Neu im Kino/Filmkritik: Kuckuck! Russell Crowe ist „The Pope’s Exorcist“

April 6, 2023

Pater Gabriele Amorth ist nicht irgendein Exorzist, sondern „The Pope’s Exorcist“; also der Exorzist des Papstes. Er war, im Gegensatz zu den normalen Film-Exorzisten, ein wirklicher Exorzist, der Yoga und das Lesen der Harry-Potter-Bücher für satanisch hielt.

Der Norditaliener lebte von 1925 bis 2016. Seit 1986 war er der Exorzist der Diözese Rom. Später war er mehrere Jahre der Präsident der Internationalen Vereinigung der Exorzisten. Nach eigenen Angaben führte er 50.000 (das sagt er 2000), 70.000 (das sagte er 2010) oder 160.000 (das sagte er 2013) erfolgreiche Teufelsaustreibungen durch. Oder, anders gesagt: ungefähr zu jeder Mahlzeit praktizierte er mindestens einen Exorzismus.

Und er schrieb darüber erfolgreiche Bücher. Wie Ed und Lorraine Warren, die als Geisterjäger und -austreiber in den USA vor allem in den Siebzigern ihre bekanntesten Fälle hatten. Seit 2013 wurden ihre Fälle in den gelungenen, sich an ihre Aufzeichnungen haltenden bislang drei „The Conjuring“-Filmen nacherzählt.

Diesen Weg, nämlich einen ‚wahren‘ Fall stilbewusst zu erzählen, wählten die Macher von „The Pope’s Exorcist“ nicht. Regisseur Julius Avery und die Drehbuchautoren Michael Petroni und Evan Spiliotopoulos erzählen eine erfundene Geschichte, die um ein, zwei Fakten und Statements aus Pater Gabriele Amorths Leben ergänzt wird. Jedenfalls wirkt Amroths Hauptfall mit seiner Erklärung über das Wesen des Dämons wie die Erfindung eines Drehbuchautoren, der sich von einem trashigen Verschwörungsthriller über die katholische Kirche und deren teuflisches Treiben durch die Jahrhunderte inspirieren ließ.

Amorth wird im Juli 1987 von Rom nach Spanien zur in Kastilien liegenden Abtei St. Sebastian geschickt. Er soll herausfinden, ob der zwölfjährige Henry besessen ist. Der Junge ist mit seiner älteren Schwester und seiner Mutter vor kurzem dort angekommen. Henrys Mutter möchte das Anwesen renovieren und gewinnbringend verkaufen. Es handelt sich dabei um ihre gesamte Erbschaft.

Kaum ist Amorth in der baufälligen Abtei angekommen, stellt er fest, dass er gegen Satan höchstpersönlich kämpfen muss. Dabei soll ihm der junge Gemeindegeistliche Vater Esquibel helfen.

The Pope’s Exorzist“ ist einfach der vorhersehbare Exorzismus-Film der Saison. So wird aus Pater Gabriele Amorths Leben, das durchaus den Stoff für einen gelungenen Film hergegeben hätte, nichts gemacht. Stattdessen wird einfach noch einmal die sattsam bekannte Exorzismus-Geschichte erzählt, als ginge es um Malen nach Zahlen. Und diese Geschichte kümmert sich erstaunlich wenig um irgendeine Form von Logik. Das ist augenfällig, wenn Amorth mehr über den Dämon und die Geschichte der Abtei herausfindet und wie er dabei vorgeht. Da warnt er zuerst vor Gefahren. Und tut Sekunden später alles, um genau diese Gefahren wieder herauf zu beschwören, während der Dämon alle paar Minuten einen Menschen gegen die nächste Wand schleudert und der von ihm besessene Henry mit teuflischen Stimmen spricht.

Operation: Overlord“-Regisseur Julius Avery erzählt dies vor allem in dunklen Räumen, mit etwas Sünde (vulgo Sex) und ziemlich viel spritzendem Blut. Er ist dabei mehr an Oberflächenreizen als an etwaigen thematischen Vertiefungen interessiert.

Russell Crowe hatte bei diesem Budenzauber offensichtlich seinen Spaß. Mit großer Geste, dem pathetischen Ernst einer Shakespeare-Aufführung und einem „Ich kann das auch alles nicht glauben“-Blick tritt er mit ausgebreiteten Armen gegen den Teufel an, der nach Amorths Meinung ein humorloser Geselle ist. Deshalb gibt es Witzeleien und lateinische Sprüche.

