Neu im Kino/Filmkritik: Über Kornél Mundruczós Dystopie „Jupiter’s Moon“

November 26, 2018

Ein Superheldenfilm aus Ungarn? Warum nicht? Und dann noch gedreht mit einem Budget, das bei einem Marvel-Film gerade die Portoausgaben deckt. Das klingt interessant und natürlich muss ein Superheldenfilm kein überbordendes Trickfeuerwerk sein. Schließlich richtet „Jupiter’s Moon“ sich nicht unbedingt an Teenager. Und bei einem Science-Fiction-Film geht es letztendlich immer um die Idee und wie sie ausformuliert wird. Siehe beispielsweise „Moon“ oder „Ex Machina“.

Dummerweise versagt „Jupiter’s Moon“ nach einem verheißungsvollen Anfang in diesem Punkt vollständig.

Es beginnt an der serbisch-ungarischen Grenze. Eine Gruppe Flüchtlinge will illegal über die Grenze nach Ungarn. Sie werden entdeckt, verfolgt und ein Polizist erschießt einen der Flüchtlinge. Aber der Syrer Aryan ist nicht tot. Er überlebt die tödlichen Schüsse, schwebt Richtung Himmel, dreht sich mehrmals ungläubig staunend um die eigene Achse, kehrt auf die Erde zurück und lebt weiter. Zunächst in einem Auffanglager für Flüchtlinge.

Dort entdeckt ihn der korrupte Arzt Dr. Stern, der dringend Geld benötigt. Er befreit Aryan. Denn er sieht in Aryans Fähigkeit, sich selbst zu heilen, eine Möglichkeit schnell an viel Geld zu kommen.

Als bitterer, durchaus satirisch zugespitzter Blick auf den Umgang Ungarns mit Flüchtlingen und wie ein Flüchtling aus egoistischen Motiven von einem Einheimischen als Goldesel benutzt wird, könnte „Jupiter’s Moon“ sehr gut funktionieren. Diese Beschreibung ist intensiv und gelungen.

In dem Rahmen wäre auch der Actionplot – der Polizist, der Aryan an der Grenze erschoss, sucht ihn jetzt – akzeptabel.

Aber dann ist da noch die Superheldengeschichte, die nur ein ärgerlicher Gimmick ist, um Interesse am Film zu wecken. Aryan ist als „Engel oder ein noch höheres Wesen“ (Presseheft) von der ersten bis zur letzten Minute passiv. Seine Fähigkeiten werden nicht erklärt. Es ist auch unklar, für was Aryan steht oder was er für sich mit seiner Fähigkeit anfangen kann oder will. Anstatt eines klaren erzählerischen Fokus, einer Erklärung für Aryans Fähigkeiten und einer thematischen Geschlossenheit bietet Regisseur Kornél Mundroczò nach über zwei Stunden Filmzeit nur ein frustrierendes Potpourri an Möglichkeiten.

Sein vorheriger Film „Underdog“ (TV-Titel „Weißer Gott“) ist als dystopische Parabel ungleich gelungener.

Auf der technischen Ebene beeindrucken, von den ersten Minuten an, die vielen langen Plansequenzen. Hier hat Kameramann Marcell Rév erstaunliches geleistet. Zu seinen anderen Werken gehören „Assassination Nation“ und „Underdog“.

Die Szenen, in denen Aryan schwebt, sind in ihrer Mischung aus Effektivität und Einfachheit beeindruckend. Letztendlich sind sie eine Mischung aus Doppelbelichtung und frei schwebender, sich drehender Kamera. Das ist nichts, was es nicht schon seit über hundert Jahren gibt, aber das Gefühl der Desorientierung ist vorhanden.

Nur: Wer sieht sich schon Filme wegen der Kameraarbeit an?

Jupiter’s Moon (Jupiter’s Moon, Ungarn 2017)

Regie: Kornél Mundruczó

Drehbuch: Kata Wéber

mit Merab Ninidze, Zsombor Jéger, György Cserhalmi, Móni Balsai, András Bálint, Farid Larbi, Máté Mészáros

Länge: 129 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Moviepilot über „Jupiter’s Moon“

Metacritic über „Jupiter’s Moon“

Rotten Tomatoes über „Jupiter’s Moon“

Wikipedia über „Jupiter’s Moon“

Meine Besprechung von Kornel Mundruczos „Underdog“ (TV-Titel: Weißer Gott) (Fehér isten, Ungarn 2014)


TV-Tipp für den 15. Mai: Weißer Gott (aka „Underdog“)

Mai 15, 2017

Arte, 22.10

Weißer Gott (Fehér isten, Ungarn 2014)

Regie: Kornel Mundruczo

Buch: Kata Weber, Kornel Mundruczo, Viktoria Petranyi

TV-Premiere der eindrücklichen Dystopie und Politparabel über eine Gesellschaft, die nur reinrassige Hunde duldet. Deshalb muss die dreizehnjährige Lili ihren von ihr abgöttisch geliebten Mischlingshund Hagen aussetzen. Die Leidensgeschichte von Hagen beginnt. Komel Mundruczos „Weißer Gott“ (bzw. „Underdog“) spielt in Budapest und er ist eine kaum verhülltes Gesellschaftsporträt.

