You miss a very big aspect of the human experience if you take yourself too seriously.
Yorgos Lanthimos
Yorgos Lanthimos‘ neuer Film, wieder mit Emma Stone, dürfte die Fans von „Poor Things“ nachhaltig irritieren und verstören. „Kinds of Kindness“ knüpft da eher an seinen von mir nicht gemochten „The Killing of a sacred Deer“ an.
In seiner neuen, fast dreistündigen Satire erzählt er hintereinander drei nur sehr, sehr lose, fast überhaupt nicht miteinander verbundene Geschichten. In der ersten Geschichte „The Death of R. M. F.“ tut ein offensichtlich hochrangiger Büroangestellter alles für seinen Chef. Robert lässt sich Tag und Nacht von Raymond kontrollieren, berichtet ihm über alles, auch seinen Stuhlgang und sein Sexleben, und tut alles, was sein Vorgesetzter von ihm möchte. Dabei erstrecken sich Raymonds teils bizarren Wünsche und Forderungen auch und vor allem auf sein Privatleben.
Als Robert einen tödlichen Unfall, bei dem R. M. F., der Fahrer des anderen Autos, sterben soll, nicht ausführen kann, entzieht Raymond ihm seine Gunst und alle Privilegien, wozu auch seine Wohnung und seine Frau (frag nicht, lange Geschichte) gehören. Robert will wieder seine alte Position haben.
In der zweiten Geschichte „R. M. F. Is flying“ verschwindet die Frau des Polizisten Daniel spurlos im Ozean. Entgegen aller Erwartungen wird Liz lebendig gefunden. Als sie zu ihm zurückkehrt, glaubt Daniel, dass Liz eine andere Person ist. Sie verhält sich anders und hat bestimmte Dinge, wie ihren Lieblingssong, vergessen. Daniel wird darüber zunehmend paranoid, wird suspendiert und verbringt viel Zeit mit seiner Frau in ihrem gemeinsamen Haus. Da fordert er sie auf, sich zu verletzen.
In der dritten und letzten Geschichte des Films, „R. M. F. eats a Sandwich“ suchen die ‚Arbeitskollegen‘ Emily und Andrew für eine von einem Reinheitswahn besessene Sekte nach einer Frau, die Tote wiedererwecken kann. Bis jetzt ohne Erfolg.
Als Sektenführer Omi sie auf eine neue potentielle Kandidatin ansetzt, könnten sie die Frau gefunden haben. Jedenfalls häufen sich die merkwürdigen Ereignisse. So hat Emily sie in einem Traum gesehen. Sie werden in einem Restaurant von einer Frau angesprochen, die sagt, sie wisse, wer sie seien und sie habe eine Zwillingsschwester, die die Gesuchte sein könnte.
Nachdem Emily von ihrem Ex-Mann vergewaltigt wird, wird sie als contaminierte Person aus der Sekte geworfen. Emily will, wie Robert in der ersten Geschichte, wieder in die Sekte und von Omi aufgenommen werden. Fanatisch beginnt sie die auserwählte Frau zu suchen. Und ab jetzt wird die Geschichte wirklich schräg.
Bei keiner der drei Geschichten kann eine Zusammenfassung auch nur annähernd wiedergeben, wie seltsam, irreal, absurd und voller Ideen die schwarzhumorigen Geschichten sind. Und wie gut die Schauspieler sind, die in jedem Film überzeugend in eine andere Rolle schlüpfen. Emma Stone (als Rita, Liz und Emily), Jesse Plemons (als Robert, Daniel und Andrew) und Willem Dafoe (als Raymond, George und Omi) spielen immer die Hauptrollen. Sie schlüpfen in die verschiedenen Figuren und ihre Marotten. Die kleinen Details, wie die von ihnen getragenen Kleider, sind gelungen. Kamera, Musik und Ausstattung gefallen ebenfalls.
Ich habe auch nichts gegen schräge Geschichten. So gefiel mir Lanthimos‘ ziemlich absurde Satire „The Lobster“ sehr. Aber bei „Kinds of Kindness“ lenkt der Hinweis auf die guten Schauspieler und die gute Inszenierung nur vom Grundproblem ab: der Film funkioniert nicht. Die einzelnen Geschichten sind rudimentäre Skizzen, in denen es irgendwie um Macht, Kontrolle und den Freien Willen geht. Diese Themen werden in den einzelnen Szenen immer wieder angesprochen. Aber es bleibt auf der Ebene eines teils gelungenen und teils witzigen Sketches, in dem eine Person einer anderen Person ihren Willen aufzwingt.
Die Geschichten sind so abstrakt, dass jeder hineininterpretieren, was ihm gerade gefällt. Jede dieser Geschichten ist gleichzeitig zu kurz und zu lang. Die interessanten Teile werden zu schnell abgehandelt. Für uninteressanteste, den Plot in keinster Weise voranbringende Szenen wird dann zu viel Zeit aufgewendet. Oder die Szene dauert einfach viel länger als nötig. Erklärungen gibt es keine, weil das den Raum möglicher Interpretationen einschränken würde. Entsprechend zahn- und ziellos gerät die Satire.
„Kinds of Kindness“ ist länger als „The Killing of a sacred Deer“, aber genauso todsterbenslangweilig.
P. S.: Wenn der Abspann beginnt, sitzenbleiben. Es gibt noch eine Szene.

Kinds of Kindness (Kinds of Kindness, USA 2024)
Regie: Yorgos Lanthimos
Drehbuch: Yorgos Lanthimos, Efthimis Filippou
mit Emma Stone, Jesse Plemons, Willem Dafoe, Margaret Qualley, Hong Chau, Joe Alwyn, Mamoudou Athie, Hunter Schafer
Länge: 164 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
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Hinweise
Moviepilot über „Kinds of Kindness“
Metacritic über „Kinds of Kindness“
Rotten Tomatoes über „Kinds of Kindness“
Wikipedia über „Kinds of Kindness“ (deutsch, englisch)
Meine Besprechung von Yorgos Lanthimos‘ „Poor Things“ (Poor Things, USA 2023)
Veröffentlicht von AxelB 
