Rick Ostermann erzählt in seinem Spielfilmdebüt anhand einiger Schicksale von den heute fast vergessenen „Wolfskindern“, das waren deutsche Kinder, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs von ihren Eltern getrennt wurden und die in Ostpreußen um ihr überleben kämpfen müssen.
Ein wichtiges Thema, das fast als Stummfilm inszeniert wurde und, was zu seinem Scheitern beträgt, in dem die historischen Hintergründe konsequent ignoriert werden.
Rick Ostermann erzählt in seinem Spielfilmdebüt anhand einiger Schicksale von den heute fast vergessenen „Wolfskindern“, das waren deutsche Kinder, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs von ihren Eltern getrennt wurden und die in Ostpreußen um ihr überleben kämpfen müssen.
Ein wichtiges Thema, das fast als Stummfilm inszeniert wurde und, was zu seinem Scheitern beträgt, in dem die historischen Hintergründe konsequent ignoriert werden.
Trotz der unzähligen Filme über den Zweiten Weltkrieg und die Nachkriegsjahre gibt es immer noch Geschichten, die noch nicht erzählt wurden. Wie die der Wolfskinder; Kinder, die in den letzten Kriegswirren von ihren deutschen Eltern getrennt wurden und sich alleine im nördlichen Ostpreußen durchschlagen mussten.
In seinem Debütfilm „Wolfskinder“ erzählt Rick Ostermann die Geschichte von einer handvoll Kinder, die 1946 ohne ihre Eltern alleine durch die litauischen Wälder streifen und versuchen zu überleben. Im Mittelpunkt steht der vierzehnjährige Hans (Levin Liam), der nach dem Tod seiner Mutter (Jördis Triebel), mit seinem jüngerem Bruder Fritz (Patrick Lorenczat) versucht auf ein Landgut zu gelangen, in dem sie 1945 lebten. Ihre Mutter sagte, dass die dortige Bäuerin sie aufnehmen werde.
Auf dem Weg erleben sie zahlreiche Abenteuer, die immer wieder, ohne nennenswerte Variation, bittere Episoden von Tauschhandel erzählen. Ein Stofftier gegen eine Mahlzeit. Ein Kind gegen drei Äpfel. Die Erwachsenen sind immer wieder Menschen, die ihnen böse gesinnt sind. Die sie, wenn sie Soldaten sind, sofort töten wollen. Und die von Hans mehr oder weniger angeführte Gruppe von Kindern verändert sich auf ihrem ziellos erscheinendem Weg in ihrer personellen Zusammensetzung immer wieder. Er verliert seinen Bruder, der anscheinend im Fluss von Soldaten erschossen wurde. Bei dieser Flußüberquerung trifft er zwei Mädchen.
Gemeinsam setzten sie ihren Weg, der immer sinnloser wird. fort. Auch weil sein Ziel, der Hof, immer mehr wie eine Fata Morgana wirkt, die Hans immer weiter antreibt, auch wenn er auf seiner Reise immer wieder die Chance hätte, irgendwo unterzukommen.
Ostermann erzählt diese Geschichte, die in Litauen gedreht wurde, mit beindruckenden Landschaftsaufnahmen fast als Stummfilm, der allerdings nie wirklich packt. Denn obwohl es die Wolfskinder wirklich gibt, wirkt die Situation und die Reise der Kinder in „Wolfskinder“ immer künstlich und, auch weil die historische Situation nie thematisiert wird, erscheint das Verhalten der gesichtslosen Soldaten, die Kinder nur als Zielscheiben benutzen, seltsam. Auch dass die Kinder die Landessprache nicht verstehen, erscheint seltsam. Weil aber diese Dialoge nicht untertitelt sind, die deutschen Dialoge der Kinder oft im Off sind (meistens sehen wir das sprechende Kind nicht) und deren Spiel extrem ausdrucksarm ist, verstärkt sich das Gefühl, außerhalb der Geschichte zu stehen, die letztendlich mehr an eine der aktuellen, ungleich packenderen, in der mehr oder weniger nahen Zukunft spielenden Dystopien, wie „The Road“, „The Walking Dead“ oder, um auch einen deutschen Film zu nennen, „Hell“ erinnert.
Allerdings erreicht „Wolfskinder“ niemals die Qualität dieser Geschichten. Ostermann will in seinem Film einerseits konkret von einem historischen Ereignis erzählen, ohne die Hintergründe, die Vorgeschichte, zu thematisieren. Daher nimmt er die Perspektive der Kinder ein, die nichts von den vorherigen Ereignissen wissen. Und wir wissen nichts über die Eltern dieser Kinder. Sie sind einfach da. Gleichzeitig will Ostermann abstrakt eine Parabel mit offenem Ende über Kinder als Opfer von Kriegen erzählen. Das funktioniert in diesem Fall nicht, weil sich die verschiedenen Erzählhaltungen und Perspektiven und unser historisches Wissen, immerhin sollen wir mit den Kindern von Tätern sympathisieren, diametral gegenüber- und im Weg stehen.
