.

Krimileser Bernd hat bereits auf die Serie von lesenswerten Posts von David J. Montgomery in seinem Crime Fiction Dossier, und die ebenso lesenswerten Kommentare dazu, über die Arbeit eines Rezensenten hingewiesen. Wann werden Bücher besprochen? Wann nicht? Soll ein Rezensent auch negative Besprechungen schreiben? Wenn ja: wie soll ein Verriss sein? Welche Fehler machen Verlage? Wann liest ein Rezensent ein Buch nicht? Zum Beispiel wenn der Prolog kursiv gedruckt ist. Davor schrieb Montgomery, wann ein Manuskript veröffentlicht wird.

Bei Schnittberichte gibt es einen Vergleich zwischen dem „Grindhouse“-Double-Feature und den bei uns im Kino gelaufenen Einzelfilmen „Death Proof“ von Quentin Tarantino und „Planet Terror“ von Robert Rodriguez. Dort gibt es auch weitere Schnittberichte zu den gekürzten deutschen Fassungen von „Miami Vice“ (damit die Trottel, die die gekürzten deutschen „Miami Vice“-Boxen kaufen, auch wissen, was ihnen entgeht. In England gibt es inzwischen schon eine Box mit allen „Miami Vice“-Staffeln.).

Und dann gibt es diese krimiaffinen Drehbücher online:

Lawrence D. Cohen: Carrie (basierend auf dem Roman von Stephen King für den Klassiker von Brian de Palma)

George Goldsmith: Children of the Corn (“Kinder des Korn” basiert auf einer Stephen-King-Kurzgeschichte und war erfolgreich genug für etliche Fortsetzungen, die noch schlechter als das Original sein sollen.)

Steve Niles (überarbeitet von Stuart Beattie und Adi Hasak): 30 Days of Night (basierend auf der Graphic Novel von Niles und Templesmith)

Skip Woods: Hitman (eine bleihaltige Comicspielverfilmung. Gibt es auch andere?)

Von „Verlockende Falle“ (die nette Caperkomödie mit Sean Connery, Catherine Zeta-Jones und Ving Rhames) gibt es gleich mehrere Fassungen:

Ron Bass: Entrapment – Erste Fassung

Ron Bass: Entrapment – Achte Fassung

Ron Bass: Entrapment – Zehnte Fassung (beide Überarbeitungen sind von Don Macpherson und William Broyles Jr.)

Die verschiedenen Fassungen dürften vor allem für die wirklichen Fans und Wissenschaftler interessant sein. Donovan meint: “The Tenth Draft is a surprisingly good read.”


Verschiedens: Widmark gestorben, Hinweise auf Interviews, verschiedene Überlegungen zum Schreiben

März 27, 2008

R. i. P. Richard Widmark (26. Dezember 1914 – 24. März 2008 )

Gleich für sein Filmdebüt als durchgeknallter Gangster in „Der Todeskuss“ erhielt er eine Oscar-Nominierung. In den folgenden Jahrzehnten trat er in über siebzig Filmen auf. Seine bekanntesten sind „Die gebrochene Lanze“, „Der Garten des Bösen“, „Polizei greift ein“ (Pickup on South Street), „Der letzte Wagen“, „Der Schatz der Gehenkten“ (Sonntag, 30. März, SWR, 14.00 Uhr; Freitag, 11. April, HR, 00.00 Uhr [Taggenau]), „Alamo“, „Zwei ritten zusammen“, „Das Urteil von Nürnberg“, „Nur noch 72 Stunden“, „Mord im Orient-Express“, „Das Ultimatum“ und „Ein Aufstand alter Männer“.

Heute Abend zeigt Das Vierte um 20.15 die Alistair-MacLean-Verfilmung „Die Bäreninsel in der Hölle der Arktis“ mit Widmark und weiteren bekannten Schauspielern.

Nachrufe gibt es bei Spiegel Online (kurz), ARD/Tagesschau (ausführlicher), FAZ (ausführlicher), Die Welt (von Gerhard Midding), und selbstverständlich der New York Times (von Aljean Harmetz).

