Ein anderer Blick auf Kinky Friedmans neuen Roman

friedman-der-gefangene-der-vandam-street1

Als Leser verbringe ich einige Stunden mit einem Buch. Der Übersetzer verbringt einige Monate (in seltenen Fällen sogar einige Jahre) mit einem Buch. Das schärft den Blick für die Qualitäten und versteckten Fallen einer Geschichte. Gunnar Kwisinski, der Übersetzer des neuesten Kinky-Friedman-Romans „Der Gefangene der Vandam Street“, schrieb mir eine Mail zu meiner Besprechung des Romans, die ich euch nicht vorenthalten will. Denn die von ihm erwähnten Punkte eröffnen einen anderen Blick auf den Roman (und lassen mich über die Frage nachdenken, wie Serienhelden altern können):

Der Gefangene ist ein gutes Buch, sehr gut konstruiert und durchgearbeitet – aber natürlich anders als die frühen Kinkys.

Es geht um Alter, Krankheit, angewiesen sein auf andere. Und zwar von Anfang an. Schwerhörigkeit bei McGovern (die durch ein Hörgerät zu beheben wäre), Krankheit (natürlich kinkytypisch die erfundene, überzogene Malaria), Krankenhaus, Rollstuhl, Umgang mit Rollstuhlfahrern.

Dann in der Wohnung. Allein und auf andere angewiesen. Die alten Kumpel und Chaoten sind aber auch alt geworden, kriegen nicht mehr viel auf die Reihe, sind genervt voneinander und vertragen ihre Drogen auch nicht mehr so richtig. Was früher noch locker und witzig war, ist jetzt ein ziemliches Elend. Nach einer durchzechten Nacht sind die eben nicht mehr leicht verkatert, sondern sie liegen schlaff im Hauseingang rum. Und die Witze …(Katzenscheiße) sind auch nicht mehr so komisch wie früher, als alle mitgekifft haben.

Der Krimi: Der alte, kranke Kinky kann nicht raus. Die anderen glauben dem alten kranken Knacker nicht (der ja auch früher noch Drogen genommen hat). Die kleine Welt um ihn herum wird chaotisch und unangenehm, mit dem Fernglas ist auch nicht viel zu sehen. Kinky flüchtet sich in melancholische Erinnerungen an bessere Jugendtage mit Eltern, Kolibris, etc, und seine alte große Liebe.

Dann sieht er was. Sehr konsequent „Häusliche Gewalt“. Er will eingreifen, kann aber nicht. Er schickt andere, die können und oder wollen auch nicht mehr wie früher. Die Polizei ist von wirren Alten sowieso genervt, außerdem sei häusliche Gewalt alltäglich und ja nicht so schlimm. Dass gerade der hilflose auf Hilfe im Haus angewiesene Kinky sich mit häuslicher Gewalt beschäftigt ist auch nur folgerichtig.

Auch der Freund von außen (der noch nicht von dem älter werdenden Kinky genervt ist) reagiert nur für kurze Zeit wirklich wohlwollend. Irgendwann muss er auch wieder weg.

Am Ende kann unser Held das Opfer nicht retten, weil er nicht mehr die Kraft dazu hat. Und auch weil das Opfer ihn nicht ernst nimmt. Dem jungen, vor Energie sprühenden Kinky wäre das nicht passiert. So ist es nur folgerichtig. Erst Wochen (Monate?) später erkennt er, dass er tatsächlich recht hatte, aber auch da will es in der schnelllebigen, für junge Menschen gebaute Stadt keiner mehr wissen.

So, und wenn man das vor der Folie der alten Kinkys liest, ist es ein längst nicht mehr so witziges Buch, das andere Themen als die frühen behandelt und einen ganz anderen Charakter hat, aber gewiss nicht schlecht ist. Kinky kämpft immer noch für Außenseiter – aber eben für andere.

Alle trauern den alten Kinky-Krimis nach, es wäre aber ja noch schöner, wenn Kinky sich nach 20 Jahren nicht verändert hätte. Das Alterswerk (sogar mit ironischem Metadiskurs, ob es denn „literarischer“ wäre – auch das gehört dazu), ist erst einmal anders. Und das müsstest du als Kritiker ernst nehmen. Wenn das dann erst einmal benannt ist – und der Roman nicht nur als schlecht und „früher war er besser“ tituliert wurde – kann man darüber sprechen, ob es wirklich gelungen ist (ich finde das schon) und was einem besser gefällt. Mein Hauptkritikpunkt wäre dann, dass man die alten Kinkys als Folie braucht, um diesen so richtig genießen zu können.Aber mit dieser Folie wird das Ganze dann auch wieder komisch.

Das Problem liegt aber immer noch darin, dass Kinkys Romane eben nicht wie Literatur oder „anspruchsvolle Krimis“ behandelt werden, sondern sich alle leichte, lockere Unterhaltung davon versprechen und sich ärgern, wenn diese Erwartungshaltung nicht erfüllt wird.

2 Responses to Ein anderer Blick auf Kinky Friedmans neuen Roman

  1. […] Nachtrag (23. Januar 2009): Gunnar Kwisinski über das Buch […]

  2. […] autor in kapitel drei; germanisten finden sowas aber trotzdem geil), aber insgesamt sehe ich das so wie kinkys übersetzer: der gefangene der vandam street ist ein gutes buch. und wer das anzweifelt, besteht aus […]

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..