Nix mit Suspense

Eine Sammlung von Kurzkrimis beginnt mit einem Konzept. In „Greatest Hits“ handeln alle Geschichten von Profikillern. In „Dangerous Women“ geht es um gefährliche Frauen. In „Murderers’ Row“ um Baseball. In „Murder and all that Jazz“ um Jazz. In „Mystery Street“ um eine Straße und einen Privatdetektiv als Helden. In „Schöne Leich’ in Wien“ spielen alle Geschichten in Wien. In „Tod am Bodensee“ am Bodensee. Ein solches Konzept führt bei den Autoren zu einer gesunden Mischung aus Disziplin (sie müssen eine Kriminalgeschichte zu einem bestimmten Thema oder Ort schreiben) und Freiheit (innerhalb dieses Rahmens ist alles möglich). Gleichzeitig ist das so entstehende Buch nicht einfach nur eine Sammlung von mehreren Kurzgeschichten, sondern etwas besonders.

Bei der von Christiane Geldmacher herausgegebenen Kurzgeschichtensammlung „Hell’s Bells“ wurde auf ein solches Konzept verzichtet und im Klappentext wird als Kaufargument nur noch hilflos der kleinste gemeinsame Nenner für eine Geschichte bemüht: nämlich „Spannung“. Gerade dieser Aspekt sollte für eine Kriminalgeschichte noch selbstverständlicher sein als für jede andere Geschichte.

Allerdings sind die meisten Geschichten in „Hell’s Bells“ nicht sonderlich spannend. Spannung ist die Ankündigung, dass etwas geschehen wird. Wir Leser sind in das Geschehen involviert. Wir wollen wissen, wie die Geschichte endet. Wir hoffen dabei auf ein bestimmtes Ende.

Alfred Hitchcock bemühte, wenn er erklären musste, was Spannung ist, oft die Karten spielenden Männer. Während sie seelenruhig spielen, wissen wir, dass der Verbrecher unter dem Tisch eine Bombe angebracht hat und wann sie explodiert. Im Folgenden hoffen wir, dass diese Männer entweder die Bombe entdecken oder möglichst schnell den Raum verlassen. Das ist Suspense. Auch jede Folge von „Alfred Hitchcock präsentiert“ (Alfred Hitchcock presents) demonstriert dieses Prinzip. Beispielsweise „Bang! You’re Dead“. Ein als Cowboy verkleideter Junge schiebt eine Kugel in einen Revolver. Dann zieht er durch den Vorort und schießt auf Gegenstände und Menschen. Bei jedem Schuss hoffen wir, dass die Kugel in der Trommel bleibt. Vor jedem Schuss hoffen wir, dass ein Erwachsener ihm endlich den Revolver abnimmt. Nach jedem Schuss hoffen wir, dass der Junge mit diesem Spiel aufhört.

Genau diese Spannung – immerhin wird im Klappentext auch explizit auf Patricia Highsmith und „Suspense“ hingewiesen – fehlt den in „Hell’s Bells“ versammelten Geschichten. Die meisten plätschern, oft psychologisch unglaubwürdig, bis zum Ende vor sich hin. Norbert Horst, Jürgen Albertsen und Carlo Schäfer lassen einen eher ratlos zurück. Einige, wie Henrike Heilands Theaterstück, Arthur Gordon Wolf und Sebastian Spengler, sind einfach missglückt.

In diesem Umfeld wird Dieter Paul Rudolph mit seinem etwas länglichen Schulaufsatz „All-inclusive oder Wie ich meine großen Ferien verbracht habe“ zum Höhepunkt. Doch Schulaufsätze sind nicht spannend.

Christiane Geldmacher (Hrsg.): Hell’s Bells

Poetenladen, 2008

176 Seiten

13 Euro

Enthält

Sebastian Spengler: Der Wald reicht bis ans Haus

Norbert Horst: Nah

Dieter Paul Rudolph: All-inclusive oder Wie ich meine großen Ferien verbracht habe

Henrike Heiland: Der unglückliche Herr Dr. von und zu Wittenstein

Arthur Gordon Wolf: Jack is Back

Sabine Ludwigs: Beutezug

Susanne Schubarsky: Schwarze Erinnerungen

Sabine Thomas: Angel in the Night

Carlo Schäfer: Uranus Schnitz und das Michelangelo Quadrat

Jürgen Albertsen: Ein Platz bei ihr am Grab

Michael Theurillat: Plan B

Elke Schröder: Eine runde Sache

Sabina Altermatt: Bergwärts

Michael Hüttenberger: Dorfmusik

Christiane Geldmacher: Ach, du bist das

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