Vorgelesen, mit Erklärungen: Volker Kaminski liest aus seiner Endzeitnovelle „Die letzte Prüfung“

Januar 21, 2025

In der Zukunft ist die nördliche Halbkugel vereist. Der gelobte Ort heißt Tripolis, aber der Weg zu diesem Paradies ist gefährlich und die Stadt darf erst nach der Absolvierung mehrerer Prüfungen betreten werden Der jüngste Prüfling des erfahrenen Prüfers Ted ist Falt, ein immer wieder gegen die Regeln verstoßender junger Mann mit großen Ambitionen.

Volker Kaminski schrieb diese gelungene Mischung aus Dystopie und Abenteuergeschichte vor über dreißig Jahren. Die Endzeitnovelle erschien 1994 im Verlag Klaus Wagenbach als „Die letzte Prüfung“. Für die 2024 bei PalmArtPress erschienene Neuausgabe überarbeitete Kaminski den ursprünglichen Text seines ersten Romans leicht.

Volker Kaminski lebt in Berlin. Er studierte Germanistik und Philosophie in Freiburg und Berlin. Er schreibt Kolumnen, Kurzgeschichten und Romane, u. a. zuletzt „Herzhand“, „RUA 17“ und „Die letzte Prüfung“. Er erhielt unter anderem ein Alfred Döblin-Stipendium und ein Stipendium der Kunststiftung Baden-Württemberg.

Die Lesung wurde am 17. Januar 2025 im „Morgenstern – Antiquariat und Café“ (Berlin/Steglitz) aufgenommen.

Aufnahme: Axel Bussmer

Volker Kaminski: Die letzte Prüfung

PalmArtPress, 2024

116 Seiten

20 Euro

Hinweise

Homepage von Volker Kaminski

PalmArtPress über „Die letzte Prüfung“

Wikipedia über Volker Kaminski

Homepage von Morgenstern – Antiquariat und Café

Meine Besprechung von Volker Kaminskis Science-Fiction-Romanen „RUA 17“ (2023) und „Die letzte Prüfung“ (2024)


Volker Kaminski besucht für „Die letzte Prüfung“ die „RUA 17“

Dezember 17, 2024

Utopische Literatur aus Deutschland? Es gibt sie und es gab sie schon immer. Im Filmbereich wären „Metropolis“, „Frau im Mond“ und die „Dr. Mabuse“-Filme zu nennen. Später gab es Rainer Werner Fassbinders „Welt am Draht“, ungefähr alle Filme von Rainer Erler, zu denen er auch manchmal Bücher veröffentlichte, das in Deutschland entstandene Frühwerk von Roland Emmerich, wie „Das Arche-Noah-Prinzip“, und Tim Fehlbaums „Hell“ und „Tides“. Um nur einige sehenswerte Filme zu nennen.

Seit 1961 gibt es die Heftromane und Romane mit „Perry Rhodan“.

Und es gibt Romanautoren wie Kurd Laßwitz (nach dem Deutschlands wichtigster Science-Fiction-Preis benannt ist), Hans Dominik (dessen Bücher über Jahrzehnte in fast jedem Bücherhaushalt zu finden waren und in der Stadtbücherei gerne ausgeliehen wurden), Wolfgang Jeschke (dessen Tätigkeit als langjähriger Herausgeber des Heyne-Science-Fiction-Programms nicht überschätzt werden kann), Carl Amery und jüngere Autoren wie Andreas Eschbach und Dietmar Dath. Sie alle zeigen, dass es Science-Fiction aus Deutschland gibt.

Auch Frank Schätzings „Der Schwarm“ und Marc-Uwe Klings beiden „QualityLand“-Romane sind eindeutig Science-Fiction-Romane, die als Bestseller nicht unbedingt als Science-Fiction-Roman rezipiert wurden.

Mit seinem ersten Buch, der Novelle „Die letzte Prüfung“, die erstmals 1994 erschien, und dem Roman „RUA 17“ reiht Volker Kaminski sich in diese ehrwürdige Reihe ein. Beim Lesen von „RUA 17“ fragte ich mich, warum der Roman nicht bei einem großen Verlag, wie Heyne oder Bastei-Lübbe, sondern bei einem kleinen Verlag, nämlich dem Independent-Verlag PalmArtPress, erschien. Für die Qualität des Romans ist es egal. Für den Verkauf eher nicht.

