Neu im Kino/Filmkritik: „The Apprentice“ – Ein schlechter Deal

Oktober 18, 2024

Vorbemerkung (kann übersprungen werden)

Es kann sein, dass ich zu viel über Donald Trump weiß (obwohl viele Menschen noch viel mehr über ihn gelesen haben) und zu viele Trump-Parodien gesehen habe (obwohl viele Menschen noch viel mehr gesehen haben). In jedem Fall mochte ich ihn schon nicht, als ich das erste Mal bewusst seinen Namen hörte. Das war als bei einem USA-Urlaub mit meinen Eltern unsere US-amerikanischen Bekannten uns in Manhattan den Trump-Tower zeigten und sich bewundernd über den Bauherrn äußerten. Wir sahen uns konsterniert an und dachten so etwas in die Richtung von: „Was für ein hässlich-protziges Gebäude. Was muss das für ein armseliger Mensch sein, der es nötig hat, seinen Namen so groß am Gebäude anzubringen?“

Seitdem gab es keinen Moment, in dem ich über mein erstes Urteil nachdenken musste. Im Gegenteil: Je mehr ich über Trump erfuhr, desto sicherer wurde ich in meinem Urteil, dass Trump ein absolut hohler, armseliger, nur auf den äußeren Schein fixierter Dummschätzer ist. Er hat keine Ahnung von den Themen, über die er redet und er hat keine Lust hat, sich in die Materie einzuarbeiten.

Das zeigte sich auch bei dem TV-Duell zwischen ihm und seiner damaligen Mitbewerberin um das Amt des US-Präsidenten. Ich war damals kurz vor meinem geplanten Bettgang in die Übertragung von dem Duell gestolpert und wollte mir einen kurzen Eindruck von der Performance der Kandidaten verschaffen. Ich ging davon aus, dass beide ihre Pläne überzeugend präsentieren und die Pläne des Gegners ebenso überzeugend auseinander nehmen würden. Da ich nicht genug über die konkreten Pläne wusste, würde ich, wie bei unzähligen anderen TV-Duellen, nur beurteilen können, wer der bessere Verkäufer sein würde.

Entsetzt blieb ich viel länger als geplant vor dem Computer sitzen. Der Unterschied im Niveau war einfach zu groß. Während Hillary Clinton eine Frau mit einem Plan war, die argumentieren und logisch aufeinander aufbauende Sätze formulierte, brabbelte er nur planlos herum. Ungefähr wie der Mitschüler, der einen Roman zusammenfassen soll, den er nicht gelesen hat.

Später, als ich während seiner Präsidentschaft Äußerungen von ihm hörte und las, dachte ich immer, dass ich mit jeder Minute, in der ich seinen Wortsalat folgte, dümmer wurde. Seitdem wurde es nur noch schlimmer.

Ich halte ihn immer noch für absolut ungeeignet für das Amt. Und ich verstehe nicht, warum so viele Menschen dieser Hohlbirne folgen. Sie zu durchschauen erfordert keine besonderen Fähigkeiten und geht atemberaubend schnell.

 

Ende der Vorbemerkung

 

Nach dieser langen Vorrede könnt ihr vielleicht mein Urteil über Ali Abbasis „The Apprentice – The Trump Story“ besser einordnen. Außerdem wollte ich endlich einmal die Geschichte von meiner ersten Begegnung mit Donald Trump niederschreiben. Ich halte den Film für eine Zeitverschwendung. Man erfährt nichts über Trump, was man nicht schon nach der Lektüre einiger guter Zeitungsreportagen weiß. Die sind auch informativer als dieser Film, der teils 70er-Jahre-Period-Picture ist, teils Best-of-Trump ist und dabei an der Oberfläche bleibt. Das liegt daran, dass hinter der Fassade nichts ist. Außerdem wissen die Macher nicht, ob sie ein 08/15-Biopic, eine Abrechnung mit Trump oder eine Verherrlichung von Trump machen sollen. So setzten sie sich letztendlich so zwischen die Stühle, das jeder in den Film hineininterpretieren kann, was er will und der sogar Trump, wenn er ihn sich ansehen würde, gefallen könnte, weil er am Filmende die Lektionen von seinem Lehrmeister anwendet und er letztendlich als der große Macher porträtiert wird. Diese Unentschlossenheit und eine zerfaserte zweite Hälte machen „The Apprentice“, trotz gelungener Ansätze, zu einem sehr enttäuschendem, angesichts seines Potentials sogar ärgerlichem Werk.

