Vor fünf Jahren massakrierte die Kritik „Endstufe“ von Thor Kunkel regelrecht. Sein neuestes Werk „Kuhls Kosmos“ wurde dann weitgehend ignoriert. Zu Unrecht. Denn „Kuhls Kosmos“ ist ein schön schwarzhumoriger Pulp über Thor Kunkels bereits aus früheren Werken bekannten Verlierer Kuhl und ein illusionsloser Blick zurück in die späten Siebziger, als vieles anders, aber nicht besser war.
Anton Kuhlmann, von allen „Kuhl“ genannt, ist 1979 kurz vor der Silvesternacht auf den Bahamas mit dem Durchbringen von einem Haufen unrechtmäßig erworbenem Geld und dem angemessenen Feiern des Endes der glorreichen siebziger Jahre mit Drogen, Sex und Müßiggang beschäftigt. Denn danach, davon ist der Neuzehnjährige fest überzeugt, kann nichts mehr kommen. Deshalb will er, bevor der letzte Pfennig aufgebraucht ist, sterben.
Der windige Pornoproduzent Earl B. Holsten möchte ihn währenddessen an seinem nächsten Projekt „Geisha des Todes: Die 1002. Nacht“ beteiligen und die ältere Pornodarstellerin Pola Popova (sie hat das biblische Alter von Dreißig schon vor einigen Jahren überschritten) mit standesgemäß großem Busen will mit ihm (immerhin produziert er vielleicht ihren nächsten Film und außerdem ist der Junge ganz nett) ins Bett.
Kuhls Erlebnisse in Nassau werden von den erfolglosen Ermittlungen von Kommissar Jörg Herbricht und Kuhls Erinnerungen an seine Frankfurter Zeit unterbrochen. Zusammen mit seinen Kumpels Mario „Rio“ Bravo und Sonnfried „Sonny“ Lattmann zog Kuhl durch den Stadtteil Kamerun und versuchte sich ziemlich erfolglos als Kleinkrimineller. Denn wenn es eine wiederkehrende Melodie in seinem kurzen Leben gibt, ist es, dass jeder seiner Pläne scheitert. Das gilt für die Fahrt an die Nordsee, das Besorgen von Alkohol aus dem Kaufhaus, das Bestehlen eines toten Rentners und das Vermeiden von ehrlicher Arbeit. Denn die Zicke vom Arbeitsamt will dem Schulabbrecher unbedingt zu einem Job verhelfen. Kuhl hat allerdings keinen Bock und erfindet eine Reihe grandios-unglaubwürdiger Ausreden, die auch einem Hartz-IV-Empfänger gefallen können. Der Erfolg von Kuhls Bemühen ist, wenig überraschend, dass ihm das Arbeitslosengeld gestrichen wird.
Thor Kunkel schildert diese Geschichte eines nach bürgerlichen Maßstäben gescheiterten Lebens im schwarzhumorig, geradlinigen Hardboiled-Tonfall. Er urteilt nicht über seine Charaktere. Er langweilt nicht mit weltbekehrender Sozialarbeiterprosa. Stattdessen wechselt er öfter – und sehr gelungen – in eine verknappte Drehbuchprosa. Immerhin sehen die glücklosen Kleingangster und Discofans Rio, Sonny und Kuhl ihr Leben als dreckiges B-Movie.
Ein dickes Dankeschön an „Pulp Master“-Herausgeber Frank Nowatzki für die Veröffentlichung von Thor Kunkels neuem Roman. Denn wenn „Kuhls Kosmos“ bei einem großen Verlag erschienen wäre, hätte ich es sehr wahrscheinlich nicht gelesen und so ein verdammt gutes Buch verpasst.
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Thor Kunkel: Kuhls Kosmos
Pulp Master, 2008
336 Seiten
13,80 Euro
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Hinweise
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