
Weil das Buch schon etwas länger gelesen bei mir herumliegt und ich die für eine geplante Sammelbesprechung anderen Bücher immer noch nicht gelesen habe (Warum hat ein Tag nur 24 Stunden? Warum muss ich schlafen?), gibt es heute eine Kurzkritik von Nicolette Bohns „Ein Mord genügt“. Neben „Die Macht des Bösen – Wahre Kriminalfälle aus Österreich“ von Helga Schimmer war das im Frühjahr der Auftakt der neuen Reihe „emons: True Crime“ .
Bohn schildert in „Ein Mord genügt“ neun wahre Kriminalfälle aus dem Ruhrgebiet aus den Sechzigern und Siebzigern. Es sind eher kleine, alltägliche Fälle, die allerdings alle etwas über die damaligen moralischen Standards erzählen. Bei der Schilderung der Fälle steht meist der Weg zur Tat im Mittelpunkt. Sie versucht zu beantworten, wie ein Mensch zum Mörder wird. Und warum ein anderer Mensch das Opfer ist. Insofern orientiert sie sich an dem Forschungsprogramm der Viktimologie. Die Ermittlungen der Polizei interessieren sie dagegen weniger.
Schade ist allerdings, dass ihre Schilderungen normalerweise beim Urteilsspruch aufhören und sich wie eine Zusammenfassung der, von ihr auch zitierten, Gerichtsakten und einschlägiger Zeitungsartikel lesen. Denn gerade weil zwischen den Taten und der Veröffentlichung von „Ein Mord genügt“ so viel Zeit vergangen ist, wäre es interessant zu wissen, was die damals Beteiligten heute denken. Wie sie die Ereignisse verarbeitet haben und wie sie heute leben.
Ebenfalls schade ist, dass Bohn ihre Auswahl der Fälle nicht genauer begründet. Ich vermute, dass sie die Mordfälle danach ausgewählt hat, wie sehr sie gerade aufgrund der damaligen moralische Standards, wie dem Verschweigen von Homosexualität, Gewalt in der Familie und Borniertheit, geschehen konnten. Hier hätte die Chance bestanden, die Fälle viel stärker zu einem Sittengemälde des Ruhrgebiets in den sechziger und siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts auszubauen. So bleiben sie nur eine Sammlung von neun, etwas willkürlich zusammengestellten Kriminalfällen, die ohne große Änderungen auch vor dreißig Jahren hätte erscheinen können.
Also: kein Pflichtkauf, aber auch keine Zeitverschwendung und ein okayer Auftakt einer neuen Reihe.
Nicolette Bohn: Ein Mord genügt – Neun wahre Kriminalfälle aus den 60er und 70er Jahren
Emons, 2009
192 Seiten
9,90 Euro
[…] meiner Besprechung von „Ein Mord genügt“ fiel mir wieder ein, dass dieser Post überfällig ist. Ich las mich, einige werden sich erinnern, […]