Wo Homosexualität noch „Der Verstoß“ ist

April 5, 2013

Carrino - Der Verstoss - 2

Das erste, was bei L. R. Carrinos „Der Verstoß“ auffällt, ist die Länge. Eigentlich Kürze. Denn der Roman umfasst lediglich achtzig Druckseiten und wird mit dem wissenschaftlichen Aufsatz „Der schwule Mafiosi: Zur Konstruktion und Dekonstruktion von Männlichkeit in Carrinos Roman ‚Acqua Storta‘ – Der Verstoß“ von Christian Gabriele Moretti auf 128 Seiten hochgepimpt, was heute dann doch schon fast wie ein Buch wirkt. Denn die seeligen Ullstein- und rororo-Krimi-Zeiten, als viele Krimis, teils in sehr kleiner Schrift, 128 bis 160 Seiten hatten, sind schon lange vorbei.

Morettis Aufsatz beschreibt dann auch auf einer Metaebene prägnant L. R. Carrinos Roman. Denn der Ich-Erzähler (im nervigen Präsens) ist ein schwuler Mafiosi, der der Sohn des örtlichen Mafia-Bosses Don Antonio ist, mit Mariasole verheiratet und in den Geldeintreiber Salvatore verliebt ist. In „Der Verstoß“ erzählt Giovanni, mit einigen Zeitsprüngen in die Vergangenheit, von seinen letzten Stunden. Denn als er jetzt mit Salvatore unterwegs ist, fühlt er sich verfolgt.

Einige dürften die Geschichte von „Der Verstoß“ schon kennen. Denn Valerio Bindi und MP5 schrieben die darauf basierende tolle Graphic Novel „Der Frevel am Altar der Heiligen Klara“, die der Vorlage sehr genau folgt und deutlich gelungener ist. Denn bei ihnen fügen sich die Erinnerungen von Giovanni organisch in den in der Gegenwart spielenden Plot ein. Bei Carrino sind dagegen einige Zeitsprünge, vor allem wenn es um Ereignisse aus der jüngsten Vergangenheit, wie dem Nachmittag vor der letzten Nacht, geht, arg abrupt und damit den Lesefluss störend. Und dass Giovanni im Präsens, einer zu recht unüblichen Zeitform, die inzwischen aus einem falsch verstandenem Unmittelbar-dabei-sein-Glaube in Romanen immer öfter verwandt wird, erzählt, hilft nicht. Denn es liest sich, weil es unglaublich schwierig ist, im Präsens flüssig zu formulieren, wieder einmal einfach holprig.

Davon abgesehen ist „Der Verstoß“ eine kleine Mafiageschichte aus dem unglamourösen Alltag und der Bigotterie der italienischen Mafia, die in einem katholischem Land nach außen den Glauben und ihre tiefe Verbundenheit mit der Kirche zelebriert, während gleichzeitig ungefähr gegen alle zehn Gebote verstoßen wird. Wobei Homosexualität für einen Mafiosi, wenn sie bekannt wird, das sichere Todesurteil bedeutet.

Und natürlich ist Homosexualität auch ein Angriff auf das gepflegte Bild des italienischen Macho, des Latin Lovers, der jede Frau rumkriegt.

In seinem Debütroman „Der Verstoß“ verstieß L. R. Carrino gegen diese Tabus – und gerade dieser außerliterarische Dimension, die im Nachwort ausführlich erläutert wird, macht die Geschichte lesenswert.

L. R. Carrino: Der Verstoß

(übersetzt von Klaudia Ladurner)

Pulp Master, 2013

128 Seiten

11,80 Euro

Originalausgabe

Acqua Storta

Meridiano zero, 2008

Die Graphic Novel

Bindi - MP5 - Frevel

Valerio Bindi/MP5: Der Frevel am Altar der Heiligen Klara

(übersetzt von Resel Rebiersch)

schreiber & leser, 2012

184 Seiten

18,80 Euro

Originalausgabe

Acqua Storta

Meridiano zero, Padova, 2010

Hinweise

Pulp Master über L. R. Carrino

Meine Besprechung von Valerio Bindi/MP5s „Der Frevel am Altar der Heiligen Klara“ (Acqua Storta, 2010)


Kleinkram

April 1, 2013

Bei Evolver hat Martin Compart sich mit „Pulp Master“-Mastermind Frank Nowatzki unterhalten.

Die April-Ausgabe von The Big Thrill ist online. Diese Mal unter anderem mit Interviews mit Jonathan Maberry, Linda Barnes (die ja leider seit Ewigkeiten nicht mehr übersetzt wird), Iris Johanson, Raymond Benson, Tom Bale und T. Jefferson Parker.

Wes Miller fragt sich: „What is a Mystery?“

Bis ich Ian Rankins neuen REBUS-Roman „Mädchengrab“ (Manhattan, 512 Seiten, Originaltitel: Standing in Another Man’s Grave) gelesen habe, könnt ihr die Besprechung von Ro Cuzon studieren.

Der deutsche Trailer für den neuen Film „Side Effects“ von Steven Soderbergh (der im Moment behauptet, dass das sein letzter Spielfilm sei) ist online:

So sieht das Plakat aus

Side Effects - Plakat

Besprechung, nach Sichtung, zum Kinostart am 25. April.

Gleiches gilt für „Oblivion“, den neuen Film von Tom Cruise (dessen Rollenauswahl in den vergangenen Jahren deutlich besser als die von Bruce Willis war; deshalb freue ich mich auch schon auf diesen Science-Fiction-Film), inszeniert von „Tron: Legacy“-Regisseur Joseph Kosinski und ab dem 11. April im Kino

Für den Film entwarfen die Jungs von Universal Pictures auch einige schöne Plakate

Oblivion - Teaser Tom Cruise

Oblivion - Teaser Brücke

Oblivion - Teaser Wasserfall