
Die einzige Vorgabe für Autoren bei der „Kaliber .64“-Reihe ist die Länge. Sie haben für ihre Geschichte nur 64 Seiten und genau an der damit zusammenhängenden Herausforderung, eine Geschichte zu erzählen, die nur in dieser Länge funktioniert, scheitern viele Autoren. Weil „Kaliber .64“-Geschichten von der Länge zwischen einer Kurzgeschichte und einem Roman liegen, funktionieren weder aufgeblasene Kurzgeschichten noch die Readers-Digest-Fassungen von Romanen, besonders wenn es sich um einen Rätselkrimi handelt.
Auch Christine Grän, die Autorin der unterhaltsamen Anna-Marx-Romane, scheitert letztendlich mit ihrem „Kaliber .64“-Buch „Jedermanns Gier“.
Gräns Heldin Victoria bringt ältere Männer um mehr oder weniger große Teile ihres Vermögens und manchmal bringt sie sie auch um. Diesem schändlichen Tun widmet Grän die erste Hälfte des Buches. Das ist, nach dem ersten Kapitel, nur noch mäßig interessant, weil wir nichts entscheidend Neues über Victoria erfahren und auch keine ihrer auf diesen Seiten geschilderten Taten mit ihrem „vielleicht letzten Job“ in Miami zusammenhängen. Denn mit Mitte Vierzig fühlt sie sich langsam zu alt für ihre Art des Broterwerbs und sie hat inzwischen auch genug Geld für ein sorgloses Leben beisammen. Trotzdem macht sie sich in der Mitte der Geschichte auf nach Miami zum Ausnehmen des nächsten reichen, alten Knackers.
Dort trifft sie Franz, einen Wiener Gigolo, den sie von früher kennt (dem wir allerdings bis dahin noch nicht begegnet sind), und der, genau wie sie, ältere Herrschaften (bei ihm natürlich Frauen) ausnimmt. Die beiden Paare beginnen mehr Zeit miteinander zu verbringen und irgendwann schlägt Frank Victoria ein gemeinsam verübtes Verbrechen vor.
Doch auch jetzt, immerhin sind die 64 Seiten fast gefüllt, plätschert die Geschichte vor sich hin. Denn Victoria selbst hat kein konkretes Ziel, das sie erreichen will und sie hat auch keinen Gegner, der sie davon abhalten will. Sie ist in Miami (das das halbe Buch füllende und für das Miami-Abenteuer vollkommen bedeutungslose Vorspiel lassen wir mal links liegen) keiner Gefahr ausgesetzt. Sie könnte jederzeit, ohne dass sich für sie etwas ändern wurde, die Stadt verlassen.
Deshalb ist „Jedermanns Gier“ eine auf 64 Seiten gestreckte langweilige Kurzgeschichte.
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Christine Grän: Jedermanns Gier
Edition Nautilus, 2009 (Kaliber .64)
64 Seiten
4,90 Euro
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Hinweise