Sicher, der in den siebziger Jahren in New York spielende Anfang, als Donald Trump (Sebastian Stan) in den Häusern seines Vaters die Miete eintreibt und er den skrupellosen Anwalt Roy Cohn (Jeremy Strong) kennen lernt und der ihn unter seine Fittiche nimmt, sind atmosphärisch gelungen. Das erinnert wohltuend an die damals auf der Straße gedrehten New-Hollywood-Dramen. Dafür wirkt Trump-Darsteller Sebastian Stan mit seiner Trump-Perücke wie der Bewerber für eine Trump-Parodie. Jeremy Strong steht so unter Strom, dass auch er nie wie ein echter Mensch, sondern wie eine Parodie auf einen skrupellosen Anwalt wirkt. Der 1927 geborene Cohn begann seine Karriere als fanatischer Kommunistenjäger. Er rühmte sich dafür, dass seine Arbeit entscheidend für das Todesurteil gegen Julius und Ethel Rosenberg wegen Spionage war. Kurz darauf war er Chefberater von Senator Joseph McCarthy. Danach wurde er Rechtsanwalt in New York City. Zu seinen Mandanten gehörten auch das Erzbistum New York und bekannte Mafiosi, wie John Gotti, Anthony Salermo und die Gambino-Familie. Er beriet Richard Nixon und Ronald Reagan. Ihm war egal, mit welchen legalen und illegalen Mitteln, wie Epressung mit illegalen Tonbandaufnahmen, er zum Ziel kam. Hauptsache Gewinnen und als starker Macher dastehen.

Beide sind Unsympathen. Moralbefreiter Abschaum in teuren Anzügen und noblen Wohnungen.

Die aus dieser Begegnung entstehende Filmgeschichte erzählt, wie ein skrupelloser Anwalt einem skrupellosen Unternehmer den nötigen Feinschliff verpasst. Der eine schwadroniert über Gott und die Welt, der andere saugt es begierig auf. Das ist die ganze Geschichte zwischen diesen beiden Männern.

Cohn hat Trump auch seine drei „Regeln zum Gewinnen“ aufgeschrieben, die ungefähr so lauten:

Regel 1: Angreifen. Angreifen. Angreifen.

Regel 2: Nichts zugeben. Alles leugnen.

Regel 3: Den Sieg für sich beanspruchen und niemals eine Niederlage zugeben.

Diese Regeln wendet Trump seitdem an. Dabei war und ist ihm der äußere Schein, die Fassade, wichtiger als das, was sich dahinter verbirgt. So gibt er immer noch nicht zu, dass er 2020 die US-Präsidentenwahl verloren hat. Seine Jünger folgen dem Betrüger (den ich noch nicht einmal für einen besonders guten Betrüger halte) aus kaum bis nicht nachvollziehbaren Gründen.

Abbasis Biopic „The Apprentice“ konzentriert sich auf die Beziehung zwischen Trump und Cohn von ihrer ersten Begegnung 1973 bis zu Cohns Tod am 2. August 1986. Er starb an einer HIV-Infektion. Die in den siebziger Jahren spielenden Szenen, als Trump in die Immobilienbranche mit eigenen Bauprojekten einsteigen, sind dabei die überzeugenderen. In diesen Momenten entsteht auch im Ansatz ein Gefühl für die Zeit und die Männer, die skrupellos von den Umständen profitieren wollten. Später, in den achtziger Jahren wird die Geschichte zunehmend episodischer und fahriger. Es wird von einem Ereignis zum nächsten gesprungen, mal geht es um sein Privatleben, mal um seine Beziehung zu Cohn, mal um ein neues Bauprojekt, über dessen Ablauf wir wenig bis nichts erfahren.

In diesen Momenten wird auch deutlich, wie wenig „The Apprentice“ zu erzählen hat. Das wird sogar im Film direkt angesprochen, wenn der Journalist Tony Schwartz sich mit Trump trifft. Schwartz soll Trumps Memoiren, die 1987 unter dem Titel „Trump: The Art of the Deal“ erscheinen, schreiben. Bei dem Gespräch sagt Schwartz, er sehe kein Metamotiv in Trumps Leben.

Trump entgegnet, er liebe es Deals zu machen. Deals seien der Zweck und eine Kunstform.

Das wäre ein Ansatz gewesen, um „The Apprentice“ als eine Geschichte von Deals zu erzählen. Also: wie verhandelt Trump? Was ist ein guter Deal? Was ist ein schlechter Deal? Wie gelangt er zu einem Deal? Stimmt seine Selbstwahrnehmung, dass er ein guter Dealmaker ist? Wurden seine Deals, nachdem er sich mit Cohn befreundete und Cohns Regeln folgte, besser? In jedem Fall wurde er skrupelloser.