RUA 17“ beginnt wie eine klassische Dystopie. In der Zukunft helfen humanoide Roboter, Assistenten genannt, Menschen. In dem Altstadtviertel RUA 17 helfen sie älteren Menschen bei ihren alltäglichen Tätigkeiten, pflegen sie und überwachen sie. Dort leben die Menschen in Wohngemeinschaften. Immer wieder nehmen die Assistenten Mitglieder der Gemeinschaft mit. Einige verschwinden nicht ganz freiwillig. Wenig später bringen sie andere ältere Menschen in die Wohngemeinschaften. Die Erinnerung an die Verschwundenen verblasst so schnell, dass Meister, ein Bewohner von Haus 1021 und ehemaliger Lateinlehrer, neugierig wird. Er fragt sich, warum seine Mitbewohner verschwinden und was mit ihnen geschieht. Bäumer, so sein richtiger Name, notiert sich, was ihm wichtig erscheint.

Außerdem unterrichtet er jede Woche einige Stunden die in der noblen Westrandsiedlung wohnde Schülerin Daria. Ihr Vater Mikael Grandin ist Mathematiker und Theoretiker der Künstlichen Intelligenz. Sie hat keine Lust am Schulunterricht. Meister wurde von Grandin engagiert, um das zu ändern. Gemeinsam beginnen Meister und die sich im Teenageralter befindende Computerexpertin Daria nach der Wahrheit zu suchen.

Und wie in jeder ordentlichen Dystopie mögen die Mächtigen es nicht, wenn Menschen beginnen, gegen die Regeln des Systems zu verstoßen und an ihm zu zweifeln.

In „RUA 17“ spricht Kaminski, wenn Meister und Daria beginnen, die Dystopie zu erkunden, auch aktuelle Probleme, wie den Umgang mit alten Menschen, und Möglichkeiten und Grenzen von Künstlicher Intelligenz und computergenerierten Fantasiewelten an. Genau deswegen könnte sich die ganze Geschichte auch in Meisters Kopf abpielen. Dann wäre „RUA 17“ keine „Brave New World“-Dystopie, sondern der Blick in den Kopf eines zunehmend dementen Mannes. Oder in die „Matrix“, wo Maschinen sich um das Wohlbefinden der Menschen kümmern.

In jedem Fall ist „RUA 17“ eine spannende Lektüre, die sich schnell zu einer ziemlich komplexen, aber immer nachvollziehbar erzählten Geschichte über Menschen und die Gefahren und auch Chancen von Künstlicher Intelligenz entwickelt. Kaminskis Dystopie könnte, weil sie nicht auf einen Konflikt und ein klares Ende fixiert ist, die Vorlage für eine sich über mehrere Staffeln erstreckende TV/Streamingserie oder ein Computerspiel sein. In dem Spiel könnten die Spieler dann über einen langen Zeitraum die Welt erkunden.

Die ungefähr hundertseitige ‚Endzeitnovelle‘ „Die letzte Prüfung“ erschien 1994 im Verlag Klaus Wagenbach und wurde für die aktuelle Ausgabe von Volker Kaminski etwas überarbeitet. Die Geschichte spielt in einer zeitlich nicht genau verorteten zukünftigen Welt, in der die Erde seit Jahrzehnten bis zum afrikanischen Kontinent vereist ist. Tripolis ist die mythische utopische Stadt, die das Ziel einer gefährlichen Reise und damit verbundenen Prüfungen ist. Teds neuer Prüfling ist Falt. Und dieser Prüfling ist für den alten Prüfer eine wirkliche Herausforderung.

Im Gegensatz zu „RUA 17“ ist in „Die letzte Prüfung“ die Welt in der die Geschichte spielt, nur sparsam gezeichnet. Sie beschränkt sich auf das von Ted und Falt benutzte Fahrzeug und die unwirtliche Welt, die sie durchfahren. Die Geschichte selbst ist eine spannende Science-Fiction-Abenteuergeschichte mit einem etwas abruptem Ende. „Die letzte Prüfung“ ist die ideale Lektüre für einen halblangen Abend.

Volker Kaminski: RUA 17

PalmArtPress, 2023

336 Seiten

25 Euro

Volker Kaminski: Die letzte Prüfung

PalmArtPress, 2024

116 Seiten

20 Euro

Erstausgabe

Verlag Klaus Wagenbach, 1994

Hinweise

Homepage von Volker Kaminski

PalmArtPress über Volker Kaminski

Wikipedia über Volker Kaminski