„Von Angst gepeitscht“ ist der deutsche Titel von William P. McGiverns vor fünfzig Jahren erstmals erschienenen Kriminalroman. Bekannter dürfte der Originaltitel „Odds against tomorrow“ oder der der Verfilmung, „Wenig Chancen für morgen“ sein. Dabei lieferte McGivern – von ihm stammt auch die Vorlage zum Fritz Lang-Klassiker „Heißes Eisen“ (The big Heat, USA 1953) – nur die Grundidee und das Thema für den viel zu unbekannten Noir-Klassiker. Im Buch und im Film stellt Frank Novak ein gemischtrassiges Team für einen Banküberfall in dem Provinzkaff Crossroads, Pennsylvania, zusammen. Zwischen dem Südstaatler Earl Slater und dem Afroamerikaner John Ingram gibt es von der ersten Sekunde an Streit. Dennoch bereiten sie den Überfall vor und, entsprechend den Genrekonventionen – Wir reden von den Fünfzigern! –, geht dieser schief.
Der Film endet in diesem Moment. Wise hat minutiös die Vorbereitungen und die Konflikte unter den Verbrechern, die zum Misslingen geführt haben, gezeigt. Die Aussage, dass der Hass zwischen Rassen zur Katastrophe führt, ist offensichtlich.
Aber William P. McGiverns Roman geht noch weiter. Er verliert kein Wort über die Vorbereitungen, sondern springt, nachdem das Team komplett ist, gleich zum Tag des Überfalls. Dieser endet bereits in der ersten Hälfte des Krimis in einem Desaster. Der dritte Mann, Dave Burke, wird erschossen, Slater verletzt und Ingram kann Slater in den Fluchtwagen zerren. Die beiden flüchten zu einem alten, in einer einsamen Hütte lebendem Ehepaar. Ingram holt aus Philadelphia Slaters Freundin und aus einem in der Nähe des Verstecks liegendem Dorf einen Arzt. Währenddessen zieht sich über ihnen das Netz der Polizei immer mehr zu.
In dieser Ausnahmesituation entwickelt sich langsam eine brüchige Freundschaft zwischen dem hilfsbereiten und zuverlässigen Ingram und dem Weltkrieg-II-Veteranen Slater. Dieser ist, im Gegensatz zum Film, im Roman die Hauptfigur. Mit ihm sollen sich die weißen Leser identifizieren und seine emotionale Reise vom Hass gegen Afroamerikaner hin zur Freundschaft mitmachen.
William P. McGivern thematisiert in „Von Angst gepeitscht“, mit Sicherheit als einer der ersten, vielleicht sogar der erste, Krimiautoren schonungslos die getrennten Welten von Afroamerikanern und Weißen und den zwischen ihnen herrschenden Rassismus. Dabei ist John Ingram sogar der integerste Mann unter den Verbrechern. Er ist ein Spieler, der einfach zu viele Schulden machte. Slater saß bereits mehrmals im Gefängnis und Burke ist ein korrupter Ex-Polizist.
Sein Thema transportiert William P. McGivern unterschwellig in einen Gangsterroman, der auch heute noch ein echter Pageturner ist. Denn McGivern treibt die Geschichte erbarmungslos mit jedem Satz voran. Auf jeder Seite geschieht etwas Überraschendes. Dabei wechselt er souverän die Perspektiven zwischen den Gejagten und den Jägern.
„Von Angst gepeitscht“ ist eine mustergültige Studie im Aufbau von Spannung. Dass die Übersetzung nicht so gut ist, stört letztendlich kaum.
William P. McGivern: Von Angst gepeitscht
Xenos Verlagsgesellschaft, 1978 (Wiederauflage)
144 Seiten
(nicht mehr erhältlich)
Frühere Ausgaben unter anderem Dörnerschen Verlagsgesellschaft und Heyne Verlag.
Originalausgabe:
Odds against tomorrow, 1957
Verfilmung:
Odds against tomorrow (Wenig Chancen für morgen, USA 1959, Regie: Robert Wise)
Drehbuch: Abraham Polonsky (ungenannt), John O. Killens (Strohmann für Polonsky), Nelson Gidding
Mit Harry Belafonte, Robert Ryan, Shelley Winters, Ed Begley, Gloria Grahame
Anmerkung zum Cover:
Ende der Siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts veröffentlichte die XENOS-Verlagsgesellschaft in der Reihe “Super-Krimi” zahlreiche Kriminalromane, die davor bereits bei verschiedenen Verlagen, unter anderem Heyne und Scherz, erschienen waren. Unter anderem Werke von Erle Stanley Gardner, Carter Brown, Edward S. Aarons, Day Keene und Agatha Christie. Sie hatten alle diese liebevollen Pulp-Zeichnungen. Diese ist von Noiquet
Mehr über William P. McGivern:
Schönen Dank für den Tipp! Habe mir umgehend ein Exemplar über Booklooker bestellt.
LG Claus
PS: Wahrscheinlich überflüssig Dir mitzuteilen, aber der November und Dezember sind bei RARA-AVIS ein Lawrence Block-Monat.
Warum nur findet man solche Cover heute nicht mehr?
Liebe Grüße
Ludger
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