Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush (Deutschland/Frankreich 2022)
Regie: Andreas Dresen
Drehbuch: Laila Stieler
Wenige Wochen nach dem Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 wird in Pakistan der neunzehnjährige Murat Kurnat verhaftet und nach Guantanamo gebracht. Die Presse nennt ihn „Bremer Taliban“.
Seine Mutter Rabiye Kurnaz will ihren Jungen aus der Gefangenschaft befreien. Zusammen mit dem Menschenrechtsanwalt Bernhard Docke setzt sie Himmel und Hölle in Bewegung.
TV-Premiere. Sehr gelungenes, unterhaltsames, nah an den Fakten entlang erzähltes Drama, mit einer ordentlichen Portion Humor.
Anschließend, um 22.10 Uhr, zeigt Arte die brandneue knapp einstündige Doku „Andreas Dresen – Ein Leben für den Film“.
Am 17. Oktober, startet der neue, selbstverständlich ebenfalls sehenswerte Film von Andreas Dresen und Laila Stieler. „In Liebe, eure Hilde“ erzählt von Hilde Coppi und der „Roten Kapelle“, einem immer noch wenig bekanntem Widerstandsnetzwerk gegen die Nazi-Diktatur.
mit Meltem Kaptan, Alexander Scheer, Charly Hübner, Nazmi Kirik, Sevda Polat, Abdullah Emre Öztürk
Im Oktober 2001, also wenige Wochen nach dem 11. September 2001 und den die Welt erschütternden terroristischen Anschlägen von al-Qaida auf das World Trade Center und andere US-Gebäude, fliegt der neunzehnjährige Murat Kurnat von Frankfurt am Main nach Pakistan. Dort wird er verhaftet und kurz darauf nach Guantanamo gebracht. Er soll ein islamistischer Terrorist sein. Die Presse nennt ihn, nachdem sie von seiner Verhaftung erfährt, den ‚Bremer Taliban‘.
In Bremen erfährt seine Mutter Rabiye Kurnaz davon. Sie will ihren Sohn zurückhaben und beginnt dafür Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen. Ihr Helfer wird der Menschenrechtsanwalt Bernhard Docke. Beide sind ein filmreifes Paar: hier die übergewichtige hochemotionale türkische Mutter, die mit ihren Gefühlen, Ansprüchen und auch ihrem übergriffigen Umsorgen alle erdrückt, dort der unterernährte, nordisch spröde, gebildete Schlacks, sympathisch links-alternativ und kundig in Rechtsfragen.
Sie beginnen einen jahrelangen Kampf um Murats Entlassung. Ihre Gegner sind die deutsche, türkische und amerikanische Regierung und der Sicherheitsapparat, der in jedem Muslim einen Terroristen vermutet. Vor allem wenn er in die Hochburg der Terroristen fliegt.
Andreas Dresen und seine Stammautorin Laila Stieler verfilmten jetzt diese Geschichte als ein Feelgood-Justizdrama. Das liegt an den beiden gegensätzlichen Hauptfiguren, die von Alexander Scheer und Meltem Kaptan nah an den realen Vorbildern gespielt werden. Scheer ist als wandlungsfähiger Schauspieler bekannt. So spielte er in Dresens „Gundermann“ den titelgebenden DDR-Liedermacher. Kaptan ist vor allem als Comedienne bekannt, die hier ihr Kinodebüt gibt. Auf der Berlinale wurde sie für diese Rolle als beste Darstellerin ausgezeichnet. Ihr Zusammenspiel und ihre Einzelauftritte sind immer gut für einen Lacher. Zum Beispiel wenn Rabiye als Autofahrerin mal wieder fröhlich alle Verkehrsregeln missachtet.
Der Fall selbst wird akkurat aufgedröselt. Die großen Skandale und damaligen Diskussionen über den Rechtsstaat und seine Grenzen im Kampf gegen den Terrorismus werden angesprochen, aber nicht vertieft. Dazu gehört auch der perfide Versuch, Murat Kurnaz seine Aufenthaltsgenehmigung zu entziehen, weil er sich (in Guantanamo sitzend) nicht bei der Ausländerbehörde meldete. Die juristische Grundlage dafür lieferte Hans-Georg Maaßen, der damals Referatsleiter im Bundesinnenministerium war. Sein Name wird im Film nicht erwähnt. Dass Murat Kurnaz in Guantanamo gefoltert wird, wird im Film zwar erwähnt, aber das ist da nur Hörensagen. Kurnaz selbst schrieb über seine Haft in Guantanamo 2007 das Buch „Fünf Jahre meines Lebens“. Stefan Schaller verfilmte es 2013 gelungen als „5 Jahre Leben“.
Dresen und Stieler entschieden sich dafür, Rabiye Kurnaz in den Mittelpunkt zu stellen und all die politischen und juristischen Dimensionen des Falles herunterzukochen zu einem Hollywood-Drama, in dem eine Mutter darum kämpft, ihren Sohn wieder umarmen zu dürfen. Garnieren tun sie es mit einer ordentlichen Portion Humor.
