Neu im Kino/Filmkritik: Über den neuen Pixar-Film „Elio“

Juni 20, 2025

Dieses Mal beginne ich mit einer vielleicht überflüssigen Warnung, die zu einer Empfehlung wird: ich konnte „Elio“ in 3D in der Originalfassung sehen. Ersteres war problematisch. Die 3D-Effekte mit merkwürdig halbtransparent erscheinenden Objekten und im Vordergrund zu schnell durch das Bild huschenden Figuren störten immer wieder den Filmgenuss. Sie wirkten durchgehend falsch. Auch Kollegen, die 3D mögen, bemängelten dies anschließend. Ob das so von den Machern gewünscht war oder ob es bei der Vorführung ein technisches Probleme gab, konnten wir in dem Moment nicht herausfinden. Unabhängig davon rissen mich diese Effekte mich immer wieder aus der Filmgeschichte heraus. In der 2D-Fassung sollte dieses Problem nicht auftreten.

Und nun kommen wir zu dem Film, den ich deswegen nicht so genießen konnte, wie ich wollte.

Im Mittelpunkt steht Elio Solís. Der Elfjährige glaubt, dass es Aliens gibt und er möchte sie unbedingt kontaktieren. Genaugenommen hofft er, dass sie ihn entführen. Denn überall ist es besser als auf der Erde, wo er nach dem Tod seiner Eltern bei seiner Tante Olga lebt. Sie ist Major bei der Air Force und auf der Montez Air Base stationiert. Der Stützpunkt gehört zum Weltraumprogramm des Militärs.

Als sie in der Station ein Signal aus dem Weltraum empfangen, das anscheinend von Außerirdischen gesendet wurde, ergreift Elio die Gelegenheit und antwortet.

Die Außerirdischen hören seine Nachricht, halten ihn für den Herrscher der Welt und nehmen ihn überaus freundlich in ihre Welt, das Communiverse, auf. Dort treffen sich Vertreter aller Alien-Arten um über die Zukunft des Universums zu reden, zum Wohl aller zu Forschen und zum geselligen Miteinander. Während Elio noch beim Erkunden dieser Welt ist, wird sie von Lord Grigon besucht. Der bullige Krieger und Herrscher über den Planeten Hylurg möchte Teil des Communiverse werden. Die anderen Mitglieder lehnen das ab. Sie bevorzugen, im Gegensatz zu Grigon, friedliche Lösungen, Zusammenarbeit und Gutherzigkeit. Deshalb verfügen sie auch über keine Mittel, um gegen die Bedrohung vorzugehen.

Spontan erklärt sich der schüchterne und absolut nicht kampferfahrene Elio bereit, gegen Lord Grigon zu kämpfen.

Kurz darauf trifft er auf Grigons Sohn Glordon, der mit den Plänen seines Vaters für seine Zukunft hadert. Denn Glordon möchte kein furchtloser Krieger werden, sondern einen Freund haben.

Elio“ ist ein typischer Pixar-Film. Im Mittelpunkt steht ein Kind, das einen großen Traum hat. Es wird eine phantastische Welt präsentiert, in der es viel zu Entdecken gibt. In „Elio“ gibt es Informationen über die Möglichkeiten außerirdischen Lebens und, wie in jedem Pixar-Film, werden ernste Themen kindgerecht angesprochen, ohne sie unzulässig zu vereinfachen. In diesem Fall geht es um Einsamkeit, den Wunsch, irgendwo dazuzugehören, Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen und andere Menschen, den Umgang mit (vermeintlichen) Gegnern, Zusammenarbeit und friedliche Konflitklösungen. In Teilen kann „Elio“ sogar als gelungene Einführung in die hohe Schule der Diplomatie gesehen werden. Die Botschaft ist überaus sympathisch und zeitlos aktuell. Außerdem basiert „Elio“nicht auf schon bestehenden Werken oder setzt eine Filmreihe fort. Das ist heute, wo kein Franchise sterben darf, eine erwähnenswerte Seltenheit.

Das Ergebnis ist vielleicht nicht der beste Pixar-Film, aber es ist guter Film mit einer begrüßenswerten Botschaft und vielen witzigen Ideen.

Elio (Elio. USA 2025)

Regie: Madeline Sharafian, Domee Shi, Adrian Molina

Drehbuch: Julia Cho, Mark Hammer, Mike Jones, Jesse Andrews (Mitarbeit), Hannah Friedman (Mitarbeit) (nach einer Geschichte von Adrian Molina, Madeline Sharafian, Domee Shi, Julia Cho)

mit (im Original den Stimmen von) Yonas Kibreab, Zoe Saldaña, Remy Edgerly, Brad Garrett, Jameela Jamil, Shirley Henderson, Matthias Schweighöfer

Länge): 98 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Elio“

Metacritic über „Elio“

Rotten Tomatoes über „Elio“

Wikipedia über „Elio“

 


Neu im Kino/Filmkritik: „Gloria – Das Leben wartet nicht“, auch wenn du aussiehst wie Julianne Moore

August 22, 2019

Gloria Bell ist eine attraktive und lebenslustige Frau in den Fünfzigern. Die Kinder sind aus dem Haus. Sie ist geschieden. Sie liebt Pop-Hits, die sie vor allem im Auto laut mitsingt, und sie tanzt gerne. Auf der Suche nach einem Mann fürs Leben bewegt sie sich in Los Angeles durch die Single-Tanzabende.