Frank Göhre beantwortet im Krimiblog viele Fragen von Ludger Menke.

Wolfgang Rademann, der „Meister des Leichten“ (so der Titel des ausführlichen Interviews mit dem Macher der „Schwarzwaldklinik“ und des „Traumschiffs“), redet mit der Wochenzeitung „Die Zeit“.

Woody Haut hat einen längeren Text über die vielen Elmore-Leonard-Verfilmungen geschrieben und warum die meisten nicht gut und nur wenige gut sind.

Der Verband der Drehbuchautoren hat den Podcast „Stichwort Drehbuch“ gestartet. Oliver Schütte und Frank Zeller wollen jeden Monat mit einem Drehbuchautor sprechen. Eine gute Idee. Auch die Homepage sieht gut aus. Aber die Ausführung bei dem ersten Teil – ein Gespräch mit Rainer Berg, dem Autor des Zweiteilers „Die Gustloff“ – erreicht auch mit viel Wohlwollen nicht einmal Amateurniveau. Denn einen so schlechten Ton habe ich seit ich seit ich weiß nicht wann nicht mehr gehört.

(Hm, und warum nur Töne und keine Bilder? Ich denke da zum Beispiel an diese schöne Seite/Sendung aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten.)

Ken Levine gräbt einen alten Post „When to STOP writing“ aus (und erhält viele lesenswerte Kommentare).

John August denkt über die Motivationen seiner Charaktere nach (und erhält viele lesenswerte Kommentare).

David J. Montgomery gibt im Crime Fiction Dossier den noch nicht publizierten Autoren einige bedenkenswerte Ratschläge (und zahlreiche lesenswerte Kommentare bestätigen ihn).


Kleinkram: Nachrufe, Lesetipps von Sakey, Was Autoren von Hollywood lernen können, Fusilli und Banks antworten, Bowden nennt den Unterschied

Januar 28, 2008

Sara Paretsky schreibt im Outfit über den am 17. Januar verstorbenen Edward D. Hoch:

Ed was one of the kindest, most gracious and gentlemanly of all crime writers. His was the first face and hand to welcome any newcomer to MWA, and almost all of us active writers can cite any number of generous acts, from seeing that our own work got published, to his support of Sisters in Crime when we were first starting out. His memory will live long, but we will miss him sorely.

Hier geht’s zum New York Times Nachruf auf Edward D. Hoch.

Marcus Sakey (Der Blutzeuge) verrät seine aktuelle Lektüre.

Bei Naked Truth about Literature and Life wird der Frage nachgegangen, was Romanautoren von Filmen lernen können. James O. Born (wir kennen ihn von seiner Ballerstunde auf Bücher) macht den Aufschlag:

Some of the best advice I was ever given was by Elmore Leonard when I was just starting to write. He and his assistant, Gregg Sutter, encouraged me to look at the book like a movie with each chapter broken into scenes. It sounds simple but to a novice like me it was the Holy Grail. To this day I can focus on each scene of a novel without becoming overwhelmed with the idea of a larger project. Maybe that way of looking at the novels makes them seem like they would transition to film.

Bei  ihm gibt es auch eine interessante Diskussion über gelunge Verfilmungen.

Jacqueline Winspear nimmt den Ball auf und sieht sich die Charaktere in Filmen an:

I also like to watch the “Special Features” at the end of a rented movie – you never know what you might learn. This time, it was a comment from the wardrobe mistress (do they still call them by that old-fashioned name? Or are they costume designers?). She said that when each actor comes to her studio, to talk about their costumes for a movie, she asks them about their character. The question that tells her more about the charcter, that guides her in pulling together the costumes, is, “What do you have in your pocket?” Ooooohhhh, that’s a good question, I thought.

Bei Sons of Spade beantworten Jim Fusilli und Ray Banks einige Fragen zu ihren Privatdetektiven.  Jim Fusilli, von dessen vier Terry-Orr-Romanen zwei auf Deutsch erschienen, sagt, es gebe wahrscheinlich keinen weiteren Terry-Orr-Roman:

 I enjoyed doing the four Terry Orr novels, but I’m not certain that the P.I. field is the best place for my writing.

