Hier setzte ich die Spoilerwarnung vor die gelungenen Trailer, weil in dem einem Trailer mehr, in dem anderen Trailer weniger der große Twist des Films, der im Film nach ungefähr einem Drittel verraten wird, eigentlich verraten wird.
Am Filmanfang sagt Iris, es gebe zwei glückliche Tage in ihrem Leben. Der erste war, als sie ihren Mann Josh kennen lernte. Der zweite, als sie ihn umbrachte. Zwischen diesen beiden Tagen verging nicht viel Zeit.
Die im Umgang mit anderen Menschen etwas seltsame Iris (Sophie Thatcher) verbringt mit ihrem sie beschützenden Freund Josh (Jack Quaid) und einigen seiner Freunde ein Wochenende in dem großen, einsam an einem See gelegenem Anwesen von Sergey. Als Sergey sich ihr unsittlich nähert, wehrt sie sich und Sergey verblutet am See. Josh und seine Freunde reagieren etwas seltsam auf die Tat – und schon beginnt in der Hütte und im Wald ein blutiges Spiel von jagen, gejagt werden und sterben. Meistens brutal, blutig und schwarzhumorig.
In Drew Hancocks schwarzhumorigem Spielfilmdebüt „Companion – Die perfekte Begletung“, einer gelungenen Mischung aus Noir, Kriminal-, Science-Fiction- und Horrorfilm, ist die kurze Laufzeit ein Vorteil. Sie ist mit neunzig Minuten lang genug für etliche Verwicklungen und Wendungen, aber kurz genug, um beim Anschauen lästige Nachfragen zur Logik der Geschichte zu vermeiden.
Und weil jedes weitere Wort zu viel von dieser Geschichte verraten würde, sage ich einfach nur, dass es nicht perfekte, aber spaßige neunzig Minuten sind. Einige Wendungen ergeben sich weniger aus der Geschichte und mehr aus dem Wunsch des Drehbuchautors nach der nächsten überraschenden Wendung und Pointe. Blut spritzt in rauen Mengen. Es wird gerne fotogen über die Kleidung verteilt. Die in Großaufnahmen gezeigten Wunden sind oft grotesk groß. Und wer tot ist, ist wirklich tot.
Oh, und ich hoffe, dass die Szene, in der Iris in der Originalfassung mit einem Provinzpolizisten deutsch redet, in eine andere Sprache synchronisiert wurde. Die Szene ist nämlich köstlich.
Companion – Die perfekte Begleitung (Companion, USA 2025)
Regie: Drew Hancock
Drehbuch: Drew Hancock
mit Sophie Thatcher, Jack Quaid, Lukas Gage, Megan Suri, Harvey Guillén, Rupert Friend
Parker Finn hatte bei seinem Langfilmdebüt eine grandiose Idee: das Böse zeigte sich in Gesichtern, die starr lachende Fratze waren. Das Bild, vor allem so wie Finn es präsentierte, war höchst beunruhigend.
Mit seinem Horrorfilm „Smile“ demonstrierte er ein beachtliches, auch in „Smile 2“ sichtbares inszenatorisches Talent und beunruhigte über weite Strecken sehr gelungen. Erst im Finale wurden die üblichen Horror-Topoi in der üblichen Form benutzt. Das war dann ziemlich langweilig.
Dessen ungeachtet wurder der Film ein Erfolg. Eine Fortsetzung – auch wenn ich sie nach dem Finale von „Smile“ für überflüssig hielt – war schnell beschlossen. Und Finn, der auch das Drehbuch geschrieben hatte, sagte, er habe Ideen für ein ganzes Franchise. Mit „Smile 2 – Siehst Du es auch?“ ist jetzt der zweite „Smile“-Film im Kino. Aus dem ersten Film ist wieder Kyle Gallner als Polizist Joel dabei. Er stirbt nach wenigen Minuten und vor der Titeleinblendung in einer von ihm atemberaubend schlecht geplanten Schießerei in einem leerstehendem Vorstadthaus, das von zwei weißen Drogenhändlern für ihr Geschäft benutzt wird. Diese Szene mit ihren vielen Toten hat mit dem darauf folgendem über zweistündigem Film nichts zu tun.
