Miguel Ángel Morgado ist Anwalt, Menschenrechtler und in den Geschichten von Gabriel Trujillo Muñoz hauptsächlich als Detektiv unterwegs. Das war schon in „Tijuana Blues“, dem ersten Buch mit Morgado, einer Sammlung von vier Kurzromanen, so. In der zweiten Kurzroman-Sammlung „Erinnerung an die Toten“ hat sich daran nichts geändert. Sie enthält die titelgebende gut zweihundertseitige Erzählung „Erinnerung an die Toten“ und die sechzigseitige Erzählung „Schmierenkomödie“. „Schmierenkomödie“ ist die aus „El festen de los cuervos“ noch fehlende Geschichte „Pueste en escena“. Die anderen Geschichten erschienen bereits in „Tijuana Blues“. Entsprechend nahtlos schließt das neue Buch von Trujillo Muñoz an das erste an.
In „Erinnerung an die Toten“ beauftragt Bertha de Palacios ihn herausfinden, wer vor über vierzig Jahren ihren Vater umbrachte und jetzt sie töten will. Am 20. Dezember 1963 starb, so die Legende, der Gouverneur von Baja California, Emilio Esquer Lagunas, im Palm Desert Motel beim Sex mit einer achtzehnjährigen Volksschullehrerin. Der Arzt schrieb auf den Totenschein Herzanfall. Aber Lagunas wurde in einem geschlossenen Sarg beerdigt. Morgado beginnt die noch überlebenden Zeugen dieser über vierzig Jahre zurückliegenden Nacht zu befragen. Dabei scheint gleichzeitig ein Killer alle diese Zeugen umbringen zu wollen.
In „Schmierenkomödie“ verschwindet der Hubschrauberpilot Jesús Bull Aguirre. Einen Monat später beauftragt Cecilia Montaño den Anwalt Morgado ihren Mann zu finden. Bull war mit zwei Passagieren im Auftrag der Partido Naturalista Mexicano unterwegs um schützenswerte Kakteen zu kartieren. Morgado kann die Bitte seiner Jugendliebe nicht ablehnen. Doch schon als er Bulls Auftraggeber besucht, fällt ihm auf, dass es die Partido Naturalista Mexicano faktisch nicht gibt. Als er Bulls Flüge nachprüft entdeckt er ein Flugzeug und einen Koffer voll Drogen. Morgado ist mitten in einen geplatzten Drogendeal gestolpert. Denn die Hubschrauberflüge waren nicht gedacht um Kakteen zu kartographieren, sondern um verschwundene Drogen zu finden.
In beiden Geschichten muss Menschenrechtsanwalt Morgado in einem Labyrinth falscher Spuren die eine Richtige finden. Denn während Morgado die Wahrheit herausfinden will, sind die verschiedenen Geheimdienste und Polizeien nur an ihren strategischen Spielen interessiert. Entsprechend instrumentell ist ihr Interesse an der Wahrheit. Dabei ist es für sie egal, ob es sich um aktuelle, wie in „Schmierenkomödie“, oder um lange zurückliegende Ereignisse, wie in „Erinnerung an die Toten“, handelt. Denn auch der über vierzig Jahre zurückliegende Tod des Gouverneurs von Baja California hat seine tödlichen Auswirkungen auf die Gegenwart. Entsprechend unklar sind bei Trujillo Muñoz die Grenzen zwischen den Guten und den Bösen. Denn immer wieder entpuppen sich die Guten als die Bösen und umgekehrt. Letztendlich unterscheiden sich die Schattenspiele und Intrigen der verschiedenen Organisationen kaum voneinander. Da wird Trujillo Muñoz dann zu einem Geistesverwandten von John le Carré. Diese Grauzonen lotet Gabriel Trujillo Muñoz in den schon aus „Tijuana Blues“ bekannten Hardboiled-geschulten knappen Beschreibungen, rasanten Dialogen und kurzen Kapiteln aus.
„Erinnerung an die Toten“ ist spannende Unterhaltung aus dem Gebiet der mexikanisch-amerikanischen Grenze, die auch gleichzeitig die Grenze zwischen dritter und erster Welt ist. Gabriel Trujillo Muñoz steht zwischen zwei Kulturen und fühlt sich in dieser Position sehr wohl. Denn er kann für seine düsteren Geschichten das Beste aus den beiden Welten nehmen.
Gabriel Trujillo Muñoz: Erinnerung an die Toten
(übersetzt von Sabine Giersberg)
Unionsverlag, 2007
256 Seiten
14,90 Euro
Originalausgabe:
Erinnerung an die Toten
(La memoria de los muertos, Ediciones Vandalay, Sonora, 2006)
Schmierenkomödie
(Pueste en escena, aus El festin de los cuervos, Norma Ediciones, Mexiko-Stadt, 2002)
Weitere Informationen über Gabriel Trujillo Muñoz beim Unionsverlag