Fusilli schrieb außerdem ein Buch über Brian Wilson und das Beach-Boys-Album „Pet Sounds“.

Ray Banks, der noch nicht ins Deutsche übersetzte Erfinder von Manchester-PI Cal Innes (er arbeitet gerade am vierten Innes-Roman), nennt einige wichtige zeigenössische PI-Autoren:

I think Ken Bruen is already a massive influence on newer writers, and not just stylistically. He’s bringing emotion back to what is still primarily a chilly, investigative sub-genre. Laura Lippman, Walter Mosley and George Pelecanos bring in the sociological elements, without becoming either too preachy or too political. James Sallis deconstructs the mythology and the very idea of a fictional private investigator. And James Crumley happens to write some of the finest, meatiest prose I’ve ever read.

Really, the PI will never die. He or she will just evolve into something more meaningful for their time.

Und J. D. Rhoades (ähem, auch noch nicht übersetzt) hat in seinem „What fresh hell is this?“-Blog ein schönes Zitat von Mark Bowden (der Sachbuchautor von „Killing Pablo“ und „Black Hawk Down“) gepostet:

The essential difference between writing nonfiction and writing fiction is that the artist owns his vision, while the journalist can never really claim one, or at least not a complete one—because the real world is infinitely complex and ever changing. Art frees you from the infuriating unfinishedness of the real world.

Die Screen Actors Guild hat ihre Preise verliehen.  Die Gewinner sind – 


Blog-Karneval, eine Jugendrichterin erzählt, Folter, Overwriting, Pitching

Januar 21, 2008

AUS DER WELT DER LITERATUR

Ludger Menke aus HaHa ruft in seinem Krimiblog zum zweiten Blog-Karneval auf. Das Thema ist:

Zum Totlachen komisch – der Krimi und der Humor

Mord und Totschlag stehen oft im Mittelpunkt von Krimis und Thrillern. Angesichts solcher Verbrechen stellt sich die Frage, wie witzig, wie lustig darf Kriminalliteratur sein? Schwarzer Humor gegen schwarze Gedanken? Witz und Ironie als Mittel im Kampf gegen das Böse in der Welt? Wie lustig darf es für Dich sein?

Wie das Thema bearbeitet wird ist egal. Wo nicht. Aber das sagt Ludger alles im Krimblog. Und das alles muss bis zum 24. Februar erledigt sein. Also nach Fastnacht und Berlinale.

AUS DER WELT DES VERBRECHENS

Überhaupt nicht komisch, aber sehr lesenswert ist das ausführliche Interview mit der Jugendrichterin Ruth Sieveking (Berlin, Amtsgericht Tiergarten)  in der Berliner Zeitung: „Drill hilft gar nicht“.

Barry Eisler schreibt in seinem Blog über die neuesten Äußerungen des National Intelligence-Direktors Mike McConnell zur Wasserfolter.

AUS DER WELT DES FILMS

Ken Levine schreibt in seinem Blog über Overwriting. Einerseits schreibt er TV-Drehbuchautoren  (da gibt es genaue Zeitvorgaben), andererseits sind die Bemerkungen auch für deutsche Drehbuchautoren interessant zu lesen – und auch einige Romanautoren, die glauben, ein Buch unter vierhundert Seiten sei schlecht, inspirierend zu lesen:

When reading a spec, one of the most common traps I see young writers falling into is overwriting. (…)

The only thing worse than a TV script of screenplay that’s overwritten is a stage play. Plays have no length requirement so the playwright has free reign to torture us long into next month. (…)

And then there’s the dialogue.

This may sound obvious but worth stating anyway: Always remember that actors have to perform your script.

Soooo many times I’ll see full page speeches with sentences so long and complicated that no human being on earth could ever deliver them. And certainly not in one breath. (…)

Whenever my partner, David and I go back to polish a draft we thin out the big speeches. If the speech is 14 lines we make it 11, if it’s 11 lines we make it 9. There are ALWAYS trims.

Same is true in stage direction. A reader sees a big block of stage direction I GUARANTEE he will not read it. You could describe a sex act in detail and he’ll flip the page.

