Neu im Kino/Filmkritik: „Hollywoodgate – Ein Jahr unter den Taliban“ in einem verlassenen US-Stützpunkt

August 15, 2025

Beobachtender Dokumentarfilm, die nächste Runde. Und wieder gibt es dieses ärgerliche Missverhältnis zwischen dem, was der Film zeigt und welche, teils grundlegenden und für das Verständnis des Films wichtigen Informationen man sich aus dem Presseheft und anderen Quellen zusammensuchen muss. Dazu gehören in diesem Fall beispielsweise die Lage und Bedeutung der titelgebenden US-Militärstation Hollywood Gate und die Namen und Positionen der beiden Hauptpersonen. Im Presseheft steht, dass es Mawlawi Mansour, der neue Chef der afghanischen Luftwaffe, und Muhktar, ein ehemaliger Taliban-Kämpfer, der jetzt eine Karriere im Militär anstrebt, sind. Im Film muss man sich über die neunzig Filmminuten mühsam erschließen, wer wer ist und was seine Aufgabe ist. Ein in der fünfzehnten Filmminute neben einem unscharfen Porträtfoto eingeblendeter Name hilft nur wenig.

Auch über die Schwierigkeiten, mit denen Ibrahim Nash’at vor und während der Dreharbeiten kontrontiert war und über das Leben in Afghanistan unter den Taliban erfahrt man im Presseheft mehr als im Film. So durfte Nash’at, nachdem er Muhktar kennen lernte und sich anschließend nach oben bis zu Mawlawi Mansour durchfragte und deren Erlaubnis erhielt, in der Station Hollywood Gate filmen. Er durfte nicht alles filmen und die Drehgenehmigung konnte ihm jederzeit entzogen werden. Einheimische, die nicht zu den Taliban gehörten, wollten nicht mit ihm reden, weil sie ihn für einen Teil des Regimes hielten.

Ein Jahr lang, vom 31. August 2021, einen Tag nachdem die letzten US-Soldaten Afghanistan verließen, bis zum 31. August 2022 beobachtet Ibrahim Nash’at, wie Taliban in Kabul die US-Miltärbasis Hollywood Gate in Besitz nehmen. In diesen zwölf Monaten wird aus einer Miliz ein Militärregime. Seit 2021 steht Afghanistan im weltweiten Demokratieindex mit Abstand auf dem letzten Platz. Es gibt keine Meinungsfreiheit. Frauen werden unterdrückt (das wird auch in „Hollywoodgate“ gezeigt). Es gibt willkürliche Verhaftungen, Folter und extralegale Tötungen. Wie auch in anderen Diktaturen, zu denen Journalisten keinen Zugang haben.

So faszinierend der Blick in die Welt der Taliban ist, so unbefriedigend und damit auch ärgerlich ist der Film. Neunzig Minuten verfolgt Nash’at Männer, die durch die Gänge einer Militärstation gehen, mal schweigend, mal in ihren Bart kommentierend, was sie sehen, und wie sie an Flugzeugen herumschrauben. Das scheint ihnen besser zu gelingen als das Lösen einfacher Rechenaufgaben.

Der Erkenntnisgewinn ist gering. Schon mit einigen Interviews oder einem Kommentar, der grundlegende Informationen vermittelt hätte, hätte „Hollywoodgate“ ein über die nackte Bebilderung einiger Männer in einer Militärstation hinausgehender Dokumentarfilm werden können.

Hollywoodgate“ hatte seine Premiere 2023 in Venedig. Er lief am 19. Juli 2024 in den USA an, war im Frühling in der Kategorie „Bester Dokumentarfilm“ für den Deutschen Filmpreis nominiert und läuft jetzt, vier Monate nach der Preisverleihung am 9. Mai 2025, im Kino an.

Hollywoodgate – Ein Jahr unter den Taliban (Hollywoodgate, Deutschland/USA 2023)

Regie: Ibrahim Nash’at

Drehbuch (Konzept): Shane Boris, Talal Derki, Ibrahim Nash’at

Länge: 91 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Hollywoodgate“

Moviepilot über „Hollywoodgate“

Metacritic über „Hollywoodgate“

Rotten Tomatoes über „Hollywoodgate“

Wikipedia über „Hollywoodgate“