In ihm geht es um die erfolgreiche junge Pop-Musikerin Skye Riley (Naomi Scott), deren neue Tour in wenigen Tagen beginnt. Als sie bei ihrem Drogenhändler – einem Schulfreund, der in Manhattan in einem großen und eigentlich noblem Apartment wohnt (es ist halt nicht aufgeräumt) – einige Tabletten kaufen will, bringt er sich vor ihren Augen um. Und der „Smile“-Fluch überträgt sich auf sie und ihr einen wenig berührender Abstieg in den Wahnsinn beginnt. In dem Moment ist bereits die erste halbe Stunde vorbei. Ungefähr eine Stunde später erklärt ihr ein Sanitäter, der ihr helfen möchte, in einem Infodump alles über den „Smile“-Fluch. Wer „Smile“ oder den Trailer gesehen hat, kennt ihn: der „Smile“-Fluch überträgt sich von einem Menschen zum nächsten, indem der Träger des Fluches vor einem anderen Menschen Suizid begeht. Der neue Träger des Fluches wird innerhalb weniger Tage zunehmend verrückt. Er sieht gruselig grinsende Gesichter und kann immer weniger zwischen Wahn und Wirklichkeit unterscheiden.
Diese Gesichter, ihr Auftauchen und Verhalten inszeniert Finn mittels weitgehend vorhersehbarer Jump-Scares, die sich darauf verlassen, dass der geneigte Zuschauer ordentlich zusammenzuckt, wenn die Stille von einem plötzlichen lauten Geräusch unterbrochen wird.
Die Story selbst leidet zuerst einmal an ihrem schleppendem Erzähltempo. So dauert es eine halbe Stunde, bis die Geschichte beginnt. Davor plätschert der Film vor sich hin, ohne dass wirklich erkennbar ist, wer die Protagonistin ist. Diese, die Pop-Musikerin Skye, bleibt durchgehend eine nervige Kunstfigur ohne ein interessantes Innenleben; – was auch daran liegt, dass das bei der Wahl dieser Protagonistin auf der Hand liegende Thema und der damit verbundene Konflikt, nämlich der Zwiespalt zwischen einem auf Äußerlichkeiten, Freundlichkeit und Oberflächlichkeit bedachtem fehlerfreiem Leben als Pop-Star und der eigenen Psyche, die etwas anderes möchte, nicht konsequent behandelt wird. Stattdessen taucht immer wieder eine Grinse-Fratze in Skyes Fantasie auf. Diese Gesichter beunruhigen deutlicher weniger als im ersten Film. Eher sehen sie wie edel arrangierte Fotografien für eine Werbekampagne aus.
Wie sehr „Smile 2“ da noch nicht einmal an der Oberfläche kratzt, wird bei einem Vergleich mit „The Substance“ deutlich. In ihrem vor wenigen Wochen gestartetem fantastischen Body-Horrorfilm seziert Coralie Fargeat diesen Gegensatz zwischen glamourösem Schein und desaströsem Sein auf jeder Ebene besser. „The Substance“ fesselt und beunruhigt nachhaltig ohne einen einzigen Jump-Scare. „Smile 2“ braucht die Jump-Scares, um die Aufmerksamkeit des Publikums aufrecht zu erhalten.
In „Smile 2“ ist das Pop-Musikgeschäft nur der Hintergrund, der es Finn ermöglicht, Hauptdarstellerin Naomi Scott mehrmals singen und, teils auf einer größeren Konzertbühne, tanzen zu lassen. Immerhin unterbricht die Musik die Geschichte seltener als in „Joker: Folie à Deux“. Besser sind die Songs nicht. Sie sind für den Film geschriebene handelsübliche Pop-Nummern, die einen eh schon zu langen, verpasste Möglichkeiten an verpasste Chancen reihenden Film locker über die Zwei-Stunden-Schwelle hieven.
Smile 2 – Siehst Du es auch? (Smile 2, USA 2024)
Regie: Parker Finn
Drehbuch: Parker Finn
mit Naomi Scott, Rosemarie DeWitt, Kyle Gallner, Lukas Gage, Miles Gutierrez-Riley, Peter Jacobson, Raúl Castillo, Dylan Gelula, Ray Nicholson, Drew Barrymore (Cameo als sie selbst)
Während im großen Kinosaal Roboter Autos verkloppen und ‚Familie‘ beschworen wird, während Autos geschrottet werden, gibt es in den kleineren Kinosälen einiges zu entdecken. Und, wenn es interessiert: in diesen Filmen wird kein Auto geschädigt.
