Neu im Kino/Filmkritik: „Jetzt. Wohin. Meine Reise mit Robert Habeck“, nicht erzählt von Lars Jessen

Dezember 7, 2025

Was lief da schief? Warum wurde Robert Habeck nicht Kanzler (was eh schon immer eine arg utopische Annahme war), sondern führte Bündnis 90/Die Grünen in dem kurzen Winterwahlkampf zwischen dem Bruch der Ampelkoalition am 6. November 2024 und der vorgezogenen Neuwahl am 23. Februar 2025 zu einem weit unter den Erwartungen liegendem Wahlergebnis und aus der Regierung in die Opposition?

Regisseur Lars Jessen will in seinem Film „Jetzt. Wohin. – Meine Reise mir Robert Habeck“ diese (und einige andere) Fragen beantworten. Er ist seit einigen Jahren mit dem gleichaltrigen Habeck befreundet und er war in Habecks Wahlkampf involviert…mit seinen Talenten. Seine genaue Rolle wird in dem Film nicht wirklich klar. Aber er war irgendwie Teil des Wahlkampfteams, er hatte anscheinend Ideen die umgesetzt wurden, wie die „Küchengespräche“, und er inszenierte Habeck-Filme.

anscheinend“ und „irgendwie“ verweisen auf das Problem des Films, der sich erstaunlich ungeschickt zwischen alle Stühle setzt und keinerlei Identität hat. Dafür wirkt er immer wieder und viel zu oft wie ein PR-Film für das Produkt Robert Habeck und sehr peinliche Parteiwerbung.

Eine Analyse des Wahlkampfs und was schief lief gibt es nicht. „Jetzt. Wohin“ ist auch keine Dokumentation des Wahlkampfs. Das hätte beispielsweise im Rahmen eines atemlos den Kandidaten vor und hinter den Kulissen begleitenden Dokumentarfilms mit Ausschnitten aus Strategiekonferenzen geschehen können.

Und es handelt sich nicht um einen radikal persönlichen Filme, was ja der Untertitel „Meine Reise mit Robert Habeck“ nahe legt und wie wir es von anderen Regisseuren, wie Nanni Moretti, kennen. Dann müsste Jessen einiges über sich und seine Gefühle erzählen. Jessen ist hier, wie es inzwischen aus zahlreichen anderen Dokumentarfilmen und TV-Reportagen kennen, nur der im Bild sitzende Interviewer und der mit einer Kamera durch das Bild laufende Mann. Einen Mehrwert hat das nicht.

Für den Film hat er Fachleute, oft Wissenschaftler und Journalisten, aber auch Künstler, interviewt, wie Luisa Neubauer, Marina Weisband, Politikberater und Kreativdirektor für Wahlkampagnen Arun Chaudhary (u. a. für Barack Obama, Bernie Sanders und Kamala Harris), „Spiegel“-Kolumnist Christian Stöcker und „Feine Sahne Fischfilet“-Sänger Jan „Monchi“ Gorkow, die alle mehrmals im Bild sind. Aber er interviewte keine Menschen, die direkt in den Wahlkampf involviert waren oder Erfahrung in der Analyse von Kampagnen und deutschen Wahlkämpfen haben. Jessen fragt die falschen Leute. Möglicherweise stellt er auch die falschen Fragen. In jedem Fall bleiben die Erkenntnisse oberflächlich und in sattsam bekannten Platitüden stecken.

Sein Dokumentarfilm ist erstaunlich oft erstaunlich schlecht inszeniert. Das zeigt sich vor allem bei den Interviews, in denen die Gesichter viel zu dunkel sind, die Interviewten unglücklich im Raum positioniert werden und die Position der Kamera oft seltsam ist. Gleiches gilt für den Schnitt und die Handhabung verschiedener Stilmittel. Wir reden hier nicht von einem Jungregisseur, sondern von einem Regisseur, der seit über 25 Jahren im Geschäft ist und mehrere „Tatorte“ und die Kinofilme „Am Tag als Bobby Ewing starb“, die Mockumentary „Fraktus“ und „Mittagsstunde“ inszenierte. Das sind Spielfilme und keine Dokumentarfilme. Trotzdem sollte das Handwerk stimmen.

In „Jetzt. Wohin.“ zeigt sich eine erstaunliche Unfähigkeit, dem Material eine Struktur zu geben und eine Geschichte zu erzählen. Es bleibt eine Collage bunter Bilder ohne einen Zusammenhang und ohne eine eigene Geschichte mit einer sich an der Nulllinie bewegenden Fehleranalyse.

Jetzt. Wohin. – Meine Reise mit Robert Habeck (Deutschland 2025)

Regie: Lars Jessen, Rasmus Jessen (Co-Regie)

Drehbuch: Rasmus Jessen

Mit Robert Habeck, Lars Jessen, Maren Urner, Luisa Neubauer, Arun Chaudhary, Margrethe Vestager, Samira el Quassil, Friedemann Karig, Albrecht von Sonntag, Christian Stöcker, Markus Lanz, Janne Prinz, Hartmut Tödt, Luise Amtsberg, Matthias Piepgras, Martin Andree, Tobias Krell, Peter Unfried, Marina Weisband, Jan „Monchi“ Gorkow, Charly Hübner, Maja Göpel

Länge: 92 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Jetzt. Wohin.“

Moviepilot über „Jetzt. Wohin.“

Wikipedia über „Jetzt.Wohin.“ und Robert Habeck

Meine Besprechung von Lars Jessens Dörte-Hansen-Verfilmung „Mittagsstunde“ (Deutschland 2022)