Vor längerem habe ich bereits geschrieben, dass ich ein altes Manuskript überarbeiten werde. Die erste Fassung hat mir nicht gefallen. Ich fand sie nicht spannend genug. Wenn ich einen meiner Texte auch beim fünften Mal noch Wort für Wort lese und nicht gegen den Schlaf ankämpfen muss, dann kann er nicht ganz schlecht sein. Wenn ich beginne, die Seiten zu überfliegen, dann, tja, dann stimmt etwas nicht. Bei „Verschwunden“ (so ist immer noch der Arbeitstitel; ich könnte es aber in „Katharina“ umbenennen; hm, der Titel gefällt mir) hat mich die erneute Lektüre nicht gepackt, aber es gibt zahlreiche gute Szenen und die Schlusspointe ist auch gut. Allerdings wird es jetzt ein anderes Ende geben.
Die Arbeit geht, wie ich mir gedacht habe, ziemlich gut voran. Nur gestern stieß ich auf ein Problem. Die Geschichte wird bis auf zwei Szenen (jedenfalls bis jetzt) aus der Sicht des ermittelnden Privatdetektivs erzählt. Sie ist ganz traditionell in der ersten Person Vergangenheit (Ich kam, sah und siegte) geschrieben.
Doch bei den erwähnten beiden Szenen wechsele ich die Perspektive und erzähle aus der Sicht einer anderen Person. Mein Held erfährt später davon. Ich fand es beim Schreiben interessant, die Sicht zu wechseln und länger mit einer anderen Stimme zu erzählen. Außerdem wechselte ich in der ersten Szene in die Gegenwartsform. Ich hatte dafür zwei Gründe. Einmal wollte ich so die beiden Stimmen noch unterscheidbarer machen. Denn niemand würde ein „ich kam, sah, siegte“ mit einem „ich komme, sehe, siege“ verwechseln. Außerdem passte es zu dem von mir für ihn gewählten leicht atemlosen Stream-of-Consciousness-Stil. Während der Detektiv ruhig und überlegt vorgeht, plant der andere nicht. Er nimmt die Ereignisse mit jugendlicher Begeisterung einfach auf.
In der zweiten Szene mit diesem Charakter fiel ich dann doch wieder in die üblichere Vergangenheitsform zurück und jetzt stehe ich vor der Frage, in welcher Zeitform der Charakter von seinen Erlebnissen erzählt.
Theoretisch habe ich die freie Wahl. Außerdem ist die Gegenwartsform derzeit besonders bei deutschen Autoren sehr beliebt. Für diese Zeit spricht natürlich das Handeln des Charakters. Er unternimmt einiges und plant dabei seine Aktionen nicht groß voraus. Er agiert einfach. Das kann in der Gegenwartsform gut erzählt werden.
Dagegen spricht, dass die Vergangenheitsform die seit Jahrhunderten gebräuchliche Form zum Erzählen von Geschichten ist. Es scheint also keinen Leser zu stören, wenn der Held von vergangenen Ereignissen berichtet. Als Leser erleben wir es trotzdem gegenwärtig. Als Vielleser bin ich sogar so sehr an Vergangenheitsform gewöhnt, dass ich immer „kam, sah, siegte“ lese, auch wenn da steht „komme, sehe, siege“. Irgendwann stoppe ich dann leicht irritiert, lese den Absatz noch einmal und bin aus meinem Lesefluss gerissen. Außerdem lesen sich die meisten in der Vergangenheit erzählten Texte auch besser, weil in dieser Zeitform flüssiger formuliert werden kann. Hier ist es möglich eine Vorschau auf künftige Ereignisse zu machen. Hier ist es möglich, Gespräche zu raffen. Wenn ich in der Gegenwartsform schreibe, ist das schwieriger. Denn rein logisch kann ich nicht in einem Satz sagen „ich komme, sehe, siege“. Zwischen den einzelnen Aktionen vergeht immer wieder eine bestimmte Zeit.
Weil ich letztendlich an einem flüssig zu lesenden Text interessiert bin, werde ich jetzt auch die erste, von diesem Charakter erzählte, Szene in die Vergangenheitsform setzen.