Seine Deals als US-Präsident und seine Pleiten (wozu auch Casinos gehören) sprechen eine andere Sprache. Danach ist er ein schlechter Dealmaker, der einfach nur an irgendeinem Abschluss interessiert ist. Er will nur ständig „Deal!!!“ brüllen, aber er ist unfähig, Deals auszuhandeln. Denn das würde ein Vertiefen in die Materie, ein Abwägen verschiedener Interessen und Güter und psychologisches Feingefühl erfordern.

In „The Apprentice“ erfahren wir nur, wie Cohn Trump den nötigen Feinschliff verpasst. Er veränderte nichts in Trumps Charakter. Er gab ihm nur einige Weisheiten mit auf den Weg, die der Faulenzer und Drückeberger Trump, der sich im Zweifelsfall auf den Einfluss und das Geld seines Vaters verlassen konnte, eigentlich schon lange davor begriffen hatte.

Die Dialoge sind eine Ansammlung ikonischer Trump-Sätze, die hier immer etwas deplatziert wirken. Es wird durchgehend ein erstaunlich sauberes Englisch gesprochen, in dem es nur wenige vulgäre Beleidigungen und Schimpfworte gibt. Angesichts des damals aus anderen Filmen, Büchern und Erzählungen dokumentierten rauen Umgangston in dem Milieu, in dem der Film spielt, wirkt das immer falsch. Trotzdem erhielt „The Apprentice“ in den USA ein R-Rating wegen „sexual content, some graphic nudity, language, sexual assault, and drug use“. In Deutschland ist er „frei ab 12 Jahre“. In Begleitung der Eltern oder einer erziehungsberechtigten Person kann der Film sogar von Sechsjährigen gesehen werden. Ob das klug ist, müssen die Erziehungsberechtigten entscheiden.

Dass Trump jetzt gegen den Film, den er wahrscheinlich nicht gesehen hat, polemisiert, erkläre ich mir so: Trump ist einfach beleidigt, dass der Film sagt, dass er früher ein Lehrling war und dass er zu seinem Lehrer aufschaute. Das kratzt an seinem Ego. Dabei wird er in dem Film als großer Macher gezeigt. Geklagt hat er, soweit ich weiß, nicht gegen den Film. Auch sonst niemand.

In den USA, wo der Film seit einigen Tagen läuft, wird er vom Publikum weitgehend ignoriert.

The Apprentice – The Trump Story (The Apprentice, USA 2024)

Regie: Alli Abbasi

Drehbuch: Gabriel Sherman

mit Sebastian Stan, Jeremy Strong, Maria Bakalova, Martin Donovan, Catherine Mcnalle, Charlie Carrick, Ben Sullivan, Mark Randall

Länge: 123 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „The Apprentice“

Metacritic über „The Apprentice“

Rotten Tomatoes über „The Apprentice“

Wikipedia über „The Apprentice“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: „Stonewall“, eine nicht besonders gelungene Geschichtsstunde

