Entspannung im Kalten Krieg: Die Schlussakte von Helsinki(The Helsinki Effect, Finnland/Deutschland/Norwegen 2025)
Regie: Arthur Franck
Drehbuch: Arthur Franck
TV-Premiere. Humoristisches, in seiner Konzentration auf die Konferenztage letztendlich oberflächliches Dokuessay über die „Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (KSZE), die vom 30. Juli bis zum 1. August 1975 in Helsinki stattfand und die für die Entspannunspolitik der kommenden Jahre entscheidend war.
Die Doku lief vor einigen Tagen als „Der Helsinki-Effekt“ im Kino.
Helsinki ist nicht nur mit 664.000 Einwohnern die größte Stadt Finnlands, die Hauptstadt des Landes und Geburtsort der Schauspielerin Kati Outinen, sondern auch der Ort, in dem vom 30. Juli bis zum 1. August 1975 eine Konferenz stattfand, die jetzt in dem Dokumentarfilm „Der Helsinki Effekt“ nachgezeichnet wird und die für Studierende der Internationalen Beziehungen ein entscheidendes Datum im Ost-West-Konflikt ist. Es ist so bedeutend, dass dtv in seiner schon lange nur noch antiquarisch erhältlichen Reihe „20 Tage im 20. Jahrhundert“ einen Band danach betitelte: „Helsinki, 1. August 1975 – Entspannung und Abrüstung“.
Trotzdem kokettiert der finnische Dokumentarfilmer Arthur Franck, Regisseur von „Der Helsinki Effekt“, mit einer anderen Erklärung für seinen Film: „ Im Herbst 2021 begann ich, nach Ideen für einen neuen Film zu suchen. Ich wollte das Konzept erforschen, einen Film ohne einen einzigen Drehtag zu drehen, also nur mit Hilfe von Archiven. Und was die Fernsehbilder angeht, so war das Ereignis in der finnischen Geschichte, über das am meisten berichtet wurde, die Schlussphase der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die im Sommer 1975 in Helsinki stattfand.
Der Gedanke, einen Film über die KSZE zu drehen, erschien mir so unendlich langweilig, dass ich das Gefühl hatte, das könnte eine interessante Herausforderung sein. Und… das war es auch. (…)
Mein Ziel war es, einen Film über ein scheinbar langweiliges Thema zu machen, der unterhaltsam, überraschend und sogar lustig ist.“
Dafür konnte Franck auf die damals vom finnischen Fernsehen gemachten, 240 Stunden umfassenden Aufnahmen und auf die bereits vor über 20 Jahre veröffentlichten, aber nie öffentlich genutzten detailierten Protokolle von Hintergrundgesprächen der Staats- und Regierungschefs zurückgreifen. Diese nur schriftlich vorhandenen Gespräche erweckte Franck mit KI-Stimmen zum Leben. Das verrät er auch im Film. Trotzdem bleibt es ein überflüssiger Gimmick. Ein oder mehrere Sprecher hätten das genausogut erledigen können.
Dieses Material kompilierte Franck zu einem humoristisch gefärbtem Dokuessay, das die jahrelangen Vorbereitungen für die Konferenz (kürzer) und die ziemlich unspektakulären Tage in Helsinki (länger) nachzeichnet. Denn das Ringen um einzelne Formulierungen fand, wie immer bei internationalen Verhandlungen und Konferenzen, hinter verschlossenen Türen statt. Die Reden der Politiker, die nach einem vorher festgelegtem Plan erfolgten, und die feierliche Unterzeichnung der Schlussakte der „Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (KSZE) fanden dann in der Öffentlichkeit statt. In seinem Voice-Over nimmt er dann die Rolle eines naiven Beobachters ein, der das Geschehen immer wieder umgangssprachlich kommentiert.
Für eine über die Nachkriegsgeschichte vollkommen uninformierte Person ist der Film sicher eine gute, sehr allgemeine Einführung in das Thema. Alle anderen werden in dem amüsanten Panoptikum vieles vermissen. Der Fokus auf diese drei Tage in Helsinki und der Verzicht auf Interviews mit Zeitzeugen und Experten führt zu einer verengten und oberflächlichen Darstellung. Anstatt in die Tiefe des Ost-West-Konflikts zu gehen, den Vertrag und die unterschiedlichen und gemeinsamen Interessen der einzelnen Parteien zu analysieren und nachzuzeichnen, wie diese Konferenz das Weltgeschehen beeinflusste, bleibt es bei gelanweilt vor sich hin dösenden Politikern und ratlos an die Decke starrenden Journalisten.
Durch die reine Zusammenstellung der in der Öffentlichkeit vor Kameras stattfindenden Ereignisse kann Franck dann auch nicht zeigen, wie solche Konferenzen im Detail ablaufen und – auch wenn er es in seinem Fazit der Konferenz und der damit verbundenen Erklärung des titelgebenden Helsinki-Effekts sagt – was der große Gewinn solcher internationaler Konferenzen ist. Es ist die Diskussion miteinander und das gemeinsame Ringen um Lösungen. Das Ziel ist dabei weniger die feierlich vorgestellte Abschlusserklärung, sondern der Dialog vor und nach der Konferenz. Und die Hoffnung, dass Entwicklungen hin zu einer besseren Welt angestoßen werden. In diesem Fall setzte die Helsinki-Schlussakte eine Dynamik in Gang, die zum friedlichen Ende des Kalten Krieges beitrug.
Oder in den Worten von Arthur Franck: „Diplomatie ist eine wunderbare Sache, aber sie ist chaotisch, hart und komplex – genau wie das Leben selbst.
Sie ist jedoch wahrscheinlich das Beste, was wir Menschen je erfunden haben – und sie ist alles, was wir haben.
Für mich ist dies also ein Film über Hoffnung – und er zeigt die Mechanik, die Anatomie des diplomatischen Prozesses. Denn ich denke, es ist wichtig, die Menschen daran zu erinnern, wie es tatsächlich aussieht, wenn eine bessere Zukunft geschaffen wird. (…)
Der Film veranschaulicht, wie wir in der Vergangenheit immens komplizierte Probleme lösen konnten – durch Diplomatie. Und hoffentlich kann diese Geschichte als Inspiration dienen und uns ermutigen, den Weg der Diplomatie weiter zu gehen.“
Setzen wir uns also hin mit einer Tasse Kaffee und beginnen das Gespräch.
Der Helsinki Effekt(The Helsinki Effect, Finnland/Deutschland/Norwegen 2025)
Regie: Arthur Franck
Drehbuch: Arthur Franck
mit Leonid Breschnew, Henry Kissinger, Alexander Solschenitsyn, Gerald Ford, Urho Kekkonen
und Bjarne Mädel (Erzähler in der deutschen Fassung) und Arthur Franck (Erzähler in der Originalfassung)