Alle Hundeszenen entstanden mit echten Hunden und ohne CGI.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Zsófia Psotta, Sándor Zsótér, Lili Horváth, Szabolcs Thuróczy, Lili Monori

auch bekannt als „Underdog“ (Kinotitel)

Hinweise
Homepage zum Film
Film-Zeit über „Underdog“
Moviepilot über „Underdog“
Metacritic über „Underdog“
Rotten Tomatoes über „Underdog“
Wikipedia über „Underdog“

Meine Besprechung von Kornel Mundruczos „Underdog“ (Fehér isten, Ungarn 2014)


Neu im Kino/Filmkritik: „Underdog“, der etwas andere Tierfilm

Juni 27, 2015

Als „Underdog“ 2014 in Cannes lief, waren die Juroren so begeistert, dass sie spontan die Hunde-Palme auslobten. Denn die Leistung der insgesamt 250 Hunde ist beeindruckend, vor allem in den Massenszenen, die durch das koordinierte Vorgehen der Hunde noch erschreckender wirken und etwas an das Vorgehen der Affen in den verschiedenen „Planet der Affen“-Filme erinnern. Aber dort sind es Menschen in Affenmasken oder Menschen im Motion-Capture-Verfahren und damit ein Fest für die Maskenbildner und Tricktechniker. In „Underdog“ durften sich Tiertrainer und Tiere austoben – und wir fühlen mit den Tieren.
Im Mittelpunkt steht Hagen, ein Mischlingshund. Um den vielen Hunden Herr zu werden, hatte die ungarische Regierung ein Gesetz beschlossen, nach dem Mischlinge mit einer hohen Steuer belegt werden. Für reinrassige Hunde muss dagegen keine Steuer entrichtet werden. Die Folge: viele Besitzer setzen ihre Hunde aus. Denn niemand will einen Bastard haben. Aber die dreizehnjänrige Lili liebt ihren Hund abgöttisch.
Nach einigem Ärger mit den Nachbarn und der Obrigkeit setzt ihr Vater Hagen mitten in der Stadt aus. Lili, die den Sommer bei ihrem Vater verbringen soll, beginnt Hagen auf eigene Faust zu suchen.
Zur gleichen Zeit verfolgen wir Hagen, der bislang behütet bei Lili und ihrer Mutter lebte. Jetzt muss er sich allein in Budapest durchschlagen. Er sucht Essen. Er weiß nicht, wem er vertrauen kann. Er freundet sich mit anderen Hunden an, die eine eigene Gesellschaft gegründet haben. Sie werden von Hundejägern verfolgt, die für jeden gefangenen herrenlosen Hund eine Prämie kassieren. Sie werden für Hundekämpfe abgerichtet und in Tierheimen gequält und getötet. Denn ein Mischling ist kein vollwertiger Hund.
Während die Ungarn in Kornel Mundruczos Film „Underdog“, der die Realität zuspitzt, leicht eine Parabel auf ihre Gesellschaft und ihr Verhalten gegenüber Minderheiten, wie Roma, Juden und Ausländern, sehen, sehen wir einen spannenden, leicht dystopischen Tierthriller, der mit einer eindrucksvollen Leistung der Tiertrainer aufwarten kann. Das gilt vor allem für die Massenszenen, wenn die gefangenen Mischlinge koordiniert ausbrechen und durch die leeren Straßen Budapests laufen, oder sie vor ihren Häschern fliehen, aber auch für die Szenen mit weniger Hunden. Dagegen ist ein CGI-bearbeiteter Affenaufstand eine langweilige Angelegenheit.

Underdog - Plakat

Underdog (Fehér isten, Ungarn 2014)
Regie: Kornel Mundruczo
Buch: Kata Weber, Kornel Mundruczo, Viktoria Petranyi
mit Zsófia Psotta, Sándor Zsótér, Lili Horváth, Szabolcs Thuróczy, Lili Monori
Länge: 121 Min
FSK: 12 Jahre

Hinweise
Homepage zum Film
Film-Zeit über „Underdog“
Moviepilot über „Underdog“
Metacritic über „Underdog“
Rotten Tomatoes über „Underdog“
Wikipedia über „Underdog“