DVD-Kritik: Ein Blick auf sechs Filme von Jess Franco

Januar 8, 2014

 

Ob sich das heutige Jugendliche noch vorstellen können? Immerhin können sie auf solche Seiten klicken.

Aber damals in den siebziger Jahren gab es noch kein Internet. Es gab aber eine Explosion von, hm, Freizügigkeit, die in Deutschland zu den Aufklärungsfilmen, wie dem „Schulmädchenreport“ führte. Natürlich war die postulierte Aufklärung nur der verlogene pädagogische Mantel für das Ansehen von höchstens spärlich bekleideten jungen Frauen, deren Dialoge eine Mischung aus Stöhnen („Ah! Aah! Aaaah!“) und wenigen Worten („Ja! Jaa! Jaaa! Mehr! Du bist so gut!“) war. Und die billig produzierten Filme waren an der Kinokasse – auch wenn sie jetzt keiner gesehen haben will – erfolgreich.

Irgendwann ließ man auch das Aufklärungsmäntelchen weg und die meisten dieser pornographischen Filme waren billig produzierter Mist, der sich erfolgreich jeder Kritik entzog und im Bahnhofskino die Bedürfnisse der jüngeren Zuschauer befriedigen sollte, während die noch Jüngeren sich überlegten, wie sie in diese Erwachsenenfilme kommen konnten. Immerhin sahen die Plakate (Titten!), die Aushangbilder (Titten!) und die Trailer (Titten! Stöhnen! Gern auch etwas Gewalt.) vielversprechend aus.

Einer, vielleicht sogar der Meister des Euro-Trashs war der Spanier Jess Franco, der für ein Taschengeld in atemberaubender Geschwindigkeit und ohne jeden Kunstanspruch Filme herunterdrehte, die so eindeutige Titel wie „Voodoo Passion“, „Das Haus der mannstollen Frauen“, „Ilsa, the Mad Butcher“ und „Frauen für Zellenblock 9“ (das war dann Sex und Gewalt im Gefängnis) hatten.

Jetzt veröffentlicht Ascot-Elite in der „Jess Franco Golden Goya Collection“ die Filme, die Jess Franco für Erwin C. Dietrich (ein Meister des billig produzierten Schund) drehte, mit originalgetreuen Covers in den ungekürzten Fassungen wieder auf DVD und erstmals auf Blu-ray und man kann überprüfen, ob die damaligen Urteile noch stimmen. Immerhin hat Jess Franco inzwischen eine Schar von Jüngern und er gehört zu den wenigen Regisseuren, dessen Filme heute noch bekannt sind, währen die „Schulmädchen-Report“-, „St.-Pauli-Report“- und Dirndl-und-Jodel-Filme heute ziemlich erfolgreich aus dem öffentlichem Bewusstsein verschwunden sind.

Damals verrissen Kritiker unisono die Filme, wie auch ein Blick in das „Lexikon des internationalen Films“ zeigt:

Ein Hintertreppen-Produkt, teils läppischer Krimi, teils Sexfilm.“ (Down Town – Die nackten Puppen der Unterwelt)

Der politische Hintergrund dient lediglich als Vorwand für eine Mischung aus Sadismus, Sex und KZ-Mentalität.“ (Greta – Haus ohne Männer)

Sexfilm mit lustlos abgefilmten Stellungsnummern am Strand, im Auto, im Bett, zu zweit oder als Trio, verpackt in eine schwachbrüstige Handlung. (…) Ein in jeder Hinsicht klägliches Machwerk. – Wir raten ab.“ (Die teuflischen Schwestern)

Alberne Mischung aus Erotik und Voodoo-Hokuspokus, blutrünstig und voyeuristisch.“ (Ruf der blonden Göttin)

Schundprodukt.“ (Frauen ohne Unschuld)

Eine Sadistin und ihr Berater, ein Arzt, foltern in einem Lager drei junge Frauen – was der Film mit unverhohlenem Genuss ausspielt. – Wir raten ab.“ (Frauen für Zellenblock 9)

Aber damals fanden auch einige Filme und Regisseure keine Gnade bei den Kritikern, die heute einen deutlich besseren Ruf genießen. Ich sage nur Russ Mayer.

Sehen wir uns, ordentlich vorgewarnt, in einer verwegenen Mischung aus Tapferkeit und Lüsternheit, die bis jetzt erschienenen sechs Veröffentlichungen der „Jess Franco Golden Goya“-Collection an.

In „Downtown – Die nackten Puppen der Unterwelt“ (1975) soll der Privatdetektiv Al Perreira die bildschöne Frau eines Politikers in einer kompromittierenden Situation fotografieren und gerät in ein Intrigenspiel, das sicher von „Chinatown“ (1974) und ungefähr jedem zweiten Privatdetektiv-Krimi, einem damals ungeheuer populärem Genre, inspiriert ist, aber – wie auch die fünf anderen Filme der „Jess Franco Golden Goya Collection“, die hier besprochen werden – die Story nur als vernachlässigbare Klammer für lange Sexszenen ignoriert.