Auf einem dieser Abende trifft sie Arnold. Der Unternehmer tanzt ebenfalls gern. Er ist ebenfalls geschieden und er erweist sich als vollendeter Gentleman. Gloria hat, wie ein verliebter Teenager, wieder die sprichwörtlichen Schmetterlinge im Bauch.

Alles könnte perfekt sein, wenn Arnold nicht so reserviert wäre und er nicht so oft von seiner Ex-Frau und seinen Töchtern angerufen würde.

Wenn Cineasten sich jetzt fragen, warum ihnen diese Geschichte so bekannt vorkommt, müssen sie sich nur den Berlinale-Liebling von 2013 erinnern. Damals erhielt Sebastiàn Lelio für sein in Santiago de Chile spielende Charakterstudie „Gloria“ mehrere Preise und Hauptdarstellerin Paulina García einen Silbernen Bären.

Jetzt verfilmte Lelio in seinem US-Debüt die gleiche Geschichte noch einmal. Es ist eine 1-zu-1-Neuverfilmung, bei der für das US-Publikum nur die Schauspieler (jetzt mit Julianne Moore und John Turturro) und der Schauplatz (jetzt L. A.) geändert wurden. Und die Sprache. Denn bis jetzt hatten die US-Remakes erfolgreicher ausländischer Filme nur die Aufgabe, Amerikanern, die zu faul zum Lesen von Untertiteln waren, das Lesen zu ersparen.

Mit dem Erfolg der Streamingdienste, die viele nicht englische Serien im Angebot haben, könnte sich das ändern. Sie bieten auch synchronisierte Fassungen an, die Qualität der Synchron-Fassungen wird besser und die Zuschauer sehen sich, wie die Abrufzahlen zeigen, nicht die Originalfassung, sondern die synchronisierte Fassung an.

Bis dahin gibt es noch einige dieser Remakes, die Kenner des Originals getrost ignorieren können. So ist auch „Gloria“ objektiv betrachtet kein schlechter, aber ein überflüssiger Film. Die Geschichte über die nach Liebe suchende Endfünfzigerin funktioniert immer noch. Allerdings ist jede Wendung, jede Reaktion und jedes Bild bekannt. Verändert wurden nur einige, letztendlich unwichtige Details.

Julianne Moore, die jetzt Gloria spielt, ist als von der Sehnsucht nach einem Mann getriebenes Mauerblümchen fantastisch.

John Turturro überzeugt als ihr Freund Arnold.

Die von Gloria mitgesungenen Popsongs aus den siebziger und achtziger Jahren, also den Jahren, in denen Gloria erwachsen wurde, sind ein punktgenau eingesetzter Kommentar zu ihren Gefühlen. Im Original, in dem andere Songs gespielt werden, war mir dieser enge Zusammenhang zwischen Glorias Gefühlen und den Songs, die sie im Auto oder beim Tanzen hört, nicht so sehr aufgefallen.

Gloria“ ist ein guter, sehenswerter, empfehlenswerter und auch überflüssiger Film, bei dem Kenner des gelungenen Originals sich fragen, warum er noch einmal verfilmt wurde. Denn Lelio erzählt dieses Mal Glorias Geschichte vielleicht etwas flüssiger, aber er setzt keine neuen Aktzente und er interpretiert auch nichts fundamental neu.

Gloria – Das Leben wartet nicht (Gloria Bell, USA 2019)

Regie: Sebastián Lelio

Drehbuch: Sebastián Lelio, Alice Johnson Boher (Adaption) (nach dem Drehbuch „Gloria“ von Sebastián Lelio und Gonzalo Maza)

mit Julianne Moore, John Turturro, Michael Cera, Barbara Sukowa, Jeanne Tripplehorn, Rita Wilson, Caren Pistorius, Brad Garrett, Holland Taylor

Länge: 102 Minuten

FSK: ab 0 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Gloria“

Metacritic über „Gloria“

Rotten Tomatoes über „Gloria“

Wikipedia über „Gloria“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Sebastián Lelios „Gloria“ (Gloria, Spanien/Chile 2012)

Meine Besprechung von Sebastiàn Lelio „Eine fantastische Frau – Una Mujer Fantastica“ (Una Mujer Fantastica, Chile//USA/Deutschland/Spanien 2017)