LV: Samuel D. Hunter: The Whale, 2012 (Theaterstück)
Grandioses Schauspielerkino über einen mehr als übergewichtigen, fast bewegungsunfähigen Mann, der seine Schuldgefühle in sich hineinfrisst, Unikurse nur online und mit ausgeschalteter Kamera anbietet und sich jetzt, vor seinem baldigen Tod, mit seiner Tochter versöhnen will.
LV: Samuel D. Hunter: The Whale, 2012 (Theaterstück)
TV-Premiere. Grandioses Schauspielerkino über einen mehr als übergewichtigen, fast bewegungsunfähigen Mann, der seine Schuldgefühle in sich hineinfrisst, Unikurse nur online und mit ausgeschalteter Kamera anbietet und sich jetzt, vor seinem baldigen Tod, mit seiner Tochter versöhnen will.
Zum Kinostart schrieb ich über Darren Aronofskys neuen Film:
Seien wir ehrlich: Charlie ist fett und er hat nur ein Ziel: er will sich zu Tode fressen. Die Bedigungen dafür sind in den USA im Königreich des Junkfoods ideal. Er lässt es sich anliefern, verschlingt es und bestellt die nächste Ladung. Geld verdient der Englischlehrer als Universitätsdozent mit Online-Kursen. Seine Studenten würden ihn, falls er überhaupt seine Wohnung verlassen würde, auf der Straße nicht erkennen. Er schaltet die Kamera an seinem Laptop nicht ein; – und diese Geste zeigt immerhin, dass der Feingeist nicht zufrieden mit sich ist.
Der Grund für seine Freßorgie ist der Tod seines über alles geliebten Partners, für den er sich verantwortlich fühlt und den er nicht überwinden kann. Das Essen ist seine Art, sich dafür zu bestrafen.
Das hat er so weit getrieben, dass er jetzt nur noch wenige Tage zu Leben hat. Eine Einweisung in ein Krankenhaus verweigert er. Aber er will noch einmal, nach Jahren, seine siebzehnjährige Tochter sehen.
Nachdem Darren Aronofskys vorheriger Film „Mother“ in einem Landhaus spielte, ist der Schauplatz in „The Whale“ noch reduzierter. Es ist eine kleine Wohnung, die eigentlich nur aus der US-typischen Kombination von Küchenecke und Wohnzimmer besteht. Charlie thront in der Mitte des Raums auf seiner durchgesessenen Couch, die er höchst ungern und nur in Notfällen verlässt.
Der Film basiert auf dem Theaterstück von Samuel D. Hunter, das 2012 seine Premiere hatte. Für die Verfilmung überarbeitete Hunter es etwas. Aber die Konzentration auf einen Schauplatz und eine Figur blieben erhalten. In der Verfilmung sind alle anderen Figuren – Charlies Krankenschwester/Freundin, Charlies Tochter, Charlies Frau und Charlies Essenslieferant – im Verhältnis zu ihm konzipiert. Das gilt auch für den jungen Missionar, der an seine Wohnungstür klopft und von Charlie hereingebeten wird.
Die Kameraarbeit von Aronofskys Stamm-Kameramann Matthew Libatique ist fantastisch. Nie fällt die Beschränkung auf einen Raum negativ auf. Brendan Fraser sieht wirklich immer wieder wie ein gigantische Ungetüm, wie Moby Dick, aus.
Und so kommen wir zu dem größten Schwachpunkt des Films: Brendan Fraser. Er erhielt für diese Rolle viel Kritikerlob, viele Preise, darunter den Oscar als bester Schauspieler, und er feierte sein Hollywood-Comeback; – wie vor fünfzehn Jahren Mickey Rourke in Aronofskys „The Wrestler“.
Fraser zog für die Rolle einen Fatsuit an. Seine schauspielererische Leistung erschöpft sich in einem schelmischem Lächeln. Danach kann man ihm nicht mehr böse sein. Aber die Proportionen stimmen nicht. Fraser sieht, wenn er seine Couch verlässt, nie wie ein dicker Mann, sondern wie Jabba the Hutt aus.
Deshalb fragte ich mich die ganze Zeit, warum nicht einfach ein dicker Schauspieler gecastet wurde. Marlon Brando steht zwar nicht mehr zur Verfügung. Aber John Goodman, Gérard Depardieu oder irgendein anderer Schauspieler, dessen Name mir gerade nicht einfällt, der aber den für diese Rolle passenden Umfang hat, hätte diese Rolle spielen können.
Wer „The Whale“ im Kino verpasste, kann sich das beeindruckende Drama jetzt im Heimkino ansehen.
Und danach (!) das mit fünfzig Minuten erfreulich umfangreiche und sehr informative Bonusmaterial genießen, das zahlreiche Spoiler zur Filmgeschichte enthält. In dem Making of „People are Amazing“, das auch mehrere Statements von Regisseur Darren Aronofsky enthält, und den beiden Interviewclips, – einer mit den Hauptdarstellern Brendan Fraser, Hong Chau und Sadie Sink, einer mit Brendan Fraser und Samuel D. Hunter, dem Autor des Stücks -, wird ausführlich auf Hunters Theaterstück, den autobiographischen Hintergrund, die Bearbeitung des Theaterstücks zu einer in einer kleinen Wohnung spielenden Filmgeschichte, die Konstruktion der Geschichte, die Figuren, ihre Motive und Beziehungen zueinander, das wochenlange gemeinsame Einstudieren des Stücks vor den Dreharbeiten und die darauf folgenden Dreharbeiten eingegangen.