In „Wicked Woman – Das Haus der mannstollen Frauen“ (1977) werden in einer Villa am Lago Maggiore die nackten Leichen eines jungen Ehepaars (dekorativ mit Blut besudelt) gefunden. Die einzige Zeugin der Tat, die junge Margeritta, ist von der Tat so schockiert, dass sie verstummt. Sie wird in die Psychiatrie eingeliefert – und dort beobachtet Margeritta weitere Morde. Oder ist sie inzwischen komplett durchgedreht? Naja, egal. Denn die meiste Zeit beobachtet Jess Franco die spärlich bekleideten Insassinnen, die sich endlos befummeln und stöhnen.

In „Die teuflischen Schwestern – Sexy Sisters“ (1977) erzählt Jess Franco wieder eine Kriminalgeschichte. Denn die eine der titelgebenden Schwestern will die andere wegen des Geldes in den Wahnsinn treiben und diese leidet – immerhin sind wir in einem Jess-Franco-Film – an einer unbezähmbaren Sexsucht, deren Befriedigung – nackte Leiber und Gestöhne – uns ausführlich gezeigt wird. Genrejunkies können jetzt, wie bei „Downtown“, die wesentlich gelungeneren Vorbilder heraussuchen.

In „Voodoo Passion – Ruf der blonden Göttin“ (1977) geht es nach Haiti, wo die frisch vermählte Susan (jung und Franco-knackig) in den Bann des Voodoo gerät, der sich hauptsächlich in ekstatischen Blicken und wild nach dem Klang der Trommeln bewegenden nackten Leibern manifestiert. Am Ende erfahren wir, dass es bei dem ganzen Gestöhne auch eine Kriminalgeschichte gab, die wahrscheinlich von Jess Franco am Ende schnell als Erklärung für den ganzen Mist (jedenfalls wenn man von einem Film mehr als hüpfende Titten und wackelnde Popos erwartet) herhalten muss. Denn auch beim zweiten Sehen sind die Hinweise auf das Komplott so versteckt, dass man sie unmöglich finden kann.

In „Frauen für Zellenblock 9“ (1977) geht es dann – entsprechend des Titel – ins „Women in Prison“-Subgenre, das uns eine Gefängniswelt aus Sadismus, Sex und Gewalt unter und gegen weibliche Gefangene zeigt. Garniert wird es hier, weil der Film irgendwo in Südamerika spielt, mit etwas Revolutionsromantik und einem komplett gehirnentkernten Plot, der wahrscheinlich aus übriggebliebenen Filmschnipseln von einem anderen Film und einigen Restdrehtagen zusammengeschustert wurde. Immerhin hält der Unglaube das Interesse wach: so flüchten einige der jungen, spärlich bekleideten Gefangenen aus dem besonders gruseligem Zellenblock 9 und anstatt möglichst schnell möglichst weit abzuhauen, nehmen sie zuerst ein Bad in einem Gewässer und vergnügen sich dann miteinander. Naja: Sex geht immer.

Ilsa, the Mad Butcher“ (1977) ist dann der beste und auch der geschmackloseste Film in diesem Sextett. Mit Dyanne Thorne hatte Franco sogar einen echten Hollywood-Star, Unterkategorie Trash an Bord. Für sie sprechen eine beeindruckende Oberweite und, dass sie vorher „Ilsa: She Wolf of the SS“, „Ilsa – Haremswächterin des Scheichs“ und „Ilsa – Die Tigerin“ war.

In „Ilsa, the Mad Butcher“ leitet sie in Südamerika eine Irrenanstalt, in der die Insassinnen, wegen der tropischen Temperaturen höchst spärlich bekleidet, sich die meiste Zeit selbst befriedigen (Klingt bekannt?). Daneben werden sie von der Leiterin Ilsa gequält – und Jess Franco verziert das mit einer Geschichte, die schamlos die Umtriebe von damaligen Folterregimes ausbeutet.

Bei diesem und auch den meisten der hier besprochenen Filme geht die Geschichte für die Protagonistin oder den Protagonisten schlecht aus; was uns dann wieder einiges über die damalige Zeit, als Anti-Helden und ein negatives Ende trendy waren, sagt.

Davon abgesehen entsprechen die schauspielerischen Qualitäten der Schauspieler normalerweise der unterirdischen Qualität der Drehbücher. Vor allem die jungen Damen sind doch allesamt von ihrem Aussehen nicht Playmate-tauglich, aber was macht man nicht alles für einen Südsee-Urlaub.

Irgendwie fühlt man sich nach den Jess-Franco-Filmen schmutzig. Als hätte man etwas verbotenes getan; – naja, wie früher, als man sich in die Filme schlich.

Und nun zum Positiven: Walter Baumgartner schrieb für alle Filme die Musik, die ein herrlich durchgeknallter, angenehm respektloser Mix aller möglichen Stile, oft mit einem starken Jazz- und Easy-Listening-Touch, ist. Da würde sich eine ordentliche CD-Veröffentlichung lohnen.

