

Erst nach seiner Quasi-Biographie „Fast wie von selbst“ habe ich wieder Lust auf die neuen Bücher von Felix Huby bekommen. Denn seine letzten Bienzle-Tatorte waren ziemlich langweilig und auch seine Idee, in Berlin einen Kommissar Heiland ermitteln zu lassen, löste bei mir keinen Lesereflex aus. Huby war einfach ein Kapitel aus der Vergangenheit des deutschen Krimis.
Dabei hat Felix Huby, wie seine neuen Krimis „Null Chance“ und „Bienzle und das ewige Kind“ zeigen, immer noch etwas zu sagen und natürlich weiß er immer noch, wie er schnörkellos eine Geschichte erzählt.
In „Null Chance“ ermittelt Hubys neuer Ermittler, der in Berlin ermittelnde Bienzle-Schüler Peter Heiland, zum vierten Mal.
Dem Gymnasiast Marc Schuhmacher wurde ein Messer in die Rippen gerammt. Während er noch ohne Bewusstsein im Krankenhaus liegt, wird Osman Özal ermordet. Er wollte ein echter Gangster werden und stand, als Anführer einer Jugendgang, auch in Verdacht, Schuhmacher verletzt zu haben. Kommissar Peter Heiland und seine Kollegin Hanna Iglau ermitteln im Milieu von Jugendgangs und türkischen Familien.
So brennend das Thema in Großstädten auch ist, so zahlreich sind die Fallstricke, über die ein Schriftsteller dabei stolpern kann. Das beginnt mit der Gangsta-Sprache der Jugendlichen, geht über die verschiedenen Befindlichkeiten der angesprochenen Gruppen und endet bei dem pädagogischem Zeigefinger. Denn natürlich will ein Autor, wenn er sich mit der mangelhaften Integration und Chancenlosigkeit von Gastarbeiterkindern beschäftigt, auch etwas gesellschaftlich relevantes sagen. Das kann, wie kürzlich bei Domskys „Ehre, wem Ehre…“ oder etlichen TV-Krimis, gründlich daneben gehen.
Felix Huby umschifft diese Klippen (angesichts einiger seiner TV-Arbeiten) erstaunlich gut. Er schreibt einfühlsam über Jugendliche, die sich ihren eigenen Platz in der Gesellschaft suchen müssen und dabei zwischen verschiedenen Ansprüchen hin- und hergerissen sind. Das gilt auch für die beiden aus der Türkei eingeflogenen Brüder, die in Berlin einen Ehrenmord begehen sollen.
Sehr angenehm ist auch, dass Felix Huby nicht krampfhaft versucht, den Jugendslang zu imitieren. Seine jugendlichen Verbrecher sprechen ganz normales, verständliches Deutsch.
Störend an „Null Chance“ ist für Berliner, die nur höchst unwillig ihren Kiez verlassen, die Mobilität der Jugendlichen innerhalb des S-Bahn-Rings. Da hat der touristische Aspekt die genaue Recherche geschlagen.
Während „Null Chance“ eine neue Geschichte erzählt, ist „Bienzle und das ewige Kind“, wie öfters bei Huby, schwäbische Zweitverwertung. Denn Bienzle-Fans haben die Geschichte bereits als „Bienzle und der Tod in der Markthalle“ gesehen. In der titelgebenden Markthalle entdeckt der Nachtwächter den erstochenen Markthändler Joseph Janicek. Neben der Leiche sitzt Janiceks geistig zurückgebliebener Sohn Geza mit der Tatwaffe in der Hand. Geza behauptet, seinen Vater umgebracht zu haben. Für Kommissar Ernst Bienzle ist das allerdings zu einfach. Er hält Geza für einen wichtigen Zeugen und, nachdem er von Geza als Vater-Ersatz angenommen wird, beginnt er sich um ihn zu kümmern.
Während der „Tatort“ reichlich zäh war, ist die darauf basierende Romanversion „Bienzle und das ewige Kind“ eine flotte Lektüre, bei der die Beziehung von Bienzle zu Geza viel glaubwürdiger ist. Denn Huby verschweigt nie, dass Bienzle in Geza vor allem einen wichtigen Zeugen und potentiellen Mörder sieht. Er lässt sich mit ihm ein, weil er Informationen will.
Und diese Informationen sollen ihm helfen, unter den zahlreichen Tatverdächtigen den Mörder zu finden. Dieser ist, soweit ich mich an den „Tatort“ erinnere, nicht der Täter aus dem „Tatort“.
„Null Chance“ und „Bienzle und das ewige Kind“ zeigen, dass Felix Huby immer noch ein unprätentiöser Geschichtenerzähler ist. Beide Krimis sind gute Unterhaltung für einen langen Abend; genau wie seine ersten Bienzle-Romane aus den Siebzigern.
Felix Huby: Null Chance
Scherz, 2009
304 Seiten
14,95 Euro
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Felix Huby: Bienzle und das ewige Kind
Fischer Verlag, 2009
192 Seiten
8,95 Euro
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Vorlage
Tatort: Bienzle und der Tod in der Markthalle (D 2006)
Regie: Arend Agthe
Drehbuch: Felix Huby
mit Dietz Werner Steck, Rüdiger Wandel, Rita Russek, Dirk Salomon, Klaus Spürkel, Walter Schultheiß, Arndt Schwering-Sohnrey, Rolf Zacher
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Hinweise
Homepage von Felix Huby
Meine Besprechung von Felix Hubys „Fast wie von selbst – Ein Gespräch mit Dieter de Lazzer“ (2008)
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