Dazu gibt es, in der Originalfassung, durchgehend ein für einen US-Film erstaunliches Sprachgemisch aus Italienisch, Spanisch, Englisch und Latein. In den ersten Minuten wird bis auf ein, zwei Sätze nur italienisch gesprochen. Auch Russell Crowe, der als Amorth in Tropea, einem Dorf in Kalabrien, zu einem Exorzismus gerufen wurde, redet italienisch.

Am Ende bleibt nach hundert Minuten Teufelsaustreibung nur der übliche Exorzismus-Quark, mit dem Katholiken sich immer herumschlagen müssen, und Russell Crowe beseelt eine Lambretta Scooter durch Rom und Spanien fahrend.

The Pope’s Exorcist (The Pope’s Exorcist, USA 2023)

Regie: Julius Avery

Drehbuch: Michael Petroni, Evan Spiliotopoulos (nach einer Geschichte von Michael Petronik R. Dean McCreary, Chester Hastings)

LV: Pater Gabriele Amorth: Un esorcista racconta, 1990 (Ein Exorzist erzählt); Nuovi racconti di un esorcista, 1992 (Neue Berichte eines Exorzisten)

mit Russell Crowe, Daniel Zovatto, Alex Essoe, Franco Nero, Peter DeSouza-Feighoney, Laurel Marsden, Cornell John

Länge: 104 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „The Pope’s Exorcist“

Rotten Tomatoes über „The Pope’s Exorcist“

Wikipedia über „The Pope’s Exorcist“

Meine Besprechung von Julius Averys „Operation: Overlord“ (Overlord, USA 2018)


Neu im Kino/Filmkritik: „Operation: Overlord“: tapfere US-Soldaten, ein verrückter Nazi-Wissenschaflter und ganz viele Nazi-Zombiesoldaten

November 9, 2018

Zweiter Weltkrieg, wenige Stunden vor dem D-Day: eine Einheit von US-Soldaten soll in einem französischen Dorf eine in einer Festung liegende Funkanlage zerstören. Dieser schon schwierige Auftrag wird zu einer Selbstmordmission, als sie feststellen, dass die Nazis in der Festung mit Menschen experimentieren. SS-Offizier Wafner will unzerstörbare, hemmungslose und kampfgierigie Soldaten für das tausendjährige Reich züchten.

Die tapferen US-Soldaten beschließen, obwohl sie zahlenmäßig hoffnungslos unterlegen sind, ihren Auftrag etwas zu erweitern. Zusammen mit einer Dorfbewohnerin stürmen sie die Festung.

Und weil die Besetzung aus unbekannten Schauspielern besteht, ist auch etwas unklar, wer das Schlachtfest mit viel Blut, Gore und Splatter überlebt.

Es ist allerdings auch ein Schlachtfest, das nur aus diesen Oberflächenreizen besteht. Jedenfalls in der zweiten Hälfte, wenn aus dem Kriegsfilm ein Horrorfilm wird. Bis dahin nimmt sich Regisseur Julius Avery („Son of a Gun“) viel Zeit, die Charaktere vorzustellen. Aber über sattsam bekannte Klischees kommen sie nicht heraus. Das gilt für die Soldaten, die Dorfbevölkerung (die eigentlich nur aus einer Französin, ihrem Sohn und ihrer röchelnden Mutter besteht), die Nazi-Soldaten und Wafner, der seinen großen Auftritt erst später hat. Durch einen Selbstversuch mutiert er endgültig zum Mad Scientist.

Letztendlich ist „Operation: Overlord“ ein sich zu ernst nehmendes Exploitation-B-Picture, das munter in Kriegsfilmklischees und Klischees über böse Nazis badet und die Idee der von den Nazis durchgeführten Menschenexperimente munter zu einer Zombie-Armee weiterspinnt. Das ist dann ziemlich blutig, aber auch ziemlich sinnfrei.

Operation: Overlord (Overlord, USA 2018)

Regie: Julius Avery

Drehbuch: Billy Ray, Mark L. Smith (nach einer Geschichte von Billy Ray)

mit Jovan Adepo, Wyatt Russell, Pilou Asbaek, Mathilde Ollivier, John Magaro, Iain de Caestrecker, Dominic Applewhite

Länge: 110 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Facebook-Seite zum Film

Moviepilot über „Operation: Overlord“

Metacritic über „Operation: Overlord“

Rotten Tomatoes über „Operation: Overlord“

Wikipedia über „Operation: Overlord