Das führt dazu, dass am Ende alle Rabiye die Daumen drücken können und sich mit ihr freuen dürfen, wenn sie am 24. August 2006 ihren Sohn wieder umarmen und mit ihrer überschwänglichen mütterlichen Liebe wieder bemuttern kann.
Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush(Deutschland/Frankreich 2022)
Regie: Andreas Dresen
Drehbuch: Laila Stieler
mit Meltem Kaptan, Alexander Scheer, Charly Hübner, Nazmi Kirik, Sevda Polat, Abdullah Emre Öztürk
3sat, 22.20 5 Jahre Leben (Deutschland 2013, Regie: Stefan Schaller)
Drehbuch: Stefan Schaller, David Finck
Es trifft ja nur Terroristen. Zum Beispiel diesen Deutschtürken Murat Kurnaz, der kurz nach 9/11 als „feindlicher Kämpfer“ nach Guantánamo gebracht wurde. Nach fünf Jahren – auch weil die Bundesregierung absolut keine Eile hatte, den unschuldig Inhaftierten Kurnaz wieder in Deutschland einreisen zu lassen – kehrte er 2006 nach Bremen zurück.
Stefan Schallers beeindruckener Spielfilm konzentriert sich auf die Verhöre durch Gail Holford und Kurnaz’ Kampf um seine Würde. Gerade dank dieser Beschränkung gewinnt er an erzählerischer Kraft. Mehr in meiner ausführlichen Besprechung des Films.
mit Sascha Alexander Gersak, Ben Miles, Trystan Pütter, John Keogh, Timur Isik, Kerem Can, Siir Eloglu, Tayfun Bademsoy Hinweise
HR, 23.15 5 Jahre Leben (Deutschland 2013, Regie: Stefan Schaller)
Drehbuch: Stefan Schaller, David Finck
Es trifft ja nur Terroristen. Zum Beispiel diesen Deutschtürken Murat Kurnaz, der kurz nach 9/11 als „feindlicher Kämpfer“ nach Guantánamo gebracht wurde. Nach fünf Jahren – auch weil die Bundesregierung absolut keine Eile hatte, den unschuldig Inhaftierten Kurnaz wieder in Deutschland einreisen zu lassen – kehrte er 2006 nach Bremen zurück.
Stefan Schallers beeindruckener Spielfilm konzentriert sich auf die Verhöre durch Gail Holford und Kurnaz’ Kampf um seine Würde. Gerade dank dieser Beschränkung gewinnt er an erzählerischer Kraft. Mehr in meiner ausführlichen Besprechung des Films.
mit Sascha Alexander Gersak, Ben Miles, Trystan Pütter, John Keogh, Timur Isik, Kerem Can, Siir Eloglu, Tayfun Bademsoy Hinweise
Weil es ein guter Film ist und er heute etwas früher kommt und ich Lars Beckers „Zum Sterben zu früh“ (Arte, 20.15 Uhr) noch nicht gesehen habe:
Eins Festival, 22.00 5 Jahre Leben (Deutschland 2013, Regie: Stefan Schaller)
Drehbuch: Stefan Schaller, David Finck
Es trifft ja nur Terroristen. Zum Beispiel diesen Deutschtürken Murat Kurnaz, der kurz nach 9/11 als „feindlicher Kämpfer“ nach Guantánamo gebracht wurde. Nach fünf Jahren – auch weil die Bundesregierung absolut keine Eile hatte, den unschuldig Inhaftierten Kurnaz wieder in Deutschland einreisen zu lassen – kehrte er 2006 nach Bremen zurück.
Stefan Schallers beeindruckener Spielfilm konzentriert sich auf die Verhöre durch Gail Holford und Kurnaz’ Kampf um seine Würde. Gerade dank dieser Beschränkung gewinnt er an erzählerischer Kraft. Mehr in meiner ausführlichen Besprechung des Films.
mit Sascha Alexander Gersak, Ben Miles, Trystan Pütter, John Keogh, Timur Isik, Kerem Can, Siir Eloglu, Tayfun Bademsoy Hinweise
ARD, 22.45 5 Jahre Leben (Deutschland 2013, Regie: Stefan Schaller)
Drehbuch: Stefan Schaller, David Finck
Es trifft ja nur Terroristen. Zum Beispiel diesen Deutschtürken Murat Kurnaz, der kurz nach 9/11 als „feindlicher Kämpfer“ nach Guantánamo gebracht wurde. Nach fünf Jahren – auch weil die Bundesregierung absolut keine Eile hatte, den unschuldig Inhaftierten Kurnaz wieder in Deutschland einreisen zu lassen – kehrte er 2006 nach Bremen zurück.