As a rule it’s better to underwrite than overwrite. We have an expression. We like “open pages”. Much more white than type. 

Lisa Kling schreibt über das Pitching (also das Verkaufsgespräch für eine Geschichte) für eine TV-Serie:

What they want is an interesting variation on their established formula. “House” wants medical mysteries. “CSI” wants twisty murders. But successful pitches will always be about the characters, even on a procedural show. Pitch stories which challenge the main characters, and force them to make decisions or take actions which reveal more about them. When you’re doing your show homework, look for character moments which hint at untold secrets or unexpected traits. Then create a story situation which brings them out. Yes, a clever, original plot is important, but one which also carries some emotional weight will be a much stronger pitch.


Schreibblockade?

Januar 13, 2008

Stephen King hat wahrscheinlich noch nie eine Schreibblockade gehabt. Lawrence Block auch nicht. Trotzdem gibt es sie. Jedenfalls irgendwie. Oder vielleicht doch nicht?

Drehbuchautor Ken Levine (viele Folgen Mash, Cheers, Becker, Frasier und auch zwei Simpsons-Folgen) fragte Kollegen nach der sagenumwobenen Schreibblockade und was sie dagegen unternehmen. Hier antworten unter anderem Jane Espenson (Buffy, Kampfstern Galactica), Lee Goldberg (Diagnosis Murder, Monk), Bill Kelly (Disney-Film „Verwünscht“). Hier antworten unter anderem Alan Eisenstock (Mork von Ork), Phoeff Sutton (Boston Legal, Tony Scott-Film „The Fan“), Alex Epstein (Bon Cop, Bad Cop). Und, in beiden Postings, viele Autoren von Shows, für die auch Ken Levine schrieb. Das ganze ist also etwas Sitcomlastig.

Die Tipps sind trotzdem gut.


Rezension Syd Field „Das Drehbuch“ online

Januar 4, 2008

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Meine Besprechung von Syd Fields überarbeitetem Klassiker „Das Drehbuch – Die Grundlagen des Drehbuchschreibens“ (Screenplay – The Foundations of Screenwriting, 1979/2005) ist online in der Berliner Literturkritik.

Ein neueres Werk von Field schleuderte ich, nachdem ich las, auf Seite 20 müsse, wie der Film Die Verurteilten beweise, Plotpoint I kommen, verärgert in die Ecke. Bei „Das Drehbuch“ ärgerte ich mich nie. Denn Field ist hier nicht so dogmatisch. Das Paradigma-Konzept überzeugt. Die Beispiele, auch aus neuen Filmen, sind gut gewählt und irgendwie haben fast alle Drehbuchratgeber von ihm abgeschrieben.

Gut hat mir diese Stelle gefallen: „In Deutschland hielt ich einmal für ungefähr fünfzig Autoren einen Workshop ab, und von den fünfzig Geschichten endeten sechsundvierzig mit Tod, Selbstmord, Vernichtung oder Chaos. Ich musste den Teilnehmern erklären, dass es durchaus bessere Mittel gibt, ein Drehbuch abzuschließen. Das beste Ende ist immer eins, das echt, glaubhaft und wahr erscheint, wie zum Beispiel in Seabiscuit, Magnolia oder Der Stadtneurotiker. Titanic hat trotz der Liebesgeschichte ein wahres Ende.“

Field hätte auch Man nannte ihn Hombre, Butch Cassidy und Sundance Kid oder Thelma & Louise erwähnen können.


Besprechung „Kleiner Autoren-Workshop“ von Ursual K. Le Guin online

Dezember 14, 2007

Bei der Berliner Literaturkritik ist meine Besprechung von „Kleiner Autoren-Workshop“ (Steering the Craft, 1998) von Ursula K. Le Guin online. Der Schreibratgeber mit seinen zahlreichen Übungen richtet sich vor allem an Schreibgruppen, die das Buch in wochen- oder monatelanger Arbeit durchgehen wollen.

Homepage von Ursula K. Le Guin (umfangreiche, informative Seite)

Phantastik-Couch über Ursula K. Le Guin