Außerdem fragte ich mich, warum Rick Ostermann bis zum geht nicht mehr abstrahiert, anstatt konkret von einem Schicksal, einem wahren Fall, zu erzählen.
Wolfskinder(Deutschland 2013)
Regie: Rick Ostermann
Drehbuch: Rick Ostermann
mit Levin Liam, Helena Phil, Jördis Triebel, Vivien Ciskowska, Patrick Lorenczat, Willow Voges-Fernandes, Til-Niklas Theinert
Normalerweise fasse ich ja die Handlung einer Geschichte selbst zusammen, aber bei „Shocking Shorts 2014“, einer Sammlung von zehn deutschen Kurzfilmen, die vor allem spannend sein sollen, wurde das bereits vom Verleih und der Presseagentur gut erledigt. Deshalb gibt es jetzt, mit kleinen Ergänzungen, erst einmal die Filmzusammenfassungen und danach meine Kritik: 1) Au Pair
Regie: Marc Schießer
Drehbuch: Marc Schießer
Deutschland, 2013
Länge: 25:03 Minuten
Darsteller: Pia Slomczyk, Yvonne Yung Hee, Darell Montoya, Janina Grün
Das französische Au-Pair-Mädchen Joline (Pia Slomczyk) kommt für einige Zeit nach Deutschland, um im chinesischen Restaurant „Blue Dragon“ zu arbeiten. Zwischen ihr und ihrer Gastmutter Frau Zhou (Yvonne Yung Hee) entsteht ein zunehmend angespanntes Verhältnis, das sich schnell zu einem Psycho-Duell zuspitzt.
– 2) Dunkler Wald
Regie: Felix F. Walz
Drehbuch: Florian Wentsch
Deutschland, 2013
Länge: 05:15 Minuten
Darsteller: Sarah Maria Besgen, Oliver Franck
Die junge Simone (Sarah Maria Besgen) erwacht in ihrem Badezimmer. Die Wände sind blutverschmiert und irgendwo in ihrem Haus ertönen merkwürdige Geräusche. Ängstlich und zugleich von Neugier getrieben macht sich Simone auf, um herauszufinden, was geschehen ist. Die Spuren scheinen sie zuerst in die Irre zu führen. Doch als sie einem Auto in den nahen Wald folgt, macht sie eine schockierende Entdeckung.
– 3) Vollnarkose
Regie: Johannes Furrer
Drehbuch: Johannes Furner
Deutschland, 2013
Länge: 12:53 Minuten
Darsteller: Christian Furrer, Jonas Müller-Liljeström, Bernd Michael Straub, Carolin Freund
Der junge Anästhesist Peter (Christian Furrer) wird bei einer OP mit seiner Vergangenheit konfrontiert: Auf dem Operationstisch liegt ein Mann, mit dem Peter noch eine Rechnung offen hat. Hin- und hergerissen zwischen seiner ärztlichen Pflicht und seinen Rachegelüsten, kämpft er mit der Erinnerung.
– 4) Revolve
Regie: Andreas Olenberg, Nils Klatt
Drehbuch: Andreas Olenberg, Nils Klatt, Daniel Littau
Deutschland, 2013
Länge: 17:36 Minuten
Darsteller: Alwin Barg, Martin Geuer, Hans Morgeneyer, Sebastian Sellner
Sechs Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen in einem abgelegenen Gasthaus zusammengekommen sind, eint ein Ziel: Sie wollen die Nacht überleben. Sie spielen mit hohen Einsätzen und kompromisslosen Regeln. Eine Waffe in der Mitte, in jeder zweiten Kammer eine Patrone, 50 Prozent Überlebenschance, für den, der an der Reihe ist. Und nur ein Gewinner. Wozu ist der Mensch bereit, wenn er nichts zu verlieren hat?
– 5) Anti Cupido
Regie: Andreas Pakull
Drehbuch: Andreas Pakull
Deutschland, 2014
Länge: 15:00 Minuten
Darsteller: Thomas Krutmann, Meike Gottschalk, Christof Düro, Laurenz Dietz
Ein Ehepaar wird von einer bizarren Gestalt (Thomas Krutmann) aus dem Schlaf gerissen und mit einer Armbrust bedroht. Doch der Fremde will das Ehepaar nicht berauben, sondern ein Gespräch erzwingen. Schnell stellt sich heraus, dass „Anti Cupido“ mehr über die beiden weiß, als ihnen recht ist.
– 6) Antlitz des Bösen
Regie: Jasmin Lord
Drehbuch: Jasmin Lord, Marco J. Riedl
Deutschland, 2014
Länge: 17:00 Minuten
Darsteller: Tamara Rohloff, Philipp Danne, Francisco Medina
Die erfolgreiche Autorin Nina Sanders (Tamara Rohloff) lädt den jungen Journalisten Daniel (Philipp Danne) zu einem ihrer seltenen Interviewtermine ein. Daniel recherchiert über einen Serienmörder, der in der Stadt sein Unwesen treibt. Auch Nina wurde als junges Mädchen von einem Psychopathen gefangen gehalten und missbraucht, konnte jedoch fliehen. Während des Interviews stellt sich heraus, dass Daniel mehr als nur Hintergrundwissen eines ehemaligen Opfers will.