Stefan Schallers beeindruckener Spielfilm konzentriert sich auf die Verhöre durch Gail Holford und Kurnaz’ Kampf um seine Würde. Gerade dank dieser Beschränkung gewinnt er an erzählerischer Kraft. Mehr in meiner ausführlichen Besprechung des Films.
mit Sascha Alexander Gersak, Ben Miles, Trystan Pütter, John Keogh, Timur Isik, Kerem Can, Siir Eloglu, Tayfun Bademsoy Hinweise
Nachdem Sherry Hormann mit „3096 Tage“ über die jahrelange Entführung von Natascha Kampusch nur langweilig-biederes Konsenskino ablieferte, macht Stefan Schaller in seinem Debütspielfilm, der gleichzeitig sein Abschlussfilm an der Filmakademie Baden-Württemberg ist, alles richtig. Dabei hat der von ihm ausgesuchte Fall von Freiheitsberaubung viel mehr reale und potentielle Fallstricke für eine filmische Bearbeitung als der vergleichsweise einfache Kampusch-Fall, in dem Gut (das Opfer) und Böse (der Enführer) fein säuberlich getrennt sind. In „5 Jahre Leben“ schildert Schaller die Haft von Murat Kurnaz, der von 2001 bis 2006 inhaftiert war, die meiste Zeit davon in Guantanamo. Zuerst als islamistischer Terrorist, später als Person, die nicht zurück nach Deutschland durfte, weil der deutsche Staat die Aufenthaltsgenehmigung des 1982 in Bremen geborenen Jungen nicht verlängerte. Dieses mehr als schäbige Spiel des Staates mit einem seiner Bürger wird in dem Film nicht angesprochen. Aber natürlich geht es um den „Kampf gegen den Terror“ in all seinen Facetten, Soldaten, die Gutes tun wollen, die Missachtung der Menschenrechte und des Rechts durch Staaten und einen jungen Mann, der ein islamistischer Terrorist sein soll. Da kann bei einer filmischen Bearbeitung leicht vieles – auch, oder gerade wenn man nur die besten Absichten hat – schief gehen.
Schaller konzentriert sich in seinem Film auf Murat Kurnaz (Sascha Alexander Gersak) und dessen ersten Jahre in der Haft. Nur selten verlässt er ihn: für einige, kurze Rückblenden in sein früheres Leben oder um die Arbeit des Verhörspezialisten Gail Holford (Ben Miles), der ein Geständnis benötigt, aus einer anderen Perspektive zu beleuchten. Denn in den Verhören weigert Kurnaz sich, ein falsches Geständnis zu unterschreiben und so seine Haft zu legitimieren.
Stattdessen versucht der Hauptschüler das System Guantanamo zu verstehen, seine Würde zu bewahren und nicht sein Mitgefühl zu verlieren. Er füttert einen Leguan mit Brotkrumen, obwohl es verboten ist und auch zu entsprechenden Konsequenzen führt. Holford zwingt ihn, sich zwischen dem Leguan und seinem eigenen Leben zu entscheiden.
All das schildert Schaller in ruhigen Bildern, die die zunehmende Einsamkeit von Kurnaz reflektieren und den Schauspielern viel Raum geben. Vor allem die beiden Hauptdarsteller Sascha Alexander Gersak („Im Angesicht des Verbrechens“) und Ben Miles („Zen“, „V wie Vendetta“) können ihre Charaktere in dem Psychoduell in all ihren Facetten zeigen. Gersak als Gefangener, der versucht, seine Würde zu bewahren und, weil Kurnaz während der Gefangenschaft in einen längeren Hungerstreik trat, er während des Drehs zwanzig Kilo abnehmen musste. Miles als höflicher Befrager, der letztendlich keine Skrupel kennt. Immerhin hat er ja einen gefährlichen Terroristen vor sich.
Schaller legt ihnen keine Meinung in den Mund, er predigt nicht. Er zeigt, ohne zu moralisieren, ein menschenverachtendes System, das nicht an der Wahrheit, sondern nur an bestimmten Ergebnissen interessiert ist. Während Kathryn Bigelow vor einigen Monaten in „Zero Dark Thirty“ sich noch mit einer Rechtfertigung von Folter versuchte, zeigt Schaller, was Folter für die Betroffenen bedeutet und warum das gesamte System Guantanamo ein Irrweg ist.
Obwohl noch etliche gute Filme ins Kino kommen, ist das zum Nachdenken und Diskutieren anregende Kammerspiel „5 Jahre Leben“ schon jetzt ein ganz heißer Anwärter auf einen der vorderen Plätze meiner Jahresbestenliste.
5 Jahre Leben (Deutschland 2013)
Regie: Stefan Schaller
Drehbuch: Stefan Schaller, David Finck
mit Sascha Alexander Gersak, Ben Miles, Trystan Pütter, John Keogh, Timur Isik, Kerem Can, Siir Eloglu, Tayfun Bademsoy