Ihre verspielten Nana-Figuren kennt wahrscheinlich jeder. Aber diese fröhlichen, bunten und voluminösen Frauenfiguren, für die Niki de Saint Phalle (1930 – 2002) bekannt ist, tauchen in dem nach ihr benannten Biopic nicht auf. Das Biopic konzentriert sich auf die frühen fünfziger Jahre und endet 1960. Also Jahre vor ihrem Durchbruch und den ersten Nana-Figuren. Die entstanden 1965.
Auch ihre vor den Nana-Figuren entstandenen Werke, wie die ‚Schießbilder‘, mit denen sie 1956 erstmals auf sich aufmerksam machte, werden nicht gezeigt. Regisseurin Céline Sallette zeigt nur, immer aus der Sicht des Werkes, wie Niki de Saint Phalle sie anfertigt und ihre und die Reaktionen anderer Menschen auf diese Werke.
„Niki de Saint Phalle“ ist ein Film über eine Künstlerin ohne ein Werk von ihr zu zeigen. Und das funktioniert als Künstler-Biopic überhaupt nicht.
Als Biopic ist Céline Sallette „Niki de Saint Phalle“ eine Abfolge falscher Entscheidungen. Das eine ist der bereits erwähnte Verzicht darauf, die Werke der Künstlerin zu zeigen. Im Film ist Niki de Saint Phalle nur eine Frau, die irgendetwas tut. Ob das gut, schlecht oder revolutionär ist, bleibt der Phantasie und dem möglicherweise vorhandenem Wissen des Zuschauers überlassen. Ob wir als Zuschauer die gleich Reaktion haben, wie die Betrachter des Werkes im Film, bleibt pure Spekulation. Die einen finden Bilder von XXXX fantastisch, die anderen gruselig.
Die nächste falsche Entscheidung ist die Konzentration auf eine Phase in Niki de Saint Phalles Leben, die für ihre künstlerische Selbstfindung möglicherweise entscheidend war, aber sie fand Jahre vor ihrem Durchbruch statt. Allein vom Film können wir nicht beurteilen, wie sehr ihre allerersten Arbeiten irgendetwas mit ihren späteren Arbeiten zu tun haben. Wir sehen keinerlei künstlerische Entwicklung. Wir sehen keinen Zusammenhang zwischen ihren frühesten, nicht gezeigten Arbeiten und ihren späteren, ebenfalls nicht gezeigten Arbeiten.
Das ist, als ob man ein Biopic über Angela Merkel inszeniert und sich dabei ausschließlich auf ihre Jahre in der Grundschule konzentriert. Das mag einen interessanten Film ergeben, ist aber nicht das, was uns am Leben von Angela Merkel interessiert.
Und dann wird Niki de Saint Phalles gesamtes künstlerisches Schaffen nur als eine Reaktion auf jahrelange Vergewaltigungen in ihrer Kindheit interpretiert. Das verkleinert ihr Werk und Wirken.
„Niki de Saint Phalle“ ist kein Film über die bekannte Künstlerin der Moderne, sondern ein Film über eine junge verheiratete Mutter mit massiven psychischen Problemen, die behauptet seit ihrem elften Lebensjahr von ihrem Vater über Jahre missbraucht worden zu sein und die in einer Therapie eine Beschäftigung findet, in der sie ihre Gefühle verarbeitet. Ihr Hobby ist die Malerei. Es könnte auch irgendetwas anderes sein.
Aber auch dann würde ich unbedingt sehen wollen, wie die Protagonistin ihre Gefühle in ihren Zeichnungen verarbeitet.

Niki de Saint Phalle (Niki, Frankreich/Belgien 2024)
Regie: Céline Sallette
Drehbuch: Céline Sallette, Samuel Doux
mit Charlotte Le Bon, John Robinson, Damien Bonnard, Judith Chemla, Alain Fromager, Virgile Bramly, Grégoire Monsaingeon, Nora Arnezeder, John Fou, Quentin Dolmaire
Länge: 99 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
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Hinweise
Moviepilot über „Niki de Saint Phalle“
AlloCiné über „Niki de Saint Phalle“
Rotten Tomatoes über „Niki de Saint Phalle“
Wikipedia über „Niki de Saint Phalle“ (deutsch, englisch, französisch) und Niki de Saint Phalle (deutsch, englisch, französisch)
Veröffentlicht von AxelB