– 7) Malik
Regie: Gregor Bös
Drehbuch: Gregor Bös, Thomas Bünger, Laurenz Lerch
Deutschland, 2013
Länge: 08:00 Minuten
Darsteller: Hubert Burczek, Laurenz Lerch, Canan Kir
David (Laurenz Lerch) arbeitet als Barkeeper. Beim Flirt mit der hübschen Sophie (Canan Kir) wird er von einem mysteriösen Mann (Hubert Burczek) gestört, der ihm eine perfide Wette vorschlägt: Er verspricht David einen Sportwagen, sollte sein Feuerzeug zehnmal hintereinander funktionieren. Doch bleibt die Flamme nur einmal aus, verliert David etwas viel Wertvolleres.
– 8) Rotkäppchen: Eine Erzählung von Blut und Tod
Regie: Florian von Bornstädt, Martin Czaja
Drehbuch: Florian von Bornstädt
Deutschland, 2013
Länge: 17:19 Minuten
Darsteller: Cornelia Werner, Alexx Grimm, Vivien Ciskowska
Als Markus (Alexx Grimm) vor seinem Wohnhaus ein verdrecktes Mädchen (Vivien Ciskowska) entdeckt und es mit in seine Wohnung nimmt, ahnt seine Frau Annika (Cornelia Werner) schnell, dass mit diesem Kind etwas nicht stimmt. Sie fühlt sich nicht wohl bei dem Gedanken, es über Nacht in der Wohnung zu haben und soll schnell Recht behalten. Das Mädchen kennt intime Geheimnisse des Ehepaars. Bald beginnt ein Psychospiel, das blutig enden soll.
– 9) die Prüfung
Regie: Claudio Franke
Drehbuch: Claudio Franke
Deutschland, 2014
Länge: 06:00 Minuten
Darsteller: Markus Knüfken, Valentin Teufel, Melanie Herbe
„Weil du jetzt zwölf bist. Jeder muss diese Prüfung ablegen.“ Als Léon (Valentin Teufel) zwölf wird, steht die Prüfung an. Der Staat, in dem er lebt, testet jeden Bürger im Alter von zwölf Jahren. Léons Mutter (Melanie Herbe) erklärt ihm, dass es eine Art Intelligenztest sei. Da er immer ein guter Schüler war, macht sich der Junge keine Sorgen. Doch seine Eltern verhalten sich merkwürdig.
– 10) Abbitte eines Mörders
Regie: Julian Cohn
Drehbuch: Julian Cohn
Deutschland, 2013
Länge: 21:30 Minuten
Darsteller: Olaf Krätke, Bernd Gnann, Ludwig Blochberger, David Heim, Marc Adler
Eine Kirche. Ein junger Pater (Ludwig Blochberger) im Beichtstuhl. Ein alter Mann (Olaf Krätke) in der Nachbarkabine. Er will Buße tun – so scheint es zumindest. Doch schon bald wird klar, dass keiner der beiden, der ist, der er vorgibt zu sein.
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Na, das klingt doch ganz spannend und insgesamt fallen die zehn Kurzfilme auch überraschend spannend aus, sind kurzweilig und haben eine gelungene Pointe, auch wenn einige überdeutlich von bekannten Vorbildern inspieriert sind („Malik“ von einer Episode aus „Four Rooms“) oder die Pointe absehbar ist, vor allem bei den Psychodramen „Abbitte eines Mörders“ oder „Anlitz des Bösen“, dem Gewinner des diesjährigen Shocking Shorts Award, der seit fünfzehn Jahren vom TV-Sender 13th Street vergeben wird.
Ansonsten geht es quer durch die Genres und Genrevarianten zwischen Crime und Horror. Mal mehr, mal weniger ernst. So erzählt „Anti Cupido“, grotesk übersteigert und witzig, von einer Paartherapie der anderen Art. Der Horrorfilm „Dunkler Wald“ beeindruckt durch seine expressionistische SW-Noir-Kamera – und ist der stilistische Gewinner. „die Prüfung“ ist eine hundsgemeine Dystopie, die auf einer Kurzgeschichte von Henry Sleaser, einem Meister der kurzen Form, basiert.
Das sind die drei besten Filme, aber auch das stilisierte „Au Pair“, „Revolve“ (letztendlich ein lupenreiner Gangsterkrimi), die als Drogentrip abfallende „Vollnarkose“ und das in Richtung Fantasy gehende „Rotkäppchen: Eine Erzählung von Blut und Tod“ brauchen sich nicht zu verstecken.
Als Bonusmaterial gibt es einen gut neunminütigen „Bericht vom Shocking Shorts Award 2013“, der ungefähr die Tiefe einer Boulevard-Reportage hat. Da wären einige Hintergrundinformationen zu den für wenig Geld herstellten Kurzfilmen und den Machern deutlich spannender gewesen.