„How to blow up a Pipeline“ ist kein filmischer „Wie geht das?“-Ratgeber über das Zerstören von Pipelines. Obwohl Daniel Goldhaber in seinem spannenden Thriller ziemlich detailliert die Vorbereitung für einen solchen Anschlag zeigt.
In West Texas treffen sich mitten in der menschenleeren Einöde einige Menschen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Trotzdem haben sie sich für dieses Treffen verabretet. Sie wollen nämlich die nahe gelegene Ölpipeline zerstören und so das Unternehmen schädigen.
In Rückblenden erzählt Goldhaber warum sie diesen terroristischen Akt verüben wollen und wie sie sich fanden. Denn sie leben verstreut über die USA, sind verschieden alt und haben teilweise konträre politische Ansichten. Normalerweise wären diese Feierabendterroristen sich niemals begegnet. Durch die Rückblenden wird auch nachvollziehbar, warum sie nicht weiter friedlich protestieren oder ihr Schicksal klaglos ertragen wollen. Sie wollen die Ölfirma und den Kapitalismus bestrafen. Sie wollen ein Zeichen setzen.
Als Krimifan hat mir gefallen, dass hier die Täter nicht nur ihre Tat, sondern auch ihre Flucht akribisch planten. Das ist nämlich der Punkt, an dem die meisten perfekten Verbrechen schief gehen.
How to blow up a Pipeline (How to blow up a Pipeline, USA 2022)
Regie: Daniel Goldhaber
Drehbuch: Ariela Barer, Jordan Sjol, Daniel Goldhaber
LV (Inspiration): Andreas Malm: How to blow up a Pipeline: Learning to Fight in a World on Fire,, 2021 (Wie man eine Pipeline in die Luft jagt: Kämpfen lernen in einer Welt in Flammen)
mit Ariela Barer, Kristine Froseth, Lukas Gage, Forrest Goodluck, Sasha Lane, Jayme Lawson, Marcus Scribner, Jake Weary, Irene Bedard
Wikipedia über „How to blow up a Pipeline“ (deutsch, englisch)
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In „Medusa Deluxe“ wird während eines regionalen Hairdresser-Wettbewerbs einer der Teilnehmer ermordet. Die anderen am Wettbewerb teilnehmden Hairstylist*innen müssen jetzt am Tatort warten, bis ihre Aussagen aufgenommen wurden. Bis dahin bewegen sie sich durch das weitläufige Gebäude und spekulieren in wechselnden Gruppen darüber, wer der Mörder, der sich noch im Haus befindet, ist.
Regisseur Tom Hardiman inszenierte sein Spielfilmdebüt quasi als One-Take. Genaugenommen wurde der Film an acht Tagen gedreht und er sieht jetzt aus, als sei er ohne einen Schnitt gedreht worden. Schwerelos bewegt die Kamera sich durch die Gänge, geht von Raum zu Raum. Einige Personen begleitet sie länger. Die Polizei ist währenddessen seltsam abwesend.
Der Ton ist immer klar verständlich. Nebengeräusche gibt es kaum. Radios und Fernseher sind ausgeschaltet. Und die Damen reden hintereinander. Erregt zwar, aber sie lassen die andere Hairstylistin ausreden. Dieser Verzicht auf überlappende Dialoge trägt zur irrealen Atmosphäre des Films ein.
Für den Kriminalfall interessiert Hardiman sich nicht weiter. Der ist für ihn nur der schnell unwichtig werdende Red Herring, der die Zuschauer auf seinen Film aufmerksam macht. Der Film selbt ist dann eine Liebeserklärung an nicht dem Hollywood-Schönheitsideal entsprechende Frauen, die auch gut in einem Rosa-von-Praunheim-Film passen würden.
