Touda lebt in der Provinz, ist alleinerziehende Mutter eines stummen Kindes und sie hat einen Traum: sie will eine Sheikha sein und so als traditionelle marokkanische Künstlerin mit ihren Liedern über starke und selbstbewusste Frauen die Menschen in großen und guten Locations begeistern.
Jetzt singt sie noch in billigen Provinz-Nachtclubs und sie wird in den ersten Minuten von Nabil Ayouchs Drama „Alle lieben Touba“ nach einem Auftritt vergewaltigt. Diese Vergewaltigung hat – und das ist eines der Probleme des Films – keinerlei Auswirkung auf die Geschichte. Es handelt sich nur um einen Schockmoment, der Interesse wecken soll.
Ein anderes Problem ist die Geschichte. Ayouch wechselt zwischen Toubas ausführlich gezeigten Gesangsnummern auf der Bühne und wenig informativen Szenen aus ihrem Leben. So plätschert die erste Stunde der Charakterstudie, bis zu ihrer Ankunft in Casablanca, ereignislos vor sich hin. Auf dem Weg nach Casablanca besucht Touda ihre Eltern und gibt ihren Sohn in deren Obhut. Sie will ihn später nachholen.
Und es gibt immer wieder ärgerliche Schlampereien im Drehbuch. So wird Toubas Sohn lange Zeit als taubstumm präsentiert. Aber er ist nur stumm. Sonst wäre ein Telefonat, bei dem sie mit ihm redet, er aber nicht antworten kann, vollkommen unsinnig. So will sie nach ihrer Ankunft in Casablanca zu einem legendären Theater gefahren werden und dort vorsingen. Dummerweise ist das Cabaret, wie ihr der Taxifahrer verrät, seit dreißig Jahren geschlossen. Umgekehrt hat sie eine Schule für ihren Sohn ausgesucht, die es gibt und in der sie auch – erfolglos – vorstellig wird. Beides, also das Wissen über eine Schule, die speziell für die Bedürfnisse ihres stummen Sohnes ausgerichtet ist, und die komplette Unwissenheit über ein seit Jahrzehnten geschlossenes Theater geht nicht. Weil dieses Theater für Sheikas der heilige Gral sein soll, sollte sie doch über das aktuelle Programm und die dort auftretenden Künstler informiert sein.
In Casablanca, immerhin ist bereits die erste Stunde des knapp hundertminütigen Films (ohne Abspann) rum, geht für Touba dann alles ziemlich schnell und mühelos von Auftritten in kleinen Bars, die sich nicht von den ihr bekannten Provinzbars unterscheiden, bis zu einem großen Auftritt in einem Luxushotel. Fast ist es, als ob die Stadt nur auf Touba gewartet hätte.
„Alle lieben Touba“ ist eine spannungsfrei vor sich hin plätschernde Charakterstudie, die uns wenig über den porträtierten Charakter verrät. Immerhin erfahren wir, dass es eine Kluft gibt zwischen ihrem Wunsch, eine ernste und ernstgenommene Künstlerin zu sein und der tristen Wirklichkeit, in der sie fröhliche Schlager für betrunkene Männer singt, die Sex haben wollen.
Vielleicht wäre ein Konzertfilm die bessere Wahl gewesen.

Alle lieben Touda (Everybody loves Touda, Frankreich/Marokko/Dänemark/Niederlande/Belgien 2024)
Regie: Nabil Ayouch
Drehbuch: Nabil Ayouch, Maryam Touzani
mit Nisrin Erradi, Joud Chamihy, El Moustafa Boutankite Jalila Tlemsi, Lahcen Razzougui
Länge: 102 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
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Hinweise
AlloCiné über „Alle lieben Touda“
Moviepilot über „Alle lieben Touda“
Metacritic über „Alle lieben Touda“
Rotten Tomatoes über „Alle lieben Touda“
Wikipedia über „Alle lieben Touda“ (englisch, französisch)
Veröffentlicht von AxelB 