Wer „Krimi“ mit „der Kommissar ermittelt den Mörder“ übersetzt, muss nicht weiterlesen. Denn in „Veronica Mars: Mörder bleiben nicht zum Frühstück“ ermittelt eine Privatdetektivin und einen Mordfall gibt es auch nicht. Es gibt nur eine vergewaltigte und fast tot geprügelte Frau, die behauptet, sich mehrere Monate nach der Tat an den Täter zu erinnern. Es ist Miguel Ramirez, der inzwischen von der Immigrationsbehörde nach Mexiko abgeschoben wurde und dort untergetaucht ist. Im Auftrag der Versicherungsgesellschaft des Nobelhotels Neptune Grand soll Veronica herausfinden, ob die Behauptung des Opfers, der neunzehnjährigen Grace Elizabeth Manning, stimmt. Veronica kennt ihre Schwester Meg Manning von früher (und wir aus der ersten und zweiten Staffel von „Veronica Mars“).
Natürlich nimmt Veronica Mars den Auftrag an und ebenso natürlich will sie den Täter finden, der nicht Miguel, sondern wahrscheinlich ein Hotelgast ist. Dummerweise gelang es dem Täter, Meg aus dem Hotel zu schmuggeln, ohne von einer der Überwachungskameras aufgenommen zu werden.
Veronica Mars begegneten wir erstmals in der von Rob Thomas erfundenen TV-Serie „Veronica Mars“ (USA 2004 – 2007), die immer noch eine sehr treue Fanbasis hat, die seit dem Ende der Serie nach weiteren Abenteuern von Veronica Mars verlangte. Deshalb entstand 2014 ein Spielfilm, in dem Kristen Bell wieder Veronica Mars spielte und viele Schauspieler wieder in ihren Serienrollen auftraten. Der Film wurde auch per Crowdfunding finanziert und die äußerst erfolgreiche Kampagne zeigte in harten Zahlen, wie sehr die Serienfans auch Jahre nach dem Ende der Serie mehr von Veronica Mars wollen.
Die von Serienerfinder Rob Thomas und Jennifer Graham geschriebenen Veronica-Mars-Romane spielen nach dem Spielfilm und erzählen die weiteren Abenteuer der in dem südkalifornischen Küstenort Neptune groß gewordenen Privatdetektivin, die nach ihrem Studium zurückkehrte und Partnerin in der Detektei ihres Vaters Keith Mars wurde.
Neptune ist als eine durch und durch korrupte Kleinstadt natürlich eine aktuelle Version von Dashiell Hammetts „Rote Ernte“-Ort Personville/Poisonville (bzw. Pissville in der deutschen Übersetzung) und Veronica Mars war in der TV-Serie die Teenie-Version des Hardboiled-Detektiv. Inzwischen ist sie kein auf die Schule gehender Teenager mehr. Aber Neptune ist immer noch ein Ort des Verbrechens und viele ihrer alten Schulfreunde, die mehr oder weniger große Auftritte in der TV-Serie hatten, leben noch in Neptune.
Diese umfangreiche Serienhistorie führt dann auch dazu, dass „Mörder bleiben nicht zum Frühstück“, der zweite Veronica-Mars-Roman, für meinen Geschmack etwas zu sehr mit Hinweisen auf die TV-Serie gefüttert ist. Natürlich begegnet Veronica ständig alten Bekannten, die auch immer wieder in Verbrechen verwickelt sind. Natürlich erinnert sie sich an ihre mehr oder weniger gemeinsame Vergangenheit und ihre damit zusammenhängenden alten Fälle. Das geschieht eher beiläufig in Nebensätzen und weckt bei allen, die die Serie gesehen haben, wohlige Erinnerungen. Aber Rob Thomas und Jennifer Graham schleppen hier mehr Ballast mit, als wir es von anderen Privatdetektiv-Krimis kennen. Ich rede jetzt nicht von dem Continental Op oder Philip Marlowe, die anscheinend keine Familie, Verwandschaft und Freunde hatten. Auch Spenser oder Matt Scudder haben als Einzelgänger ein überschaubares soziales Umfeld. Veronica hat Familie, Freunde, Freundinnen, Bekannte und, als altbekannten Gegner, Sheriff Lamb. Wobei dieser, weil gerade Wahlkampf ist, plötzlich eine aussichtsreiche Gegenkandidatin hat, die Keith Mars aus seiner Jugend kennt.
Das gesagt, ist „Mörder bleiben nicht zum Frühstück“ ein kurzweiliger PI-Krimi, der auch Krimifans gefallen dürfte, die die Serie nicht kennen.
Den Serienfans dürfte er auch gerade wegen der Referenzen zur Serie gefallen.
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Rob Thomas/Jennifer Graham: Veronica Mars: Mörder bleiben nicht zum Frühstück
(übersetzt von Sandra Knuffinke und Jessika Komina)
script5, 2015
368 Seiten
14,95 Euro
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Originalausgabe
Mr. Kiss and Tell
Vintage Books, 2015
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Hinweise
Facebook-Seite zu den Veronica-Mars-Romanen
Word & Film: Kurzes Interview mit Jennifer Graham (25. März 2014)
PopBytes: Längeres Interview mit Jennifer Graham (31. März 2014)
Thrilling Detective über Veronica Mars
Englische Veronica-Mars-Fanseite
Meine Besprechung von Rob Thomas’ „Veronica Mars“ (Veronica Mars, USA 2014)
Meine Besprechung von Rob Thomas’ „Veronica Mars“ (Veronica Mars, USA 2014) (DVD-Besprechung)

Veröffentlicht von AxelB 