In einem weiteren Featurette spricht Rob Simonsen über seine Filmmusik und wie sie die Filmgeschichte unterstützt.
The Whale (The Whale, USA 2022)
Regie: Darren Aronofsky
Drehbuch: Samuel D. Hunter
LV: Samuel D. Hunter: The Whale, 2012 (Theaterstück)
mit Brendan Fraser, Sadie Sink, Ty Simpkins, Hong Chau, Samantha Morton, Sathya Sridharan
–
DVD
Plaion Pictures
Bild: 1.33:1 (16:9)
Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch
Bonusmaterial: People are Amazing: Making of The Whale (23:25 Minuten), Sounds of the Sea: Scoring The Whale (mit dem Komponisten Rob Simonsen) (7:20 Minuten), Interview mit Brendan Fraser, Hong Chau und Sadie Sink (7:35 Minuten), Interview mit Brendan Fraser und Samuel D. Hunter (Drehbuch) (11:16 Minuten), Trailer (deutsch, englisch)
Länge: 112 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
–
Der Film ist auch auf Blu-ray und digital erhältlich.
Seien wir ehrlich: Charlie ist fett und er hat nur ein Ziel: er will sich zu Tode fressen. Die Bedigungen dafür sind in den USA im Königreich des Junkfoods ideal. Er lässt es sich anliefern, verschlingt es und bestellt die nächste Ladung. Geld verdient der Englischlehrer als Universitätsdozent mit Online-Kursen. Seine Studenten würden ihn, falls er überhaupt seine Wohnung verlassen würde, auf der Straße nicht erkennen. Er schaltet die Kamera an seinem Laptop nicht ein; – und diese Geste zeigt immerhin, dass der Feingeist nicht zufrieden mit sich ist.
Der Grund für seine Freßorgie ist der Tod seines über alles geliebten Partners, für den er sich verantwortlich fühlt und den er nicht überwinden kann. Das Essen ist seine Art, sich dafür zu bestrafen.
Das hat er so weit getrieben, dass er jetzt nur noch wenige Tage zu Leben hat. Eine Einweisung in ein Krankenhaus verweigert er. Aber er will noch einmal, nach Jahren, seine siebzehnjährige Tochter sehen.
Nachdem Darren Aronofskys vorheriger Film „Mother“ in einem Landhaus spielte, ist der Schauplatz in „The Whale“ noch reduzierter. Es ist eine kleine Wohnung, die eigentlich nur aus der US-typischen Kombination von Küchenecke und Wohnzimmer besteht. Charlie thront in der Mitte des Raums auf seiner durchgesessenen Couch, die er höchst ungern und nur in Notfällen verlässt.
Der Film basiert auf dem Theaterstück von Samuel D. Hunter, das 2012 seine Premiere hatte. Für die Verfilmung überarbeitete Hunter es etwas. Aber die Konzentration auf einen Schauplatz und eine Figur blieben erhalten. In der Verfilmung sind alle anderen Figuren – Charlies Krankenschwester/Freundin, Charlies Tochter, Charlies Frau und Charlies Essenslieferant – im Verhältnis zu ihm konzipiert. Das gilt auch für den jungen Missionar, der an seine Wohnungstür klopft und von Charlie hereingebeten wird.
Die Kameraarbeit von Aronofskys Stamm-Kameramann Matthew Libatique ist fantastisch. Nie fällt die Beschränkung auf einen Raum negativ auf. Brendan Fraser sieht wirklich immer wieder wie ein gigantische Ungetüm, wie Moby Dick, aus.
Und so kommen wir zu dem größten Schwachpunkt des Films: Brendan Fraser. Er erhielt für diese Rolle viel Kritikerlob, viele Preise, darunter den Oscar als bester Schauspieler, und er feierte sein Hollywood-Comeback; – wie vor fünfzehn Jahren Mickey Rourke in Aronofskys „The Wrestler“.
Fraser zog für die Rolle einen Fatsuit an. Seine schauspielererische Leistung erschöpft sich in einem schelmichem Lächeln. Danach kann man ihm nicht mehr böse sein. Aber die Proportionen stimmen nicht. Fraser sieht, wenn er seine Couch verlässt, nie wie ein dicker Mann, sondern wie Jabba the Hutt aus.
Deshalb fragte ich mich die ganze Zeit, warum nicht einfach ein dicker Schauspieler gecastet wurde. Marlon Brando steht zwar nicht mehr zur Verfügung. Aber John Goodman, Gérard Depardieu oder irgendein anderer Schauspieler, dessen Name mir gerade nicht einfällt, der aber den für diese Rolle passenden Umfang hat, hätte diese Rolle spielen können.
The Whale (The Whale, USA 2022)
Regie: Darren Aronofsky
Drehbuch: Samuel D. Hunter
LV: Samuel D. Hunter: The Whale, 2012 (Theaterstück)
mit Brendan Fraser, Sadie Sink, Ty Simpkins, Hong Chau, Samantha Morton, Sathya Sridharan