Blutiges von Jack Ketchum

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Jack Ketchums „Blutrot“ ist für mich eines der Bücher des vergangenen Jahres. Ketchums zweites 2008 auf Deutsch veröffentlichtes Buch „Amokjagd“ ist dagegen weniger gelungen, aber immer noch eine gute Lektüre. Beide Bücher erschienen in den USA bereits 1995 und sie sind beide nach der gängigen Bestsellerlänge altmodisch kurz. Denn die pompöse Seitenzahl von jeweils 288 Seiten erreichen sie nur dank eines großzügigen Layouts. Sie sind beide ganz traditionell erzählt und bewegen sich, dank ihrer Länge, geradlinig wie eine gut geölte Maschine auf ihr Ende zu. Auch Ketchums Sprache ist entsprechend schnörkellos. Da ist kein Satz zu viel, kein Wort überflüssig. Und, noch eine Gemeinsamkeit, sie spielen in der Provinz.

In „Amokjagd“ beobachtet Wayne Lock, wie Lee Edwards und Carole Gardner ihren gewalttätig-herrsüchtigen Mann Howard im Wald erschlagen und anschließend eine Felsklippe hinunterwerfen. Lock, der seine Gewaltfantasien bis jetzt nicht auslebt, glaubt, endlich zwei Gleichgesinnte gefunden zu haben. Er sucht sie und, als er sie gefunden hat, erpresst er sie mit seinem Wissen zu einer Spritztour. Auf dieser Fahrt flippt Lock aus und hinterlässt eine blutige Spur durch die Provinz. Edwards und Gardner müssen das als machtlose Zeugen mit ansehen. Denn wenn sie flüchten, würde Lock sie an die Polizei verraten.

Außerdem hat inzwischen auch der Revierleiter Lieutenant Joseph Rule die beiden Gattenmörder bereits im Visier.

Auf den ersten Seiten von „Amokjagd“ entwickelt Jack Ketchum den Konflikt zwischen den beiden Mördern und ihrem Bewunderer sehr konsequent und nachvollziehbar. Aber wenn die drei sich auf die gemeinsame Spritztour begeben, schlägt die Geschichte in einen B-Moviehaften Blutrausch, bei dem jeder, der den Weg von Lock kreuzt, umgebracht wird, um. Die Polizei ist währenddessen mit dem Einsammeln der Leichen beschäftigt. Trotz etlicher guter Szenen hat „Amoklauf“, im direkten Vergleich zum grandiosen „Blutrot“, zu viel von einem 08/15-Splattermovie, bei dem sich die Qualität des Films anhand des Blutzolls bemisst.

In „Blutrot“ kommt Jack Ketchum bis zum Ende mit einem toten Hund und den Konflikt zweier Männer über die Frage der richtigen Erziehung aus. Alles beginnt, wie so oft, ganz harmlos. Als Avery Ludlow und sein Hund Red friedlich am Fluss angeln, tauchen drei Jungs auf. Sie ärgern den alten Mann, bedrohen ihn und am Ende erschießt einer der Jungs, Daniel McCormack, den Hund.

Ludlow möchte, dass Daniel die Tat zugibt und sich dafür entschuldigt. Aber er tut es nicht und Daniels Vater, der neureiche Unternehmern Michael McCormack, beschützt seinen Sohn. Doch Ludlow lässt nicht locker. Die Jungs sollen zu ihren Taten stehen. Sie sollen die Wahrheit sagen. Mehr will Ludlow nicht. Aber sie leugnen den Mord an Red und beginnen Ludlow zu bedrohen.

Ludlow wehrt sich. McCormack schützt seine beiden Söhne zunehmend kompromisslos. Denn, so glaubt er, wer das Geld hat, hat die Macht und hat Recht.

Der Kampf zwischen zwei unvereinbaren Wertesystemen, die Fragen von Ehre, Männlichkeit, Verantwortungsbewusstsein für die eigenen Taten und die der Kinder wird wahrscheinlich in jeder Generation ausgefochten. In „Blutrot“, immerhin bedient Jack Ketchum sich ungeniert der bekannten Western-Topoi, läuft die Geschichte konsequent auf das finale Duell zwischen Ludlow, McCormack und seinen Söhnen hinaus.

Das ist, vergessen Sie den marktschreierischen Klappentext, einfach gutes, im besten Sinne altmodisches Erzählhandwerk und deshalb sind etliche bekannte Schriftsteller, wie Robert Bloch, Richard Laymon und Duane Swierczynski, Fans von Jack Ketchum. Der bekannteste und emsigste Lobredner für Ketchum dürfte Stephen King sein: „Hey, want some good advice? Don’t open this book unless you intend to finish it the same night. You may be shocked, even revolted, by Jack Ketchum’s hellish vision of the world, but you won’t be able to dismiss it or forget it.“

Kings Ratschlag gilt für beide Romane.

„Red“ wurde 2008 verfilmt. Der Trailer verspricht einen Film, der auch von Clint Eastwood hätte sein können. Die Kritiken sind ebenfalls sehr positiv. Aber nachdem „Red“ bei uns schon im Pay-TV läuft, gibt es leider keinen Kinostart, sondern im April die DVD-Veröffentlichung.

Jack Ketchum: Amokjagd

(übersetzt von Kristof Kurz)

Heyne, 2008

288 Seiten

8,95 Euro

Originalausgabe

Joyride

Berkley Books, 1995

(Titel der britischen Ausgabe: Road Kill)

Jack Ketchum: Blutrot

(übersetzt von Joannis Stefanidis)

Heyne, 2008

288 Seiten

8,95 Euro

Originalausgabe

Red

Leisure Book/Dorchester Publishing, 1995

Verfilmung

Red (USA 2008)

Regie: Trygve Allister Diesen, Lucky McKee

Drehbuch: Stephen Susco

Mit Brian Cox, Noel Fisher, Tom Sizemore, Kyle Gallner, Shiloh Fernandez, Robert Englund

Hinweise

Homepage von Jack Ketchum

Evolver porträtiert Jack Ketchum

3 Responses to Blutiges von Jack Ketchum

  1. […] Amokjagd (Joyride; auch Road Kill, 1994) […]

  2. […] Meine Besprechung von Jack Ketchums “Amokjagd” (Joyride, 1995) […]

  3. Amokjagd – Jack Ketchum…

    Jack Ketchum gehört momentan zum Besten, wenn es um Horrorromane geht. Sein prägnanter Schreibstil, der sich auf das Wesentliche beschränkt und unnötig lange Ausführungen auslässt, verhilft dem Leser zu einem gradlinigen L…

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