Beginnen wir mit der wichtigsten Frage: Versteht man „Spy X Family Code: White“ wenn man Tatsuya Endos Manga „Spy x Family“ und die darauf basierende, auf Crunchyroll verfügbare gleichnamige Anime-TV-Serie nicht kennt? Immerhin ist der Kinospielfilm das Spin-off zur Zeichentrickserie.
Ja, man versteht die Filmgeschichte und wenn man die klassischen James-Bond-Filme mag, dürfte man beim Entschlüsseln der oft ziemlich offensichtlichen Anspielungen seinen Spaß haben.
Im Mittelpunkt des Films steht die ziemlich ungewöhnliche Familie Forger. Der Vater ist Geheimagent ‚Twilight‘ Loid. Die Mutter die Attentäterin Yor. Loid weiß nicht, womit Yor ihr Geld verdient. Und umgekehrt. Ihre Adoptivtochter Anya ist eine Telepathin. Das konstant begeisterungsfähige und neugierige Kind kann Gedanken lesen. Deshalb weiß sie, dass ihr Vater ein Agent und ihre Mutter eine Killerin ist. Und das ist noch nicht alles! Der Familienhund Bond kann in die Zukunft sehen.
Als Anya an ihrer Schule ein Gericht kochen soll, hat Loid eine Idee. Der Schuldirektor, der die Gewinner bestimmt, liebt Meremere. Dieses Gericht wird nur in Frigis in einem bestimmten Restaurant, das nur Familien bedient, stilecht zubereitet.
Also fährt die gesamte Familie über das Wochenende nach Frigis. Noch ehe sie das Rezept herausfinden, eigentlich schon auf der Hinfahrt im Zug, stolpern sie in eine Verschwörung, in der es um Schokolade, Mikrofilme, tumbe Handlanger und einen größenwahnsinnigen Verbrecher geht.
Wer sich schon immer fragte, wie eine James-Bond-Geschichte im Manga-Gewand aussähe, bekommt mit Takashi Katagiris Animationsfilm „Spy x Family Code: White“ eine ziemlich gute Vorstellung davon. Aus der James-Bond-Welt, also der klassischen, nicht der selbstzweifelnden Burnout-Daniel-Craig-James-Bond-Ära, stammt die Geschichte und die abschließende Zerstörung der riesigen Zentrale des Bösewichts. Aus der Welt der Mangas stammen die Figuren und der Zeichenstil.
Dazu gibt es viele, oft mehr als offensichtliche Hinweise, wie der Name des Familienhundes, der zwischen James Bond und „Mission: Impossible“ changierenden Musik und dem Plot, auf den in den James-Bond-Filmen etablierten Geheimagentenkosmos.
Die durchgehend selbstironisch präsentierte Geschichte kommt dagegen nur langsam in Schwung. Bevor der Kampf gegen die Bösewichter beginnt, wird erst einiges erklärt. So erfahren wir, dass die Familie für einen Geheimauftrag von Geheimagent Twilight als Tarnung zusammengestellt wurde. Er soll eine Eliteschule infiltrieren und so an einen hochrangigen Politiker herankommen. Wir erfahren einiges über die Beziehungen der Familienmitglieder zueinander, über Yors Zweifel an der Zuneigung ihres Mannes und über Anyas Probleme in der Schule. Das alles ist für die Filmgeschichte weitgehend überflüssige Exposition, die uns mit der Prämisse der Serie vertraut macht. Erst danach beginnt das vollständig außerhalb der Chronologie der Serie liegende Wochenendabenteuer, bei dem die Familie Forger spontan die Welt retten müssen. Das tun sie mit vereinten Kräften. Und irgendwann wenn sie mit vereinten Kräften die Bösewichter auf dem Land und in der Luft bekämpfen, stellt sich die berechtigte Frage, wie lange sie ihre Geheimnisse noch voreinander bewahren können. Oder anders gesagt: spätestens beim Schlusskampf entpuppt sich die Prämisse, nach der der Vater nichts über die Identität der Mutter als Killerin und die Mutter nichts über die Identität des Vaters als Geheimagent weiß und sie nichts über die besonderen Fähigkeiten ihrer Tochter wissen, als unnötig komplizierte Prämisse.
Das ändert nichts daran, dass „Spy x Family Code: White“ ein ziemlich vergnüglicher, etwas lang geratener locker-witziger Agententrickfilm für die gesamte Familie ist, der sich vor allem an Anime-Fans und, selbstverständlich, Fans der TV-Serie richtet.

Spy x Family Code: White (Gekijôban Spy x Family Code: White, Japan 2023)
Regie: Takashi Katagiri
Drehbuch: Ichiro Ohkouchi
LV: Tatsuya Endo: Spy x Family (Manga-Serie)
mit (im Original den Stimmen von) Takuya Eguchi, Atsumi Tanezaki, Saori Hayami, Ken’ichirô Matsuda, Hiroyuki Yoshino, Yuko Kaida, Kazuhiro Yamaji, Kenshô Ono, Natsumi Fujiwara, Emiri Kato, Ayane Sakura
Länge: 111 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
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Hinweise
Moviepilot über „Spy x Family Code: White“
Metacritic über „Spy x Family Code: White“
Veröffentlicht von AxelB