„Schwarzer Ozean“: Corto Maltese auf Schatzsuche

Sommerzeit. Lesezeit für eine Abenteuergeschichte, die einen fremde Länder besuchen und gefährliche Abenteuer erleben lässt, ohne dabei die Hängematte verlassen zu müssen. Zum Beispiel mit der 2001 spielenden „Corto Maltese“-Geschichte.

Moment mal, werden jetzt einige ältere Semester sagen. Corto Maltese kenne ich. Aber der erlebte seine Abenteuer zu Beginn des 20. Jahrhunderts und traf immer wieder bekannte Persönlichkeiten, wie Rasputin, Jack London, Butch Cassidy, Joseph Roth und Marlene Dietrich (Nur Alan Moores Liga der außergewöhnlichen Gentlemen traf er nicht.). Hugo Pratt hat diesen Kapitän ohne Schiff und Glücksritter erfunden. Von 1967 bis 1991 erzählte er in zahlreichen Comics seine Abenteuer. 1995 starb Hugo Pratt.

Seit 2015 erzählen Juan Díaz Canales und Rubén Pellejero weitere Abenteuer des Seemanns. Und sie planen schon das nächste Abenteuer des Kapitäns.

2021 betraten Zeichner Bastien Vivès und Autor Martin Quenehen die „Corto Maltese“-Welt. Ihre Geschichte spielt in die Gegenwart. Das ist kein Problem. Denn Corto Maltese ist vor allem ein Archetyp und eine bestimmte Haltung zur Welt. Er ist ein Seemann, Glücksritter, Abenteurer, der mehr am Entdecken als am Geldverdienen interessiert ist. Deshalb solidarisiert er sich immer wieder mit den Schwachen. Und er hat in jedem Hafen mindestens einen Freund.

Die von Quenehen und Vivès erzählte Geschichte „Schwarzer Ozean“ beginnt im Chinesischen Meer. Corto Maltese hat auf einem kleinen Boot als Steuermann angeheuert. Dass er so bei einem Verbrechen hilft, stört ihn nicht. Aber als er mitbekommt, dass es nicht um irgendeinen Diebstahl von einem anderen Schiff geht, sondern die Passagiere dieser Yacht ermordet werden, haut er ab. Auf seiner Flucht kann er einen der Passagiere des anderen Schiffes retten. Gemeinsam fahren sie nach Tokio, wo Fukuda dann doch ermordet wird. Vor seinem Tod kann er Corto ein wertvolles Buch über einen verschwundenen Goldschatz der Inka geben.

Mit dem Buch als Schatzplan macht sich Corto auf den Weg nach Peru. In einer einsam in den Bergen gelegenen Mine will er den Schatz finden. An dem Schatz sind auch die ultra-nationalistische Terroristengruppe Black Ocean, die ihn schon seit Tokio verfolgt, und ein Drogenkartell interessiert.

Dabei ist für ihn der Weg zum Ziel ein großer, im Vergnügen bereitender Teil des Abenteuers. Vor allem wenn er eine gut aussehende Frau, wie die Kriegsreporterin Freya, wieder trifft und mit ihr auf einem Boot einige Tage verbringen kann.

Vivès und Quenehen erzählen ihre Geschichte als flotte Abenteuergeschichte, die angenehm an klassische Abenteuergeschichten erinnert. Es gibt, weil die Geschichte um 9/11 spielt, einen deutlich erkennbaren historischen Hintergrund. Aber in ihrem Herzen ist Cortos neus Abenteuer eine dieser Kolportage-Geschichten, in denen ein tapferer Einzelgänger (heute wäre es eine ganze Fußballmannschaft mit Frau, Kind und Kegel – und Oma und Opa) gegen Bösewichter kämpft, Freundschaften schließt, Menschen hilft und gut aussehende Frauen trifft, die sofort seinem Charme verfallen. Kein Wunder, wenn er wie der junge Alain Delon aussieht.

Heute werden solche Geschichten nicht mehr erzählt. In den Fünfzigern und Sechzigern, zum Beispiel mit Alain Delon und Lino Ventura in „Die Abenteurer“, schon. Und sie unterhielten uns, wenn wir sie als Teenager entdeckten, prächtig.

Das gilt auch für „Schwarzer Ozean“. Nach hundertsechzig kurzweiligen Seiten ist diese Geschichte zu Ende.

Hugo Pratt/Martin Quenehen/Bastien Vivès: Corto Maltese: Schwarzer Ozean

(übersetzt von Resel Rebiersch)

Schreiber & Leser, 2022

184 Seiten

24,80 Euro

Originalausgabe

Corto Maltese: Océan Noir

Cong S. A., 2021

Hinweise

Schreiber & Leser über Corto Maltese

Wikipedia über Corto Maltese (deutsch, englisch, französisch) und Hugo Pratt (deutsch, englisch, französisch)

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..