Neu im Kino/Filmkritik: „Der Salzpfad“, erwandert

Juli 17, 2025

Im Moment wird in Großbritannien, ausgehend von einer ausführlichen Reportage im „Observer“, über den Wahrheitsgehalt von „Der Salzpfad“ gestritten. Dabei geht es mehr um Raynor Winns Sachbuch-Bestseller als um Marianne Elliotts darauf basierendem Film.

Buch und Film erzählen, wie Raynor (Gillian Anderson) und Moth Winn (Jason Isaacs), nach dem Verlust ihres Hauses, sich auf eine über tausend Kilometer lange Wanderung entlang der Küste Südenglands begeben. Sie wollen den South West Coast Path von seinem Startpunkt in Minehead, Somerset, entlang der Küste von Devon und Cornwall bis nach Poole Harbour, Dorset, abwandern. Sie haben keine Erfahrung mit längeren Wanderungen. Ihre Ausrüstung probieren sie zum ersten Mal auf der Wanderung aus. Als Führer haben sie ein zerfleddertes Wanderbuch. Außerdem ist Moth krank. Er hat

Kortikobasale Degeneration (CBD), eine unheilbare, seltene neurodegenerative Erkrankung des Nervensystems. Anstrengende Wanderungen können sie rapide verschlimmern.

Elliotts Film gehört in das erfolgreiche, inhärent zur Banalität neigende Genre der Wandererfilme, in denen der Protagonist sich auf eine lange Wanderung durch fotogene Landschaften begibt und zu sich selbst findet. Gerne greifen die Filme auf Bestseller zurück. So ist schon ein Grundpublikum vorhanden. Den Rest besorgt die Zuarbeit verschiedener Touristenbüros, die dann wiederum mit dem Film werben können. Es sind Feelgood-Filme für ein älteres Publikum, das anderen Menschen zusehen will, wie sie Bilanz über ihr bisheriges Leben ziehen und sich dabei nach dem Sinn des Lebens fragen.

Schon beim Ansehen des Films waren für mich zwei Punkte seltsam, die auch von Chloe Hadjimatheou in ihrer „Observer“-Reportage (erste Reaktionen) aufgegriffen wurden. Nämlich der rapide Abstieg des Ehepaares von anscheinend durchaus vermögenden Unternehmern zu Obdachlosen, weil sie schlecht beraten, betrogen und zu Unrecht verurteilt wurden, und die wundersame Heilung von Moth durch die Wanderung. Sicher, Ärzte können sich irren (wobei sich bei ihm viele Ärzte über viele Jahre geirrt haben müssen) und es gibt wundersame Genesungen. Trotzdem ist es etwas seltsam und ziemlich gefährlich, jeden ärztlichen Rat zu ignorieren und mit dem Beginn der Wanderung auf die verschriebenen Tabletten (jaja, nicht immer sind Tabletten gut) zu verzichten.

Hadjimatheou schreibt, dass die Winns vor ihrer Wanderung in halbseidene, möglicherweise eindeutig betrügerische Finanzgeschäfte verwickelt waren. Sie hatten Schulden und besaßen in Frankreich eine schon seit Ewigkeiten baufällige Bruchbude. Unabhängig von persönlicher Schuld und Unschuld waren sie nicht so unschuldig und arm, wie sie in ihrem Buch und damit verbundenen öffentlichen Auftritten suggerieren. Im Film wird diese Geschichte als Hintergrundgeschichte in Rückblenden nur kurz angerissen.

Die für die Reportage von ihr befragten Ärzte bezweifeln, dass Moth CBD hat. Ihnen sei kein Fall bekannt, in dem an CBD erkrankte Menschen so lange und so schmerz- und symptomfrei lebten. Normalerweise würden sie nach der Diagnose innerhalb weniger Jahre sterben.

Wenn wir „Der Salzpfad“, unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Geschichte, einfach als weiteren Beitrag zum Wandererfilmgenre betrachten, dann punktet er mit seinen Landschaftsaufnahmen, den guten Schauspielern, vor allem natürlichn den Hauptdarstellern Gillian Anderson und Jason Isaacs, und dem erwartbar ruhigem Erzähltempo. So schaffen die Winns am ersten Tag ihrer Wanderung gerade vier (!) Kilometer. Es passiert immer etwas, sie begegnen mehr oder weniger netten Einheimischen, suchen dringend einen Ort für die Notdurft und lernen, dass sie ihr Zelt an bestimmten Orten nicht aufbauen sollten. Das ist alles, trotz der Beschwernisse einer langen Wanderung, ziemlich nett, beschaulich und nicht wirklich zum Nachdenken anregend.

Der Salzpfad (The Salt Path, Großbritannien 2024)

Regie: Marianne Elliott

Drehbuch: Rebecca Lenkiewicz

LV: Raynor Winn: The Salt Path, 2018 (Der Salzpfad)

mit Gillian Anderson, Jason Isaacs, James Lance, Hermione Norris

Länge: 116 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Der Salzpfad“

Metacritic über „Der Salzpfad“

Rotten Tomatoes über „Der Salzpfad“

Wikipedia über „Der Salzpfad“ (deutsch, englisch)