„Eine Leiche auf Abwegen“, ein Ermittler mit Asperger

Februar 7, 2018

Samuel Hoenig hat Asperger. Deshalb hat er es mit dem zwischenmenschlichen Kontakt nicht so. Aber er kann sich in Probleme vertiefen und dank seiner kleinen Agentur „Fragen Beantworten“ in Piscataway, New Jersey, auch etwas Geld verdienen.

Seine neue Kundin, Sheila McInerney, will wissen wer der Mann ist, der behauptet, ihr Ehemann zu sein. Denn sie kann sich nicht daran erinnern, Oliver ‚Ollie‘ Lewis geheiratet zu haben.

Als kurz darauf Lewis‘ Leiche in Hoenigs Büro liegt, will Hoenig wissen, wer Lewis ermordete.

Bei der Täterjagd helfen ihm seine Sekretärin, Janet Washburn, die alle seine Ticks klaglos erträgt, und seine Mutter, die ihm die normale Welt erklärt und das Abendessen kocht.

Diese Konstellation von genialem Ermittler und nicht so genialen Gehilfen erinnert natürlich an die erfolgreiche TV-Serie „Monk“ mit dem genialen, an einer extremen Zwangsstörung leidendem Ermittler Adrian Monk, der für die Polizei von San Francisco immer wieder Fälle übernimmt. Begeitet wird er zunächst von Sharona Fleming, später von Natalie Teeger. Im Fahrwasser von „Monk“ entstanden in den letzten Jahren zahlreiche Serien, in denen ebenfalls ein genialer Ermittler mit mehr oder weniger vielen Schrullen und Psychosen Fälle aufklärt. Das historische Vorbild ist natürlich das Gespann Sherlock Holmes/Dr. Watson, das seit einigen Jahren ebenfalls wieder sehr erfolgreich ermittelt. Normalerweise werden die Fälle von dem normalbegabten Helfer des genialen Detektivs erzählt.

Das macht Jeff Cohen anders. Bei ihm erzählt Hoenig die Geschichte und er weist immer wieder auf sein Asperger-Syndrom hin. Immer wieder erklärt er, wie wichtig für ihn Regeln sind, wie wenig er den Kontakt zu schmutzigen Dingen (also ungefähr alles, was wir ständig anfassen) mag, wie gut sein Gedächtnis (eine gute Sache bei Telefonnummern) und seine Beobachtungsgabe ist und wie rätselhaft für ihn Gesichtsausdrücke und Redewendungen sind. Kurz: Hoenig ist wie Adrian Monk, nur nicht so extrem zwangsgestört.

Der Fall selbst ist ein konventioneller Rätselkrimi mit vielen Verdächtigen und Identitäten. Denn der ermordete Lewis hat mehrere Scheidungen hinter sich und er verdient sein Geld, indem er älteren Herrschaften Geldanlagen empfiehlt. Diese sind letztendlich ein riesiger Betrug sind, weil er das Geld nicht gewinnbringend anlegt, sondern für andere Dinge benutzt.

Trotz der vielen Mordverdächtigen war für mich schon kurz nach der Buchmitte (um genau zu sein: auf Seite 211) mit dem Bericht des Gerichtsmediziners klar, wer warum den Mord verübte. Es war in dem Moment natürlich nur eine letztendlich zutreffende Vermutung, die ich unter der Bedingung hatte, dass es nur einen Oliver Lewis gibt und er der Tote ist.

Am Ende des Romans blieb für mich allerdings eine wichtige Frage unbeantworet (Warum wurde die Leiche von Lewis in Hoenigs Büro gelegt?) und das Bedauern, dass die Enttarnung des Mörders doch sehr kryptisch, fast schon lieblos präsentiert wird. Da hätte ich gerne eine dieser langen Erklärungen gehabt, in denen der geniale Ermittler allen Beteiligten, Verdächtigen und dem Mörder genau erzählt, wie alles ablief.

So ist „Eine Leiche auf Abwegen“ nur ein vergnüglicher Krimi für Zwischendurch. Flott zu lesen, mäßig witzig und unterhaltsam, ohne einen mit tiefsinnigen Problemen zu belasten.

Hinweis: Im Original erschienen die Hoenig-Romane auch unter Jeffrey Cohens Pseudonym E. J. Copperman, oft mit seinem richtigen Namen auf dem Cover.

Jeff Cohen: Eine Leiche auf Abwegen

(übersetzt von Bernd Stratthaus)

Blanvalet, 2018

384 Seiten

9,99 Euro

Originalausgabe

The Question of the unfamiliar Husband (An Asperger’s Mystery)

Midnight Ink, Woodbury, 2015

Immer noch erhältlich: Der erste Auftritt von Samuel Hoenig

Jeff Cohen: Eine Leiche riskiert Kopf und Kragen

(übersetzt von Bernd Stratthaus

Blanvalet, 2016

384 Seiten

9,99 Euro

Hinweise

Homepage von Jeff Cohen

Blanvalet: Interview mit Jeff Cohen zu „Eine Leiche riskiert Kopf und Kragen“