Dieses von Hardiman im Film versammelte, äußerst farbige Ensemble exzentrischer, fast ununterbrochen plappernder Hairstylist*innen mit ihren die Blicke auf sich ziehenden Frisuren und sein Wagemut, den Film ohne einen erkennbaren Schnitt zu inszenieren, ist dann definitiv einen Blick wert.
In jedem Fall weckt „Medusa Deluxe“ die Neugierde auf seinen nächsten Film. Dann gerne mit einem besseren Drehbuch.
Medusa Deluxe(Medusa Deluxe, Großbritannien 2022)
Regie: Tom Hardiman
Drehbuch: Tom Hardiman
mit Anita-Joy Uwajeh, Clare Perkins, Darrell D’Silva, Debris Stevenson, Harriet Webb, Heider Ali, Kae Alexander, Kayla Meikle, Lilit Lesser, Luke Pasqualino, Nicholas Karimi
In „Nostalgia“ kehrt Felice Lasco (Pierfancesco Favino) nach vierzig Jahren zurück nach Neapel. Er streift durch das Viertel, in dem er aufwuchs und das er als Fünfzehnjähriger überstürzt verließ. Er kümmert sich um seine kränkelnde Mutter. Er trifft andere Menschen, schwelgt in Erinnerungen und er möchte auch seinen damaligen besten Freund Oreste wieder treffen. Dieser ist inzwischen ein gefürchteter Camorra-Boss. Von diesem Gespräch erhofft er sich eine Form von Vergebung für die Sünden seiner Jugend. Immerhin spielt das melancholische Drama im katholischen Italien und Felice trifft sich regelmäßig mit einem in seiner Gemeinde respektierten Pfarrer, der versucht den Menschen eine Perspektive abseits des Lebens als Krimineller zu geben.
Viel passiert nicht in Mario Martones neuem Film. Er verlässt sich ganz auf seinen grandiosen Hauptdarsteller Pierfrancesco Favino („Il Traditore“, „Suburra“), der dem von ihm gespielten Felice eine große Tiefe verleiht. Er überspielt die an einigen wichtigen Punkten unklare Motivation von Felice. So ist vollkommen unklar, warum er gerade jetzt in seine Geburtsstadt zurückkehrt. Noch unklarer ist, warum der inzwischen als erfolgreicher Unternehmer in Kairo lebende, glücklich verheiratete Felice sich eine monatelange Auszeit von seiner Arbeit nimmt und allein durch Neapel streift. Das Ende ist dann im Rahmen eines Gangsterfilms durchaus vorhersehbar, aber auch unbefriedigend.
Dank Favino und der atmosphärischen Kamera von Paolo Carnera („Bad Tales – Es war einmal ein Traum“, „Suburra“) gelingt Martone ein stark gespieltes, konzentriert inszeniertes Stück über Erinnerungen und den aus der Vergangenheit erwachsenden echten und gefühlten Verpflichtungen.
Nostalgia (Nostalgia, Italien/Frankreich 2022)
Regie: Mario Martone
Drehbuch: Mario Martone, Ippolita di Majo
LV: Ermanno Rea: Nostalgia, 2018 (Nostalgia)
mit Pierfrancesco Favino, Francesco Di Leva, Tomasso Ragno, Sofia Essaidi, Aurora Quattrocchi, Nello Mascia
Auch in „The Adults“ kehrt der Protagonist nach längerer Zeit in seine Heimatstadt zurück. Eric will eigentlich nur kurz bei einem alten Freund und seinen beiden Schwestern Rachel und Maggie vorbeischauen und sich so schnell wie möglich wieder auf den Weg machen. Aber die Aussicht auf ein größeres Pokerspiel verzögert seine Abreise aus der Kleinstadt.
Diese Pokerrunden interessieren den spielsüchtigen Eric dann auch mehr als seine beiden Schwestern und, der Grund für seinen Besuch, das Baby seines damals besten Freundes.
In seinem Indie-Drama vermisst Dustin Guy Defa familiäre Dynamiken als ruhige Charakterstudie. Es passiert wenig zwischen diesen Geschwistern, die früher immer zusammen waren, die sich jetzt auseinandergelebt haben und nicht wissen, wie sie miteinander umgehen sollen.
Mich ließ dieses Independent-Drama, im Gegensatz zu den vorher besprochenen Filmen, reichlich desinteressiert zurück.