Downtown - DVD-CoverVoodoo Passion - DVD-Cover

Downtown – Die nackten Puppen der Unterwelt (Schweiz 1975)

Regie: Jess Franco (als Wolfgang Frank)

Drehbuch: Jess Franco (als Wolfgang Frank)

mit Lina Romay,Paul Müller, Martine Stedil

auch bekannt als „Miezen der Unterwelt“

DVD

Ascot Elite (Jess Franco Golden Goya Edition)

Bild: 1,78:1 (16:9)

Ton: Deutsch (Dolby Digital 5.1)

Untertitel: Englisch

Bonusmaterial: Fotogalerie, Wendecover

Länge: 84 Minuten

FSK: ab 18 Jahre

Voodoo Passion – Ruf der blonden Göttin (Schweiz 1977)

Regie: Jess Franco

Drehbuch: Manfred Gregor

mit Ada Tauler, Jack Taylor, Karine Bambier, Rita Morena

DVD

Ascot Elite (Jess Franco Golden Goya Edition)

Bild: 1,78:1 (16:9)

Ton: Deutsch (Dolby Digital 5.1), Englisch (Dolby Digital 5.1), Französisch (Dolby Digital 2.0)

Untertitel: Japanisch

Bonusmaterial: Fotogalerie, Originaltrailer, Wendecover

Länge: 83 Minuten

FSK: ab 18 Jahre

Frauen für Zellenblock 9 - DVD-CoverIlsa - The Mad Butcher - DVD-Cover

Frauen für Zellenblock 9 (Schweiz 1977)

Regie: Jess Franco

Drehbuch: Jess Franco

mit Karine Gambier, Howard Vernon, Susan Hemingway, Aida Gouveia

auch bekannt als „Flucht von der Todesinsel“ (Wo war da eine Insel?) und „Tropical Inferno“

DVD

Ascot Elite (Jess Franco Golden Goya Edition)

Bild: 1,78:1 (16:9)

Ton: Deutsch (Dolby Digital 5.1), Englisch (Dolby Digital 5.1), Französisch (Dolby Digital 2.0)

Untertitel: Italienisch

Bonusmaterial: Fotogalerie, Originaltrailer, Wendecover

Länge: 75 Minuten

FSK: ab 18 Jahre

Ilsa – The Mad Butcher (Schweiz/Deutschland/USA 1977)

Regie: Jess Franco

Drehbuch: Manfred Gregor (Pseudonym von Erwin C. Dietrich), Jess Franco

mit Dyanne Thorne, Lina Romay, Eric Falk, Tania Busselier, Esther Studer, Jess Franco

auch bekannt als „Greta – Haus ohne Männer“ und „Ilsa, the wicked Warden“

DVD

Ascot Elite (Jess Franco Golden Goya Edition

Bild: 1,78:1 (16:9)

Ton: Deutsch (Dolby Digital 5.1), Englisch (Dolby Digital 5.1), Italienisch (Dolby Digital 5.1), Französisch (Dolby Digital 2.0)

Untertitel: Englisch, Japanisch

Bonusmaterial: Fotogalerie, Interview, Originaltrailer, Wendecover

Länge: 91 Minuten

FSK: ab 18 Jahre

Die teuflischen Schwestern - DVD-CoverWicked Women - DVD-Cover

Die teuflischen Schwestern – Sexy Sisters (Schweiz 1977)

Regie: Jess Franco

Drehbuch: Manfred Gregor

mit Karine Gambier, Pamela Stanford, Jack Taylor, Eric Falk

DVD

Ascot Elite (Jess Franco Golden Goya Edition)

Bild: 1,78:1 (16:9)

Ton: Deutsch (Dolby Digital 5.1), Englisch (Dolby Digital 5.1), Französisch (Dolby Digital 2.0), Spanisch (Dolby Digital 2.0)

Untertitel: Japanisch

Bonusmaterial: Fotogalerie, Originaltrailer, Wendecover

Länge: 84 Minuten

FSK: ab 18 Jahre

Wicked Women – Das Haus der mannstollen Frauen (Schweiz 1977)

Regie: Jess Franco

Drehbuch: Erwin C. Dietrich, Jess Franco

mit Lina Romay, Monica Swin, Nanda van Bergen

auch bekannt als „Frauen ohne Unschuld“

DVD

Ascot Elite (Jess Franco Golden Goya Edition)

Bild: 1,78:1 (16:9)

Ton: Deutsch (Dolby Digital 5.1)

Untertitel: Englisch, Niederländisch

Bonusmaterial: Fotogalerie, Wendecover

Länge: 77 Minuten

FSK: ab 18 Jahre

Hinweise

Wikipedia über Jess Franco (deutsch, englisch)

Kriminalakte: Mein Nachruf auf Jess Franco

Meine Besprechung von Jess Francos „Jack the Ripper – Der Dirnenmörder von London“ (Jack, the Ripper, Deutschland/Schweiz 1976)