Neu im Kino/Filmkritik (kurz): Über das B-Movie-Knastdrama „Haps – Crime doesn’t pay“

März 29, 2025

Bringen wir den peinlichen Anfang gleich hinter uns. „Haps – Crime doesn’t pay“ beginnt in der deutschen Fassung mit den eingeblendeten Worten „Berlin, Germany“ und „Prison“. Die deutschen Worte hätten es auch getan und sie hätten sich weniger peinlich gelesen. Außerdem ist ziemlich klar, dass Alexander Rothstein gerade in ein Gefängnis eingeliefert. Er soll ein Drogenhändler sein. Dabei sieht der Untersuchungshäftling wie der nette Schwiegersohn aus. In diesem hoffnungslos versifftem Gefängnis voller gewaltbereiter Wärter und aus allen möglichen Länder kommenden Mitinsassen, das direkt aus den schlimmsten Alpträumen über heruntergekommene Klischee-Dritte-Welt-Gefängnisse stammt, wird er schnell unter die Räder geraten.

In den folgenden zwei Stunden zeigt Ekrem Engizek dann, wie der ständig seine Unschuld beteuernde, aus vermögenden Verhältnissen kommende Rothstein dieses Multikulti-Gefängnis überlebt, sich irgendwann die Haare abrasiert (spätestens seit „Taxi Driver“ wissen wir, was das bedeutet) und in der Hierarchie aufsteigt bis zum erwartbaren Ende.

Haps – Crime doesn’t pay“ badet förmlich in den unzähligen B-Pictures endlos wiederholten Gefängnisfilmklischees. Die Dialoge sind oft schlecht. Das Voice-Over peinlich. Die sprunghaft erzählte Story und die Figuren sind zu eindimensional, um wirklich zu begeistern. Die clever gemeinte Schlusspointe, in der mehr über Rothsteins Vergangenheit verraten wird, verrät letztendlich den gesamten Film.

Für den Film spricht allerdings auch einiges. So stilisierte Engizek, der auch das Drehbuch schrieb und produzierte, sein Knastdrama konsequent durch. In keiner Sekunde könnte man dieses Gefängnis mit einem realen Gefängnis verwechseln.

Letztendlich ist „Haps – Crime doesn’t pay“ bei all seinen unbestreitbaren Mängeln ein für deutsche Verhältnisse überraschend gelungenes und eigenständiges Genrewerk, das die Kinoleinwand im Blick hat.

Fehlt nur noch ein gutes Drehbuch.

Haps – Crime doesn’t pay (Deutschland 2025)

Regie: Ekrem Engizek

Drehbuch: Ekrem Engizek

mit Constantin von Jascheroff, Kais Setti, Cem Öztabakci, Korkmaz Aslan, Amir Aschenberg, Xenia Assenza

Länge: 128 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Haps – Crime doesn’t pay“

Moviepilot über „Haps – Crime doesn’t pay“


Neu im Kino/Filmkritik: „Continuity“ – das neue Werk von Omer Fast

November 20, 2016

In seinem Spielfilmdebüt „Remainder“ war der Protagonist in einer Zeitschleife gefangen. In seinem zweiten Spielfilm „Continuity“, in dem Videokünstler Omer Fast seinen gleichnamigen 41-minütigen Kurzfilm von 2012 zu einem Spielfilm erweiterte, sind seine Protagonisten in einer anderen Schleife gefangen.

Schon in den ersten Minuten, wenn Torsten (André M. Hennicke) und Katja Fiedler (Iris Böhm) sich durch ihr austauschbares Einfamilienhaus bewegen, wird deutlich, dass etwas nicht stimmt. Auch die Fahrt zum Bahnhof und die Begegnung mit ihrem aus dem Afghanistan-Einsatz heimkehrendem Sohn am Bahnhof gestaltet sich gezwungen. Ebenso das Abendessen. Ohne dass wir wissen, warum sich alle so seltsam benehmen, was sie uns verschweigen und woher die seltsame sexuelle Spannung kommt.

Kurz darauf wiederholt sich das gleiche Spiel zweimal. Mit minimalen Variationen, aber immer mit einem anderen Daniel, den sie abholen und mit dem sie zu Abend essen.

Währenddessen zeigt Fast Szenen aus Afghanistan, in denen bekannte Gesichter wieder auftauchen, einen versuchten Mord in der örtlichen Bäckerei an Daniel (Fiedler?), die auch mit illegalen Drogen handelt und es gibt Bruchstücke von Erklärungen, die immer offen für Interpretationen bleiben. So sind einige (oder alle) Söhne Stricher, die von den Böhms bezahlt werden, ihren Sohn zu spielen. So hat sich ein Sohn (der echte?) bei der Bundeswehr für den Afghanistan-Einsatz beworben und in Afghanistan kam es zu sexuellen und gewalttätigen Handlungen. Oder fantasieren Daniels Eltern sich das nur herbei, aus den Erzählungen der Stricher, die dafür bezahlt werden ihren Sohn, der vielleicht tot ist, zu spielen?.

Das schöne an Omer Fasts zweitem Spielfilm „Continuity“ ist, neben der formalen Strenge, die an die Berliner Schule erinnert, dass er bis zur letzten Minute viele seiner Geheimnisse bewahrt und somit offen für Interpretationen bleibt, ohne jemals beliebig zu werden.

Wie bei seinem ersten Spielfilm „Remainder“ gibt es am Ende von „Continuity“ immer noch einige lose Fäden und nicht alles fügt sich zu einer widerspruchsfreien und plausiblen Erzählung zusammen. Wie in der Realität, in der auch nicht immer alles restlos aufgeklärt und eindeutig ist.

Continity“ ist ein spannendes, vielschichtiges erzählerisches Experiment. Sehr, sehr sehenswert.

continuity-plakat

Continuity (Continuity, Deutschland 2016)

Regie: Omer Fast

Drehbuch: Omer Fast

mit André M. Hennicke, Iris Böhm, Constantin von Jascheroff, Bruno Alexander, Josef Mattes, Lukas Steltner, Niklas Kohrt, Anne Ratte-Polle

Länge: 85 Minuten

FSK: –

Hinweise

Deutsche Facebook-Seite zum Film (mit den Kinos, die den Film zeigen)

Berlinale über „Continuity“

Filmportal über „Continuity“

Moviepilot über „Continuity“

Rotten Tomatoes über „Continuity“

Wikipedia über Omer Fast (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Omer Fasts „Remainder“ (Remainder, Großbritannien/Deutschland 2016)

Bonushinweis

Im Martin-Gropius-Bau wird bis zum 12. März 2017 die erste große Berlin-Werkschau von Omer Fast gezeigt.

Omer Fast spricht mit Sergio Fant bei der Art Basel im Juni 2016 über den Film (und verrät natürlich einiges)