November 19, 2015

Auf der technischen Ebene gibt es bei „Stonewall“ nichts zu meckern. Roland Emmerich hatte mit 13,5 Millionen Dollar zwar nur ein arg überschaubares Budget, das in Hollywood-Kategorien im kleineren Independent-Bereich liegt (sogar Clint Eastwoods „Million Dollar Baby“ kostete 30 Millionen Dollar), aber schon mit seinen ersten Filmen – „Das Arche-Noah-Prinzip“, „Joey“ und „Moon 44“ – zeigte er, dass er mit wenig Geld beeindruckend tricksen kann. Und so sieht „Stonewall“ teurer aus als er war.
Auch über die Schauspieler kann nicht wirklich gemeckert werden. Große Namen fehlen zwar, aber Ron Perlman und Jonathan Rhys Meyers sieht man immer wieder gerne und Hauptdarsteller Jeremy Irvine („Gefährten“, „Die Liebe seines Lebens“, „The Reach“) ist auf dem Weg zum Star.
Aber sie und der gesamte Film haben mit einem extrem schlechten Drehbuch zu kämpfen, das ohne eine wirkliche Geschichte Klischees aneinanderreiht und jede Analyse vermissen lässt. Das wird einem beim Abspann, wenn wir etwas über die wahren Hintergründe wichtiger Figuren des Films erfahren, schmerzhaft bewusst. Denn der Schwule im Anzug, der Schwule auf der Parkbank und die nervige Transe waren später wichtige Figuren der Schwulenbewegung. Im Film gibt es dafür kein Anzeichen. Er verschenkt hier ohne Not sein Potential als wahre Geschichte ohne sich wirklich auf eine andere zu konzentrieren. Es gibt zwar immer wieder Ansätze, aber weder der Krimiplot, noch die Verflechtung zwischen Polizei und Mafia, noch die sozio-politische Analyse, noch die Liebesgeschichte werden auch nur halbwegs vorangetrieben. Jeder dieser Ansätze verpufft letztendlich folgenlos.
Im Mittelpunkt des Films steht Danny Winters (Jeremy Irvine), ein Junge vom Lande, der von seinem konservativen Vater, nachdem Dannys Homosexualität schulbekannt wurde, vor die Tür gesetzt wird. Weil die Columbia Universität Danny aufnehmen würde, macht er sich auf den Weg nach New York. In Greenwich Village trifft er in der Christopher Street dann auch gleich auf das bunte Leben der Ausgestossenen. Sie sind nicht schwul, sondern SCHWUL oder S! C! H! W! U! L! und damit nur noch die schreienden Klischees von Klischees über die verrückten Großstädter, die Landbewohner, die niemals die Grenze ihres Landkreises überschritten haben, über das verruchte Leben in der Großstadt haben. Trotzdem wirkt Danny nicht sonderlich schockiert. Er betritt diese neue Welt, in der Männer mit Männern auch in der Öffentlichkeit, gegen jeden Anstand und Gesetz Sex miteinander haben, als sei deren Leben vollkommen normal. Schockiert ist er dagegen von der Polizeigewalt, die er gleich am ersten Abend erleben muss.
Und weil diese schwule Coming-of-Age-Geschichte 1969 in den Tagen vor den Stonewall-Unruhen spielt, gibt es dann auch, als Höhepunkt, die für die Schwulenbewegung sehr wichtigen Unruhen, für die es in der Realität einige Erklärungen gibt. Im Film wird dagegen letztendlich jede Erklärung vermieden. Es ist einfach eine Randale, die entsteht, weil die Polizei, wieder einmal, eine Razzia in der Kneipe durchführt.
Damit wird im Film die Bedeutung der Stonewall-Unruhen für die Schwulenbewegung allerdings sträflich heruntergespielt.
Diese durchgehende Abneigung gegen jede Analyse zugunsten einer in schönsten Nicholas-Sparks-Bildern inszenierten Schmonzette ohne eine Liebesgeschichte, ohne erinnerungswürdige Charaktere (obwohl die Schauspieler sich bemühen) und damit ohne jegliche Dynamik steht immer auf der Kippe zur unfreiwilligen Komik, bei der man nur noch darauf wartet, dass die Schauspieler plötzlich beginnen zu singen; – was sie bei den hübsch inszenierten Unruhen, die im Film nicht mehrere Tage, sondern nur einige Minuten an einem Sommerabend dauern, tun.
In den USA bekam „Stonewall“ den ganzen Hass der LGBT-Bewegung (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender) ab, die Kritik stampfte den Film ein und an der Kinokasse war die Schmonzette mit mildem Trash-Potential ein Flop. So schlecht ist „Stonewall“ nicht. Aber es ist auch kein guter Film und es ist, trotz seines Titels, auch nicht der Film, der die Geschichte der Bar „Stonewall Inn“, der Schwulen, Lesben und Transsexuellen in den Sechzigern in den USA, der beginnenden Schwulenbewegung und dem Christopher Street Day, der erstmals ein Jahr nach den Stonewall-Unruhen als Demonstration gegen Polizeiwillkür stattfand, erzählt.
„Stonewall“ erzählt nur von einem Landei, das zufällig im Sommer 1969 in Greenwich Village war.

Stonewall - Plakat

Stonewall (Stonewall, USA 2015)
Regie: Roland Emmerich
Drehbuch: Jon Robin Baitz
mit Jeremy Irvine, Jonny Beauchamp, Jonathan Rhys Meyers, Ron Perlman, Joey King, Caleb Landry Jones, Matt Craven, Vladimir Alexis, Otoja Abit, Alex Nachi, Matt Craven, David Cubitt, Andrea Frankle, Karl Glusman, Ben Sullivan
Länge: 129 Minuten
FSK: ab 12 Jahre

Hinweise
Amerikanische Homepage zum Film
Film-Zeit über „Stonewall“
Moviepilot über „Stonewall“
Metacritic über „Stonewall“
Rotten Tomatoes über „Stonewall“
Wikipedia über „Stonewall“ (deutsch, englisch) und die wahren Ereignisse, die den Film nicht wirklich inspirierten (deutsch, englisch)
Meine Besprechung von Roland Emmerichs „White House Down“ (White House Down, USA 2013)

Q&A zum Film auf dem TIFF (scheint keine bessere Aufnahme zu geben)